Essen. . Wie der Boykott gegen BV Altenessen II die Liga beschäftigt, was Fußballkreis-Funktionäre und BVA-Vertreter sagen. Schläger akzeptiert Sperre nicht.

Die zweite Mannschaft des Ballspielvereins Altenessen (BVA) wird in dieser Saison wohl kein Pflichtspiel mehr absolvieren – aber Meister der Kreisliga B 1 werden und nichtsdestotrotz der große Verlierer der Saison sein. Denn diese traurige Spielzeit, in der den Fußballkreis „Essen Nord-West“ brutale Gewalttaten auf dem Platz und drei lebenslange Spielersperren deutschlandweit in die Schlagzeilen brachten, gipfelt nun in einem einmaligen Boykott: 14 Kreisligisten wollen nicht mehr gegen BVA II antreten (wir berichteten). Ihren Offenen Brief („Für Essener Fußball ohne Gewalt“) haben sie sogar dem DFB geschickt. Darin erklären sie ihren Boykott mit dem „unfairen, sogar brutalen Verhalten einzelner Spieler, Zuschauer sowie Offizieller“. Unter Druck gerät vor allem der BVA-Vorstand: Mitten in einem Integrationskraftakt kämpft er gegen Unruhestifter und Gewalttäter in den eigenen Reihen – und gegen Stigmatisierung durch die Liga.

„Alle haben Angst, ein Tor gegen BVA II zu erzielen“

Durch die Gewalttaten wurde das Image das Ballspielvereins Altenessen angekratzt. Der Verein kritisiert den Boykott, aber auch eigene Spieler.
Durch die Gewalttaten wurde das Image das Ballspielvereins Altenessen angekratzt. Der Verein kritisiert den Boykott, aber auch eigene Spieler. © Kerstin Kokoska

Bei seinem bislang letzten Spiel lag das unbesiegte BVA-Team am 22. Februar 0:2 gegen Juspo West zurück. Sein Kapitän streckte den Schiedsrichter nach Zeugenaussagen nieder, soll weiter auf ihn eingeschlagen haben. Der BVA-Vorsitzende Bodo Hanneberg entschuldigte sich öffentlich für das Verhalten „mehrerer Spieler: Das hat nichts auf dem Sportplatz zu suchen, und die Verantwortlichen haben nichts im Verein BV Altenessen zu suchen“. Ein zweiter Spieler soll einen Gegner bespuckt und geschlagen haben, die Polizei eilte zur Anlage am Kaiser-Wilhelm-Park – wie schon im September, als die Partie BVA I gegen Fatihspor wegen einer Schlägerei abgebrochen wurde.

Am selben Tag hatte damals BVA II gegen Türkiyemspor den einzigen Punkt abgegeben (siehe Tabelle). Deren Trainer Selcuk Günes erinnert sich: „Wir wurden bedroht und konnten nur unter Polizeischutz 2:2 spielen.“ Er berichtet vom Treffen der am Boykott Beteiligten im März: „Alle haben Angst, ein Tor gegen BVA II zu erzielen – selbst wenn sie klar zurückliegen. Immer gab es Stress.“

Diesen Sonntag, 29. März, wird Türkiyemspor nicht gegen Altenessen antreten. Das Ergebnis: drei Punkte für BVA II und womöglich etwa 100 Euro Strafe für Türkiyemspor. So steht’s in der Satzung.

Die Tabelle der Essener Kreisliga B 1 vor dem Boykott. Drei Spiele des BVA II konnten nicht durchgeführt werden, weil der Fußballkreis keine Schiedsrichter schickte. Das am 22. Februar abgebrochene Spiel gegen Juspo Essen-West wird 0:2 gegen BVA II gewertet. Das war der Spielstand beim Abbruch. Screenshot: fussball.de
Die Tabelle der Essener Kreisliga B 1 vor dem Boykott. Drei Spiele des BVA II konnten nicht durchgeführt werden, weil der Fußballkreis keine Schiedsrichter schickte. Das am 22. Februar abgebrochene Spiel gegen Juspo Essen-West wird 0:2 gegen BVA II gewertet. Das war der Spielstand beim Abbruch. Screenshot: fussball.de

Die gesamte Konkurrenz nimmt diese Aufstiegshilfe konsterniert in Kauf. Ihr reicht es nicht, dass die Spruchkammer des Fußballkreises den BVA-Kapitän lebenslang gesperrt hat, dass sie zu jedem BVA-II-Kick drei Schiedsrichter und einen Funktionär als Aufpasser schicken wollte.„Das sind ja keine Sicherheitsleute“, sagt Selcuk Günes. In diesem Sinne argumentierte gar der Kreisvorsitzende, als er jüngst keine Schiedsrichter mehr zum BVA schickte: „Wir können für ihre Sicherheit nicht garantieren“, erklärte Thorsten Flügel. Den Boykott kommentiert er nun so: „Hut ab! Eine mutige Entscheidung.“ Er hätte sich von der Spruchkammer zumindest einen Punktabzug für die Zweite des BVA gewünscht und sieht nun neben der Stadt Essen (siehe Artikelseite 2) den Ballspielverein in der Pflicht.

