essen. . Nach der Stilllegung macht NRW die Zeche zum Denkmal. Die öffentliche Hand hat seit 1986 über 400 Millionen Euro nach Zollverein gepumpt.
Stillgelegt. Und nun? Längst vor der letzten Schicht 1986 hat sich in Essen eine lebhafte Debatte darüber entzündet, was mit dem Mega-Komplex aus Waschkaue und Kohlenwäsche, Kesselhaus und Werkstatt, Schalthaus und Kokerei passieren soll.
Das Ruhrgebiet, seit zwanzig Jahren ans Zechensterben gewöhnt, pflegt bis dahin einen ziemlich unsentimentalen Umgang mit ausgekohlten Gruben und nutzlos gewordenen Montan-Arealen. Man verfüllt und verschrottet, man reißt ab und versiegelt.
Architekten erkennen Kathedrale der Moderne
Es gibt sogar Pläne, die Zollverein-Schächte mit altlastenverseuchter Erde zu verfüllen. „Einen Pütt unter Denkmalschutz stellen: Wie soll das vor sich gehen?“ So gibt der damalige Bauführer Günter Stoppa heute die Einstellung der meisten Kumpel in jener Zeit wieder.
Doch Zollverein mit seinen strengen Kuben, den auf Effizienz getrimmten Hallen aus rotbraunem Backstein, Stahl und Glas sowie der vom Bauhaus inspirierten klaren Architektursprache ist anders. Fachleute, die später von der Unesco bestätigt werden, betrachten das imposante Ensemble von Schacht XII mit einer Mischung aus Ehrfurcht und Bewunderung und sehen: eine Kathedrale der Moderne.
Nur eine Woche vor der Stilllegung erklärt die oberste Denkmalbehörde Zollverein zum Denkmal. Nur, Denkmalschutz kostet Geld, in diesem Fall womöglich ein Vermögen. Realpolitiker wie OB Peter Reuschenbach (SPD) ahnen dies und schrecken deshalb vor einem Denkmal Zollverein zurück. Dann lieber Gewerbegebiet.
Stiftung Zollverein wird 1999 gegründet
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Der Landtagsabgeordnete Gerd-Peter Wolf schwärmt hingegen von einer „Zukunfts-Zeche-Zollverein“ aus Ateliers und Museen. Der Journalist Thomas Rother berichtet schon am 3. Januar 1987 über Wolfs Vision. Die Schlagzeile lautet: „Zollverein braucht eine Bauhütte“. Diese wird zwei Jahre später tätig.
Zuvor hat der Arbeitskreis „Nutzungskonzept Industriedenkmal Zollverein XII“ seine Pläne ausgebreitet. 1999 läuft die Bauhütte aus, an ihre Stelle tritt die Stiftung Zollverein. 2003 legt der renommierte Architekt Rem Koolhaas seinen Masterplan vor.
Ulrich Borsdorf, seit 1986 Leiter des Ruhrland-Museums, zählt ebenfalls zu den Visionären. Am Tag der Stilllegung regt er ein Museum an: „Ein lebendigeres, anschaulicheres, schöneres und lehrreicheres Museum könnte man nicht erfinden. Aber das ist ein Traum.“
Ruhrmuseum in alter Kohlenwäsche
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Nun, Borsdorfs Traum ist längst in Erfüllung geraten: Zollverein, seit 2001 Welterbe, beherbergt in der alten Kohlenwäsche das Ruhrmuseum und in der Umformerhalle das Besucherzentrum des Ruhrgebiets. „Heute bin ich erstaunt, wie viel von unseren Plänen verwirklicht worden ist.“ Der holprige Weg vom Pütt zum Welterbe habe „viele Steigungen, Kurven und abschüssige Strecken“ gehabt.
In das alte Kesselhaus, das nach den Plänen des Star-Architekten Norman Foster umgebaut wird, zieht 1997 das Design-Zentrum. So gigantisch wie die Kohlenförderung ist auch die Summe, die die öffentliche Hand in den letzten 30 Jahren nach Zollverein gepumpt hat: 400 Millionen Euro. Eine Zahl, die Kritiker für maßlos überzogen halten.
Zollverein Schacht XII mit seinem majestätischen Doppelbock ist aufgestiegen zum Wahrzeichen für das ganze Ruhrgebiet. Die ehemals verbotene Stadt ist Touristenmagnet – nach dem Kölner Dom sogar die Nummer zwei an Rhein und Ruhr. Touristen aus dem Ausland sind aus dem Häuschen, wenn sie im Werksschwimmbad der Kokerei oder auf der Eisbahn ihre Bahnen ziehen können.
„Alle, die mit Zollverein zu tun gehabt haben, können stolz sein auf das, was daraus geworden ist“, zieht Borsdorf Bilanz. Neue Impulse verspricht er sich von den Neubauten der Folkwang-Hochschule der Künste und der RAG-Zentrale. Wird Zollverein danach fertig sein? „Nein“, lacht Borsdorf, „Zollverein wird wie der Kölner Dom niemals fertig.“