Essen. . Klaus Adamsky (57) hat mit 15 als Berglehrling auf Zollverein angelegt. Später wird er zu drei anderen Zechen verlegt, jetzt ist er Gästeführer.
- Klaus Adamsky (57) hat als 15-Jähriger 1975 als Berglehrling auf Zeche Zollverein angelegt
- Als Folge des Zechensterbens wurde der Essener mehrfach auf andere Bergwerke verlegt
- Als sein Vater Bergmann auf Zollverein war, wohnten die Kumpel und ihre Familien noch auf der Seilscheibe
„Wohnen auf der Seilscheibe“ – Generationen Essener Bergleute hat der heimelige Mikrokosmos aus Kolonie und Kirche, Konsum und Zeche geprägt. Drumherum der Schrebergarten und die Stammkneipe, die Schule und der Fußballverein – fertig war die kleine Bergmannswelt.
„Mein Vater Horst war auf 6/9 Bergmann unter Tage und zuletzt ‘Wettermann’ auf Schacht XII“, erzählt Klaus Adamsky, „ein Auto oder einen Führerschein hat er nie gebraucht.“
Als der heute 57-Jährige vor gut vierzig Jahren, am 15. August 1975, in die Fußstapfen seines Vaters tritt und als Schlosserlehrling auf Zollverein Schacht XII anlegt, scheint der Bergmannsberuf trotz des Zechensterbens noch Zukunft zu haben. Bloß mit der „Seilscheiben-Romantik“ ist es schnell vorbei.
„Mein Vater hat mich auf Zollverein angemeldet“
Klaus Adamsky verkörpert die Kumpelgeneration, die im Laufe ihres Arbeitslebens von einem Pütt zum anderen verlegt wird – von Zollverein nach Nordstern, von dort nach Consolidation und schließlich für die letzten 16 Jahre nach Westerholt in Herten. „Ohne Auto wäre das gar nicht gegangen.“
Die Zollverein-DNA bekommt der 15-jährige Berglehrling gleich in den ersten Wochen eingeimpft. „Mein Vater hat mich auf Zollverein angemeldet und die Ausbilder waren unsere Nachbarn; deshalb war ich zuerst nicht Klaus, sondern der Junge von Horst“, lächelt er.
Es ist die buchstäblich kumpelhafte Welt, die der Lehrling auf Zollverein kennenlernt. Der Umgangston ist mitunter rau, aber stets herzlich. Die, die ihn in der Lehrwerkstatt unter die Fittiche nehmen, kennt er aus der Kolonie. Zechenkolonie – das steht für Heimat und Geborgenheit.
In den Mannschaften duzt man sich
„Wenn ich bei unseren Nachbarn mit am Tisch saß, gab’s für mich auch immer ein Butterbrot.“ Schießt der junge Adamsky beim Arbeiten an der Panzerkette einen Bock, ist der „Alte“ natürlich sofort auf dem Laufenden. Eine Intimität, die Vor- und Nachteile hat. „Du stehst ständig unter Beobachtung, wirst aber immer aufgefangen.“
In den Mannschaften duzt man sich, vom Steiger aufwärts gilt das respektvolle „Sie“. „Wir waren auf Zollverein eine große Familie“, erinnert sich Adamsky. Solche Sätze mögen anrührend klingen, so wie aus einem Hochglanz-Bilderbuch des Ruhrgebiets, und doch treffen sie den Kern.
Unter Tage ist es heiß und nicht ungefährlich
Denn die Welt, die der junge Bergmann da unten im Streb tausend Meter unter Tage kennenlernt, ist heiß, staubig, laut und nicht ungefährlich. Der Fehler eines einzelnen kann für die ganze Mannschaft verhängnisvoll sein. „Man brüllte sich schon mal an, gab sich aber im nächsten Moment wieder versöhnlich die Hand.“
In der Generation der Väter und Großväter weht die Schwarze Fahne nach Grubenunglücken sehr oft auf den Fördergerüsten, der Bergbau der letzten Jahrzehnte hingegen legt allergrößten Wert auf bestmögliche Sicherheit. Aber selbst wenn die Staublunge längst passé ist, bleibt Bergbau nach wie vor ein Knochenjob.
„Ich habe das Knie und den Rücken kaputt und gehe deshalb zwei Mal die Woche zur Gymnastik“, sagt Adamsky. Und fügt hinzu: „Jeder Bergmann weiß, dass er irgendwann seinen Streifschuss abkriegt.“
Ehrlich sein und zusammenhalten
Ehrlich sein und zusammenhalten – das sind die Kardinaltugenden in der Schicksalsgemeinschaft über und unter Tage. Tugenden, die die ständigen Verlegungen kreuz und quer durchs Ruhrgebiet spürbar erleichtern. „Egal, wo ich neu angefangen habe: Überall sind die Neuen aufgefangen worden, und spätestens nach einer Woche war man Teil der Mannschaft.“
Auf drei Schachtanlagen hat Adamsky als Vorarbeiter quasi an vorderster Front malocht. Kam es zu einer Störung bei der Kohlenförderung, dann kam es nicht selten genug vor, dass sie ihn nachts um drei Uhr aus dem Bett schellten.
Nach 28 Grubenjahren ist er 2009 in die Anpassung gegangen. Die Mannschaft von Westerholt trifft sich immer noch regelmäßig. „Ich habe alle Namen im Handy gespeichert, wenn einer Hilfe braucht, sind wir sofort da.“
Vom Bergmann zum Gästeführer
Die letzte Schicht auf Zollverein am 23. Dezember 1986 hat Klaus Adamsky nicht miterlebt. „Leider“, sagt er rückblickend. Trotzdem ist er „seiner“ Zeche, die zuerst Denkmal und 2001 Unesco-Welterbe geworden ist, treu geblieben. Im Kulturhauptstadt-Jahr 2010 wird er Gästeführer für die Stiftung Zollverein.
Gut 100 Gästeführer des Denkmalpfades zeigen Besuchern den „Weg der Kohle“ über Tage. Nur 14 von ihnen haben einst selbst als Bergleute gearbeitet. Die Teilnehmer erhalten einen Einblick in die Arbeit und das Leben der Bergleute, ferner gibt’s Informationen zu Geschichte und Architektur der Anlagen.
„Ich fühle mich als Zollverein und bin stolz darauf“
Zollverein von heute gebe ihm ein gutes Gefühl, betont Adamsky. Es sei erstaunlich, wie lebendig sich die Zeche 30 Jahre nach der Stilllegung präsentiere.
„Ich fühle mich als Zollvereiner und bin stolz darauf.“ 40 Jahre nach Beginn der Schlosserlehre trägt der Gästeführer noch immer die weiße Bergmannsjoppe. „Nur wird sie jetzt nicht mehr schwatt“, schmunzelt er.