BVA-Chef: Wiederholungstäter „fallen uns in den Rücken“

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BVA-Chef Hanneberg will „kein Öl ins Feuer gießen“ und sich zum „laufenden Verfahren nicht äußern“. Denn der Ex-Kapitän seiner Weltauswahl mit Spielern aus neun Nationen geht mit einem Anwalt gegen das Urteil „Lebenslänglich“ vor. Hanneberg sagt nur: „Wir wollen Menschen mit unterschiedlichem kulturellen Hintergrund in unsere Teams integrieren. Aber einige Spieler fallen uns wiederholt in den Rücken.“

Großen Einfluss hat auch der ehemalige Betreuer. Er hat das Team zusammengestellt. Die Spruchkammer verhängte gegen ihn ein Betretungsverbot, weil er einem Gegner bei einem ebenfalls abgebrochenen Spiel an den Hals gegangen sein soll. Vor dem Urteil trat der im BVA-Umfeld beliebte Mann aus dem Club aus. Präsent ist er weiterhin. Hanneberg gesteht: „Wir haben Probleme, das Platzverbot durchzusetzen.“ Auch beim eskalierten Kick am 22. Februar mischte der Ex-Betreuer mit. Eine Maßnahme: Mit Otto Prell soll ein neuer Trainer für Ordnung sorgen.

Auf der zweiten Seite des Artikels lesen Sie, was BVA-Coach Otto Prell, Bodo Hanneberg, Thorsten Flügel und Karl Schüller zum Boykott beziehungsweise den Gewalttaten bei BVA-Spielen und im Essener Amateurfußball sagen:

Neuer BVA-Trainer Otto Prell: „Es wäre schade, so aufzusteigen“ 
Otto Prell, neuer Trainer BVA II.
Otto Prell, neuer Trainer BVA II. © Michael Gohl

Seit zwei Wochen trainiert Otto Prell als ein erfahrener Trainer BVA II.

Neuer BVA-Trainer Prell: „Es wäre schade, so aufzusteigen“

Seit zwei Wochen trainiert Otto Prell als ein erfahrener Trainer BVA II. Sein Vorgänger Andreas Schröder war nach dem Vorfällen im Februar zurückgetreten. Prell: „Aktionen wie in der Vergangenheit gibt es bei mir nicht. Das war unter aller Kanone. Wir haben schon einiges geändert.“ Einige Spieler seien wegen des Boykotts enttäuscht: „Es wäre schade, wenn wir so aufsteigen. Wir wären jederzeit spielbereit.“

BVA-Vorsitzender Hanneberg: „Es trifft die Falschen“

Der BVA-Vorsitzende Bodo Hanneberg sieht durch den Boykott „die falschen Jungs bestraft. Bei denen war doch bis Februar nichts vorgefallen“. Die Spielabbrüche der Hinrunde hatten das Team BVA I und dessen Zuschauer verschuldet. Hanneberg meldete die Mannschaft ab. Er kündigt weitere disziplinarische Maßnahmen und Vereinsauschlüsse an, sagt aber auch: „Unser integrativer Ansatz ist alternativlos.“

Kreis-Vorsitzender Flügel wünscht sich „mehr Mut bei der Stadt“

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Von Thorsten Schabelon und Marcus Schymiczek

„Die Integration von Spielern mit Migrationshintergrund gelingt bei den meisten Vereinen“, warnt Thorsten Flügel, Vorsitzender des Fußballkreises, vor falschen Schlüssen aus der BVA-Krise. Er versteht nicht, dass das Rechtsamt empfiehlt, gegen Gewalttäter keine Betretungsverbote für alle Anlagen zu verhängen: „Da wünsche ich mir mehr Mut! Kreis, Vereine und Stadt müssen an einem Strang ziehen.“

Am Montagabend, 30. März, bitten Fußballkreis und Espo 70 Vereine wegen der Gewalttaten in der laufenden Spielzeit zum Krisengespräch.

Karl Schüller, Vorsitzender der Spruchkammer, zur Kritik am Urteil:

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Karl Schüller ist Vorsitzender der Spruchkammer im Fußballkreis 13. Dass die boykottierenden Vereine die Urteile des Sportgerichtes kritisieren, erklärt er auch mit der „Unkenntnis unserer Rechts- und Verfahrensordnung“: Auch wenn der Verein haftbar sei, könne „die Kammer nur über Vorfälle bei einzelnen Spielen urteilen“ und „nur den Verursacher, also einzelne Spieler, bestrafen. Mehr dürfen wir nicht.“