Essen. . Die traurige Bilanz des Essener Ausbildungsmarktes: 233 Jugendliche blieben trotz 344 unbesetzter Ausbildungsplätze ohne Lehrstelle.

Die vermeintlich gute Nachricht zuerst: Es gibt in Essen im Ausbildungsjahr 2017/18 wieder im Vergleich zum Vorjahr einen leichten Anstieg bei den Ausbildungsstellen – genauer gesagt 20 mehr. Zudem ist das Verhältnis zwischen Ausbildungssuchenden mit 0,92 Stellen pro Bewerber nahezu ausgeglichen. Dennoch blieben im vergangenen Jahr 233 junge Menschen ohne Ausbildung – und das, obwohl auch 344 Stellen nicht besetzt werden konnten.

So lauten zunächst die Eckdaten der aktuellen Ausbildungsbilanz, die die Akteure – das Jobcenter, die Agentur für Arbeit, die Kreishandwerkerschaft, der DGB und der IHK – gemeinsam zogen. Dabei wird nichts beschönigt: „Wir wissen um die 344 entgangenen Chancen und fragen uns natürlich, warum es nicht gelungen ist, beide Seiten zusammenzubringen“, sagt Andrea Demler, Leiterin der Essener Arbeitsagentur. So fällt beim Blick in die Statistik auf, dass 13 potentielle Verkäuferinnen ohne Ausbildung blieben – und das, obwohl 25 Stellen unbesetzt blieben. Und das ist nur ein Beispiel von vielen.

Die Ausbildungsbetriebsquote sinkt weiter

Trotz leicht steigender Ausbildungsstellen – die Ausbildungsbetriebsquote in Essen sinkt weiter und liegt derzeit bei 19,8 Prozent. „Das bedauern wir sehr, dass immer weniger Betriebe in ihre Zukunft investieren“, so DGB-Regionalgeschäftsführer Dieter Hillebrand.

Aufgrund der demografischen Entwicklung wird es immer schwieriger werden, einen geeigneten Azubi zu bekommen. So bewarben sich 3874 Jugendliche im Ausbildungsjahr 2017/18 um einen Lehrstelle, das waren 170 weniger als im Vorjahr. Die Konsequenz dieser rückläufigen Zahlen skizziert Andrea Demler so: „Die Arbeitgeber müssen sich in Zukunft attraktiver aufstellen und mehr um Azubis werben. Wir verändern uns: weg vom Lehrstellen-, hin zum Bewerbermarkt.“

Eine gute Nachwuchsförderung ist wichtig

Auch Franz Roggemann von der Essener IHK glaubt, dass sich Betriebe mehr bewegen müssen. „Bedauerlicherweise verzeichnen wir einen leichten Rückgang an neu eingetragenen Ausbildungsverträgen. Und zwar besonders im kaufmännischen Bereich.“

Dass man dem viel zitierten Fachkräftemangel nur durch gute Nachwuchsförderung begegnen kann, weiß auch Wolfgang Dapprich von der Kreishandwerkerschaft. Das Essener Handwerk kommt auf 803 neue Verträge, „befriedigend“ nennt das Dapprich.

Eine schnelle Lösung hat keiner der Akteure parat. „Man sollte Jugendliche vielleicht nicht allein nach deren formalen Qualitäten beurteilen. Sondern ihnen die Möglichkeit geben, sich beim Praktikum oder einer Einstiegsqualifizierung zu bewähren“, sagt Dietmar Gutschmidt, Leiter des Jobcenters.

Jungen Menschen eine Chance geben

Die Büroausstattungsfirma Swedex, Gastgeber der Bilanzrunde, hat bereits beste Erfahrungen damit gemacht, jungen Menschen, die vielleicht nicht alle Anforderungen erfüllen, eine Chance zu geben. Allein in diesem Jahr wurden vier Bewerber aus einer Einstiegsqualifizierung in die Ausbildung übernommen. „Das ist der richtige Weg, verborgene Talente aufzuspüren“, sagt Swedex-Personalleiter Dennis Suck. Er muss es wissen: Nahezu alle Führungskräfte des Essener Unternehmens wurden aus dem eigenen Nachwuchs rekrutiert.