Kettwig. .

Nach 32 Jahren schließt Sterne-Koch Berthold Bühler (64) seine Résidence und beendet damit eine Ära. Wir sprachen mit dem Spitzen-Gastronom über Erfolgsrezepte, emotionale Momente und die Spannung vor dem Stern.

Herr Bühler, mit dem Verkauf der Résidence geht für Sie ein entscheidender Lebensabschnitt zu Ende. Ist das schon emotional angekommen?

Bühler: Ja, ich kann ja auf ein halbwegs gutes Lebenswerk zurückschauen. Die Michelin-Sterne konnte ich 31 bzw. 27 Jahre lang halten. Das haben in Deutschland vielleicht fünf Köche geschafft. Und ich habe das Gefühl, dass ich etwas für die Stadt und meine Mitarbeiter getan habe. Zu meiner großen Freude kann ich in den letzten Wochen noch eine Sammlung von Aufnahmen aus der berühmten ,Last Sitting’-Session von Marylin Monroe und dem Fotografen Bert Stern präsentieren. Die Kunstsammlung Olbricht hat mir freundlicherweise sehr schöne Werke zur Verfügung gestellt. Es ist doch prima, wenn es ein schönes Ende findet.

Hätten Sie anfangs mit so einem Erfolg gerechnet?

Bühler: Überhaupt nicht. Als mich ein Freund auf die spätere Résidence in Kettwig aufmerksam gemacht hat, hatte ich bis dahin ja nur in großen Häusern gearbeitet. 1982 habe ich hier angefangen und wusste nur, dass ich etwas Eigenes machen möchte. An die Sterne habe ich da noch nicht gedacht. Tolle Unterstützung habe ich von den Vorbesitzern bekommen. Dann haben sich die Ereignisse überschlagen.

Was war der Durchbruch?

Bühler: Ganz klar die Verleihung der Michelin-Sterne 1985 und 1989. Mit dem ersten war die finanzielle Sicherheit da. Es kamen andere Gäste, dann kann man investieren. Ich habe ja zu einem sehr glücklichen Zeitpunkt angefangen. Es gab vielleicht 100 Köche in Deutschland mit Michelin-Stern. Die Nouvelle Quisine war im Aufbruch.

Gab es ein Erfolgsrezept?

Bühler: Das muss in meiner Ausbildung liegen: Ich ticke zuverlässig wie ein Schweizer Uhrwerk. Ich bin konstant und ruhig, und das färbt auf das Team ab. Ohne gutes Team hat man in der Spitzengastronomie keinen Erfolg. Ich denke, ich wäre auch ein guter Fußballtrainer geworden. Und für diese Kontinuität, auch im Angebot, stand ich immer mit meinem Namen gerade. Das merken auch meine Gäste, denen ich sehr dankbar bin.

Sie haben Queen Elizabeth II., Vanessa Redgrave und ein EU-Gipfeltreffen bekocht. Gibt es Momente, an die Sie besonders gern zurückdenken?

Bühler: Ich habe 1976 im Frankfurter Interconti für Muhammad Ali gekocht. Leider Reis mit Speckwürfeln, ein ziemlicher Fauxpas bei einem Moslem. Doch Ali war überhaupt nicht pikiert oder sauer. Er hat mir mit einem Augenzwinkern seine Faust gezeigt und mir dann ein Autogramm auf die Kochmütze gegeben. Das war für mich menschlich sicher eine der am stärksten anrührenden Geschichten. Ein klasse Typ.

Waren Sie nie nervös?

Bühler: Klar. Wenn das Restaurant voll ist, spüre ich eine gesunde Anspannung. Und als das mit den Sternen anfing, die in jedem Herbst aufs Neue vergeben werden, wurde ich regelmäßig nervös. Da hängt eine Menge dran, auch finanziell. Ohne die Auszeichnungen haben Luxusrestaurants keine Chance.

Gab es schwierige Zeiten?

Bühler: Nicht wirklich. Essen ist eine gute Messestadt, und das Hotel hat uns zusätzlich Sicherheit gegeben. Nur nach dem Kulturhauptstadtjahr 2010, als es RWE, Karstadt oder ThyssenKrupp nicht so gut ging, konnte einem bange werden. Da gab es über Essen nicht viel Positives zu berichten. Gewurmt hat mich auch immer, wenn die Oberbürgermeister es nicht richtig einzuschätzen wussten, welches Pfund für die Stadt zwei Michelin-Sterne sein können. Der neue OB Thomas Kufen ist weitsichtiger, aber für die Résidence zehn Jahre zu spät. Essen muss gesellschaftlich wieder aufgewertet werden und braucht bessere PR. Am meisten juckt es mich, wenn das Wir-Gefühl nicht vorhanden ist.

Was macht ein Sterne-Koch im Ruhestand?

Bühler: Ich habe nur mein Hotel verkauft und nicht den Kochlöffel. Es gibt ein paar Orte, an denen ich mir vorstellen könnte, weiter zu wirken. Einer davon ist das Weltkulturerbe Zollverein. Mir würde viel daran liegen, den Namen der Stadt gastronomisch weiter hochzuhalten.