Essen. . Die Arbeitsagentur ist alarmiert: Vor allem viele Fachkräfte scheiden in den nächsten zehn Jahren aus dem Berufsleben aus.

Die Arbeitsagentur sieht ein großes Fachkräfteproblem auf die Essener Wirtschaft zukommen. In den nächsten zehn Jahren werden rund 45.000 Beschäftigte altersbedingt aus dem Berufsleben ausscheiden. Das ist jeder fünfte Arbeitnehmer in der Stadt. „Da rollt eine riesige Welle an Fachkräftebedarf auf uns zu“, sagte die Chefin der Arbeitsagentur Andrea Demler.

Nach der Analyse der Arbeitsagentur werden es vor allem Fachkräfte sein, die in Rente gehen. Fast 25.000 Facharbeiter scheiden aus. Hinzu kommen nahezu 13.200 Experten bzw. Spezialisten. „Das sind keine Stellen, die von Unternehmen einfach wegrationalisiert werden können“, betonte Demler. Je spezialisierter, desto schwieriger werde es, den Arbeitsplatz wieder adäquat zu besetzen.

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Umfrage: Jedes zweite Unternehmen spürt Fachkräftemangel

Auch der Essener Unternehmensverband (EUV) hat in seiner aktuellen Umfrage unter seinen Mitgliedern festgestellt, dass das Fachkräfteproblem drängender wird. „Jedes zweite befragte Unternehmen ist davon betroffen. Vor fünf Jahren war es gerade mal ein Viertel der Betriebe“, sagte Ulrich Kanders, Hauptgeschäftsführer des EUV. Etwa die Hälfte der Firmen gab an, dass sie mittlerweile länger als ein halbes Jahr suchen müssen, bis sie einen passenden Mitarbeiter finden. Die andere Hälfte suchte gar vergebens.

Die Arbeitsagentur appelliert deshalb an die Essener Unternehmen, sich rechtzeitig um Ausbildung und Weiterbildung ihrer Mitarbeiter zu kümmern. Im vergangenen Jahr haben die Essener Unternehmen zwar erstmals seit vielen Jahren wieder mehr Ausbildungsplätze angeboten – nämlich rund 4000. „Aber selbst wenn das auf dem Niveau bleibt, löst das unser Problem nicht“, sagte Demler.

Besonders viele Mitarbeiter werden im Gesundheits- und Sozialwesen in den Ruhestand gehen. Aber auch das Handwerk und das verarbeitende Gewerbe sind stark betroffen. Ebenso Verwaltungen: Bei der Stadt Essen zum Beispiel scheidet bis 2026 sogar jeder Vierte altersbedingt aus.

Digitalisierung bedroht jeden zehnten Job in Essen

Andrea Demler , Chefin der Arbeitsagentur in Essen.
Andrea Demler , Chefin der Arbeitsagentur in Essen. © Fischer

Ob durch diese Entwicklung viele Arbeitslose bessere Job-Chancen erhalten, da ist Andrea Demler skeptisch. Derzeit gelten in Essen rund 48.000 Männer und Frauen als arbeitssuchend. Oft passten aber die Qualifikationen der Betroffenen nicht zu den angebotenen Jobs. Die Arbeitsagentur hat deshalb bereits im vergangenen und auch in diesem Jahr ihre Mittel für die Weiterbildung von Arbeitslosen deutlich nach oben gefahren. 2016 gab die Behörde dafür noch 6,5 Millionen Euro aus, 2017 waren es 10,3 Millionen Euro. 2018 sind nochmals 250.000 Euro mehr eingeplant.

Ein Unsicherheitsfaktor in der weiteren Entwicklung am Essener Arbeitsmarkt ist die fortschreitende Digitalisierung. Nach Berechnungen der Arbeitsagentur sind in Essen etwa zehn Prozent der Arbeitsplätze dadurch bedroht, dass Computer die Tätigkeiten der Menschen übernehmen könnten. Das ist ein vergleichsweise geringer Anteil, in NRW sieht die Bundesagentur für Arbeit 15,6 Prozent aller Jobs als gefährdet an. Dass die Quote in Essen deutlich niedriger ist, liegt an dem großen Dienstleistungsmarkt in der Stadt. „Wir haben etwas bessere Voraussetzungen, aber die Digitalisierung wird auch die Handels- und Büroberufe massiv verändern“, so Demler. Das sei eine Entwicklung, auf die die Unternehmen ebenfalls mit Weiterbildung ihrer Mitarbeiter reagieren müssten. Gleiches gelte für Ausbildungseinrichtungen, die ihre Inhalte anpassen und die Lehrkräfte qualifizieren müssten.