Essen. Zwischen irischen Wanderfamilien und deutsch-vietnamesischer Spurensuche: der Dokumentarfotografie-Förderpreis 10 im Sanaa-Gebäude auf Zollverein.

Die Dokumentarfotografie galt lange als die unbeugsame Zeugin einer objektiv wahrgenommen Wirklichkeit. Während das Vertrauen in die Wahrheit der Bilder geschwunden ist, hat die Dokumentarfotografie ihre Position verteidigt – als Konzept und als Haltung hinter der Kamera, als Statement gegen das wahllose Bilderrauschen sowieso. Dieses langfristige Interesse an Menschen, Dingen, Phänomenen fördert die Wüstenrot Stiftung mit dem Dokumentarfotografie Förderpreis. Vier ausgewählte Positionen sind jetzt in Kooperation mit dem Folkwang Museum und der Folkwang Universität der Künste im Sanaa-Gebäude auf Zollverein zu sehen.

Die mit 10.000 Euro dotierte Auszeichnung ermöglicht nicht nur die langfristige Auseinandersetzung mit einem Thema, sondern beinhaltet auch Katalog und bundesweite Ausstellungstour. Start ist diesmal Essen und im großen, lichten Sanaa-Saal wirken die vier Positionen schon fast ein wenig verloren. Platz für Begegnungen, Gespräche und Entdeckungen.

Die Ausstellung

Die Ausstellung Dokumentarfotografie Förderpreise 10 ist bis 3. Januar im Sanaa-Gebäude auf dem Zollverein-Gelände, Gelsenkirchener Str. 209, zu sehen.

Öffnungszeiten: Do/Fr 13-18 Uhr, Sa/So 11-18 Uhr. Führungen werden am 29. November, 12. u. 19. Dezember sowie am 3. Januar angeboten.

Da sind die irischen Wanderfamilien, die Birte Kaufmann mit der Kamera begleitet hat. „Travellers“ heißt ihr bereits 2011 begonnenes Langzeitprojekt. Es erzählt vom ärmlichen Leben dieser EU-Nomaden, atmosphärische Sozialfotografie, die als große Reportage ebenso imponiert wie als Einzelporträt. Eindrücke aus Italien hat Sara-Lena Maierhofer in ihrer Arbeit „The Great“ verarbeitet. „The Great“, das ist Silvio Berlusconi. Staubsaugervertreter a.D., Machtmensch, Medienmanipulator, meistfotografierter Mann Italiens, den Maierhofer frei assoziierend inszeniert, inklusive versteinertem Fund-Hund aus Pompeji.

„Die neue Ungleichheit"

Seine Sicht auf „neoliberale Architektur“ zeigt Arne Schmitt in „Die neue Ungleichheit“. Der Stadtspaziergang durch Köln mündet in der Form des klassischen Bildbandes, wie er in den 1950ern und 1960ern typisch war.

Ein Brecht-Zitat stellt der in Laos geborene und heute in Iserlohn lebende Folkwang-Absolvent Kalouna Toulakoun voran. „In der Erwartung großer Stürme“ ist exemplarische Migranten-Geschichte und sehr persönliche Spurensuche zwischen Deutschland, Vietnam und den USA, die Großvaters Garten in Vientiane/Laos ebenso zeigt wie die Couch von Tante Chandara Bouthavong.