Essen. . Im Frühjahr könnte für die Trinkerszene vom Willy-Brandt-Platz ein alternativer Treff entstehen. Aus der Idee muss ein Konzept werden.

  • Idee der Suchthilfe, ein Angebot vor ihrer Tür zu schaffen, ist für Wohlfahrtsverbände denkbar
  • Bei der Stadt, die bislang mit einer Verlagerung scheiterte, stößt das Angebot auf Wohlwollen
  • „Wir müssen eine Alternative anbieten können“, sagt Ordnungsdezernent Christian Kromberg

Der Druck auf den Trinker-Trupp rund um den Willy-Brandt-Platz dürfte in wenigen Wochen spürbar wachsen: Der Rat der Stadt segnet in zwei Wochen aller Voraussicht nach mit großer Mehrheit ein verschärftes Ordnungsrecht ab, das den Szenegängern unter anderem ein Lagern auf Straßen und Plätzen untersagt, wenn sie zu massiv auftreten und so den „Gemeingebrauch öffentlicher Flächen“ aushebeln. Das Ordnungsamt kann fortan entschiedener durchgreifen, mit dem Ziel, größere Gruppen des Platzes zu verweisen. Die Kräfte werden den Betroffenen aber auch sagen müssen, wohin sie denn gehen sollen.

„Wir müssen eine Alternative anbieten können“, ist Ordnungsdezernent Christian Kromberg nach wie vor überzeugt – wissend, dass der eigens geschaffene Ausweich-Treff inklusive nachgebessertem Edelstahlklo und Sitzgelegenheiten an der Hollestraße kaum angenommen wird.

Citynah und doch blickfern des Innenstadt-Entrées

Da wird es den Verantwortlichen nur allzu Recht sein, dass ein alternativer Standort – citynah und doch blickfern des Innenstadt-Entrées – nun intensiv in den Fokus genommen werden kann: eine Freifläche auf einem Garagenhof in dem Karree zwischen Max-, Licht-, Ak- und Hoffnungstraße. Die dort ansässige Essener Suchthilfe, das Diakoniewerk und der Caritasverband, deren Sozialarbeiter die Trinkerszene in der Innenstadt seit eineinhalb Jahren betreuen, können sich inzwischen vorstellen, dort ein gemeinsames Alternativ-Angebot auf die Beine zu stellen. Darauf hat man sich jetzt verständigt.

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Die Stadt signalisierte bereits vor Wochen Wohlwollen, wird die Machbarkeit des Vorhabens aber noch eingehender prüfen müssen, bevor es voraussichtlich im Frühjahr umgesetzt werden könnte. Ein Ortstermin steht noch genauso aus wie ein durchdachtes Konzept. Im Gespräch ist zum Beispiel eine Art Trinkerraum, der den Szenegängern nicht nur Schutz vor schlechtem Wetter bietet, sondern den Helfern von der Hoffnungstraße auch die Möglichkeit einer besseren Versorgung der Suchtkranken am Stammsitz des Drogenhilfezentrums ermöglicht, inklusive einer engeren Anbindung an die Ausstiegsangebote.

Die meisten Szenegänger haben einen festen Wohnsitz

Nach Beobachtungen der Sozialarbeiter, die täglich zwischen 11 und 14.30 Uhr die Szenetreffs in der Innenstadt aufsuchen, treffen sich am Willy-Brandt-Platz oder inzwischen auch auf dem Vorplatz an der Nordseite des Hauptbahnhofs fast ausschließlich Süchtige, die mit Drogenersatzstoffen therapiert werden. „Die meisten Klienten haben einen festen Wohnsitz und halten sich dort aus kommunikativen Gründen auf“, heißt es in einem Bericht, der am Dienstag dem städtischen Sozialausschuss vorgestellt wurde.

Seitdem das Open-Air-Klo vor dem Handelshof verschlossen ist und rund um den Abgang zur U-Bahn Infostelen der Stadt stehen, werde nun der Heinrich-Reisner-Platz als Urinal missbraucht. Diese Erfahrungen der Sozialarbeiter dürften die dortigen Anrainer uneingeschränkt teilen, die sich durch üble Gerüche belästigt fühlen.

Die absehbar letzte Sprosse auf der Ordnungs-Leiter

Ein geordneter Umzug an die Hoffnungstraße mit gleichzeitig erhöhtem Druck rund um den Willy-Brandt-Platz ist die absehbar vorletzte Sprosse auf der Ordnungs-Leiter. Sollte auch dieser Schritt nicht die gewünschte Wirkung zeigen, könnte das umstrittene Alkoholverbot in Teilen der City wieder zum Thema werden. Zuletzt hat die Stadt Herne im vergangenen Sommer einen entsprechenden Beschluss gefasst, was Essen mit Interesse verfolgte.

„Nach unserer Wahrnehmung ist das Verbot ein Erfolg“, sagt der dortige Stadtsprecher Christoph Hüsken. In Essen hat ein zuletzt von Ex-OB Reinhard Paß ins Spiel gebrachtes Alkoholverbot keine politische Mehrheit gefunden und die Stadt würde sich nach wie vor auf juristisch dünnem Eis fühlen, weil Klagen drohen könnten und dann vielleicht der Nachweis vor Gericht fehlt, alle anderen Möglichkeiten einer Szeneverlagerung nachweislich ausgeschöpft zu haben.

In Herne haben sie derartige Probleme offenbar nicht. Es gibt bis zum heutigen Tag keine Klagen, sagt Hüsken: „Und die Akzeptanz in der Bevölkerung ist auf jeden Fall da.“

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