Essen. Essener Betriebe bilden 2019 erneut weniger aus. Die Wirtschaft sagt, es fehlen geeignete Bewerber und manche Firmen gäben deshalb frustriert auf.
Es ist ein Widerspruch in sich: Die Unternehmen in Essen klagen immer lauter über einen Mangel an Fachkräften. Auf der anderen Seite muss die Arbeitsagentur in ihrer aktuellen Bilanz zum abgelaufenen Ausbildungsjahr 2018/19 einmal mehr ernüchtert feststellen: Die Betriebe bilden erneut weniger aus. Sie meldeten der Arbeitsagentur 3372 freie Lehrstellen. Das waren 197 Plätze weniger als im Ausbildungsjahr zuvor. „Das macht uns große Sorgen gerade mit Blick auf das wachsende Fachkräfteproblem“, betont die Chefin der Arbeitsagentur, Andera Demler.
Die Industrie- und Handelskammer (IHK) bestätigt: Die Zahl der tatsächlich abgeschlossenen Ausbildungsverträge in Essen ist dieses Jahr um fünf Prozent eingebrochen. Im Handwerk sind die Zahlen im Vorjahresvergleich immerhin stabil.
Die Essener Unternehmen sind seit Jahren auf dem Rückzug: Im Jahr 2018 bildeten nur noch 19,6 Prozent der Unternehmen, die dies könnten, auch tatsächlich aus. Vor fünf Jahren lag diese Quote bei 21,3 Prozent. Essens DGB-Geschäftsführer Dieter Hillebrand kritisiert dies deutlich: „Die Wirtschaft entzieht sich ihrer Verantwortung.“
Mehr Bewerber, aber weniger Ausbildungsstellen in Essen
Anders als in anderen Regionen können sich die Essener Betriebe in diesem Jahr aber nicht darüber beklagen, dass es weniger Jugendliche gibt, die sich für eine duale Ausbildung interessieren. Im Gegenteil: In Essen ist ihre Zahl dieses Jahr leicht gestiegen. Über 3900 Jugendliche meldeten sich bei der Arbeitsagentur als Bewerber für eine Lehrstelle. „Wir sind viel aktiver direkt in den Schulen und werben für die duale Ausbildung“, sagt Demler.
Warum sich die Unternehmen dennoch bei der Ausbildung schwer tun, darüber lässt sich nur spekulieren. „Die Betriebe haben große Probleme, die richtigen Bewerber zu finden“, sagt IHK-Geschäftsführer Franz Roggemann. „Ich kenne Firmen, die sind es leid.“
Auch das Handwerk klagt darüber, dass die Zahl der Bewerbungen drastisch abgenommen habe. Wolfgang Dapprich, Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft, berichtet: „Die Bewerber rennen uns leider nicht die Türen ein. Es gibt Betriebe, die keine einzige Bewerbung bekommen haben.“ Dass sich Unternehmen dann frustriert zurückzögen, sei nicht verwunderlich, betonen beide Wirtschaftsvertreter.
Tatsächlich blieben in diesem Jahr in Essen 341 Ausbildungsplätze, die der Arbeitsagentur gemeldet wurden, unbesetzt. Die Zahl ist ähnlich hoch wie im Vorjahr. Die Dunkelziffer dürfte aber noch größer sein, denn nicht alle Lehrstellen werden der Behörde genannt. Dennoch appelliert Andrea Demler: „Den Kopf in den Sand stecken, ist keine Lösung.“ Im Gegenteil: Die Unternehmen müssten dafür sorgen, sichtbarer zu werden.
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Handel, Hotels und Gaststätten sowie die Logistik bilden weniger aus
Im Bereich der IHK fallen vor allem drei Branchen auf, die dieses Jahr deutlich weniger ausbilden: der Handel, das Hotel- und Gaststättengewerbe und der Verkehrs- und Transportbereich, zu dem u.a. die Paketdienste gehören. Gerade die beiden letzteren Branchen kämpfen mit Imageproblemen. Beim Handel wiederum zeigt sich das große „Passungsproblem“ am Ausbildungsmarkt. Heißt: Obwohl es noch 20 Interessenten und 30 freie Lehrstellen gibt, kommen Unternehmen und Bewerber offensichtlich nicht zusammen.
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Das ist ein generelles Problem: Insgesamt stehen den 341 offenen Stellen bei der Arbeitsagentur noch 264 Jugendliche gegenüber, die noch keinen Ausbildungsplatz haben. Demler kündigte an, in den kommenden Tagen eine „konzertierte Nachvermittlungsaktion“ zu starten.