Essen. Zwei-Sterne-Koch Berthold Bühler zählt zu den besten Köchen Deutschlands. Nach 32 Jahren Résidence macht er Ende Dezember Schluss.
- Spitzenkoch Berthold Bühler, als Bauernsohn am Bodensee aufgewachsen, schätzt die gute Hausmannskost
- 1984 machte er sich in Kettwig selbstständig, schon zwei Jahre später gab’s den ersten Michelin-Stern
- Mehr als ein Vierteljahrhundert strahlten zwei Sterne über der Résidence, Ende des Monats geht er in den Ruhestand
Aufhören, wenn’s am schönsten ist: Mehr als ein Vierteljahrhundert schon strahlen die beiden Michelin-Sterne über der Résidence in Kettwig. Diese ungewöhnliche lange Zeit im Olymp des erlesenen Geschmacks neigt sich – zum Leidwesen vieler Gourmets – bald dem Ende zu. Berthold Bühler, einer der besten und beständigsten Spitzenköche der Republik, geht Ende des Monats in den Ruhestand.
Nach bald fünfzig Jahren Herdkunst schaut der Patron zufrieden auf sein Lebenswerk zurück. Seine Koch-Philosophie hat er in einen einzigen Satz gegossen, der die Rückseite seiner Menükarte ziert: „Die Seele des Feinschmeckers“, heißt es da, „berührt nur der, der die Einfachheit der Natur als Kunst begriffen hat.“ Ein tiefsinniger Satz, genauso fein abgeschmeckt wie seine „Glasierte Taubenbrust mit Radicchiokompott“.
Aufgewachsen ist der Spitzenkoch auf einem Bauernhof
Zur Einfachheit der Natur und erst recht zu ihren Gaben hat der Bauernsohn vom Bodensee, der zweitjüngste von acht, von Kindesbeinen an ein inniges Verhältnis. Der Knabe wächst auf zwischen Schafen und Kühen, Enten und Hühnern.
„Mein Vater war als Bauer zugleich ein begnadeter Metzger.“ Der Junge sieht, wie sich Schweinekeulen in saftige Schinken verwandeln oder Leber- und Blutwürste im Kessel vor sich hinköcheln.
„Ich habe den Schweinemagen im Schnee gewaschen, eines der leckersten Stücke, davon träume ich heute noch.“ Die im Wurstkessel gekochte Leber, die er dünn geschnitten, gesalzen und gepfeffert kostet, nennt er auch heute noch eine „Offenbarung“.
Sein Schulfreund Mäxle rät ihm zur Kochlehre
Es ist kein Schlaraffenland, in dem der spätere Zwei-Sterne-Koch aufwächst, sondern die einfache Welt der guten Hausmannskost. Die Jahreszeiten mit ihrer festen Abfolge aus Hausschlachtungen, Gemüseernten und weckgläser-gefüllten Vorratskellern diktieren den regionalen, saisonalen Speiseplan.
Als er 15 ist, hat er keinerlei Schimmer, was mal aus ihm werden soll. Friseur? Wirt eines Landgasthauses am Rheinfall? Nun, Berthold Bühler folgt dem Beispiel seines Schulfreundes Mäxle und wird Koch. „Mäxle schwärmte so sehr von der Restaurant-Küche, dass er mir den entscheidenden Kick gab.“
Dosensuppe auf Gasflamme erhitzt
Doch Lehrjahre sind damals keine Herrenjahre, und von gehobener Kochkunst war in den sechziger Jahren, der Zeit der Fresswelle, nur selten die Rede. Bühlers absoluter Tiefpunkt: „Weil zu wenig Töpfe da waren, musste ich Dosensuppen auf der Gasflamme erhitzen.“
Die Schule des guten Geschmacks erlebt er zum ersten Mal in den Siebzigern im Münchener Hilton. „Mein Vorbild war Küchenchef Peter Wende, ein souveräner Typ, gut aussehend, sportlich, Nichtraucher, kein Alkohol.“ Hier verführt er Tina Turner mit Geschnetzeltem und Röstis, er kocht für die Rolling Stones und bringt die zum Islam konvertierte Boxlegende Muhammad Ali dazu, die Faust zu ballen.
Muhammad Ali ist sauer und gibt ihm ein Autogramm
„Weil ich seinen Wildreis mit Speck angemacht hatte.“ Zum K.O. kommt es übrigens nicht: Der Champion kritzelt dem aufstrebenden Jungkoch lieber ein Autogramm in die Haube. „Ali war der Gast meines Lebens“, lacht Bühler.
München swingt und Deutschland kommt so langsam auf den Geschmack. Wie das entzückte Kind vor den Weihnachtsgeschenken bestaunt er die „Revolution bei den Zutaten“: Plötzlich kommen Kenia-Böhnchen und Rotbarben auf die Teller, Foie Gras und Frisée-Salat, Walnussöl und Sherryessig.
Dass sich Deutschland sein teutonisches Sauerkraut-Image längst weggekocht hat, erfüllt ihn mit Genugtuung. Gemessen an den Sternen gilt das Land sogar als Nummer zwei in Europa. Ein kulinarischer Strukturwandel, den er an vorderster Front befeuert hat. Und für den ihn der Michelin kürzlich ehrte.
Lieber Fasan auf dem Teller als ein Hauch von Nichts
Zwei Sterne – das ist höchste Kochkunst. Trotzdem hält der geerdete Résidence-Patron nichts von aufgeblasenen Kreationen, die vor lauter Schäumchen, Cappuccinos und Texturen doch nichts anderes sind als ein Hauch von Nichts. „Die Gäste sind eben glücklicher, wenn sie den Fasan auf dem Teller gesehen haben“, findet Bühler.
Gastro-Kritiken, Restaurant- und Ausgeh-Tipps für EssenEinen leichten Stand habe er nicht gehabt, als er 1984 die Résidence eröffnete. „Doch insgesamt hatte ich eine schöne Zeit in Essen.“ Michelin-Inspektoren rühmen an seiner Küche, dass er „stets die klassische Basis beibehalten und ihr mit kreativen Elementen eine persönliche, moderne Note verliehen“ hat.
Wenn er über den Rüttenscheider Wochenmarkt oder durch Feinkostabteilungen schlendert, freut er sich über die Euphorie, mit der die Leute heutzutage einkaufen. Sein knuspriger, „total leckerer“ Tipp für Weihnachten: „Oldenburger Ente mit Orangensoße und Blumenkohl – da kann man nichts falsch machen.“
>> STERNE, EHRUNGEN, PROMINENTE GÄSTE
1986 wurde Berthold Bühler („Bürger des Ruhrgebiets 2014“) mit dem ersten Stern belohnt. Er kochte für die Queen, Vanessa Redgrave und Cliff Richards.
Seit Monaten brennt die Résidence ein kulinarisches Feuerwerk ab, zum Finale gibt es „Das Beste vom Besten“.