Essen. . Die Spar-Szenarien der Essener Evag haben die Politiker aufgeschreckt. Bei den Einsparungen müssten viele Busse und Bahnen im Depot bleiben.
Am Ende stehen Essens Bahn- und Busfahrer zwar nicht nackt da, aber sie müssten vor Schichtbeginn zu ihren eigenen Sachen im Kleiderschrank greifen. Dienstbekleidung? Ersatzlos gestrichen. Solche Anschaffungen könne sich die Evag dann nicht mehr leisten. Das ist nur einer der Punkte auf der Streichliste der Evag, die ab 2016 droht, wenn – wie vom Stadtkämmerer gefordert – die städtischen Töchter tatsächlich den Gürtel deutlich enger schnallen müssten.
Die Evag ließ nachrechnen, was es bedeutet, in den nächsten Jahren noch mal rund 20 Millionen Euro einzusparen - und präsentierte die Ergebnisse dem Aufsichtsrat. Der Tenor: Zahlreiche Bus- und Bahnfahrten müssten gestrichen werden. Die Verkehrspolitiker sind alarmiert. Die Grünen haben als erste Stellung bezogen: „Nicht mit uns. Das ist eine Horrorliste“, erklärt der verkehrspolitische Sprecher Rolf Fliß. Sollte das alles eintreten, „dann wüsste ich nicht, was mich in dieser Stadt noch halten sollte.“
Attraktivität erhöhen
Und die Große Koalition? Kann sie derart massive Einschnitte im ÖPNV abnicken? Eigentlich nicht, wenn man die gestern beschlossene Koalitionsvereinbarung von SPD und CDU liest. Darin steht schwarz auf weiß, dass beide Parteien sich dafür aussprechen, „die Attraktivität des ÖPNV in Essen zu erhöhen, um den Anteil der ÖPNV-Nutzer nachhaltig zu steigern.“
Hartmut Krause, Verkehrsexperte der CDU, bringt seine persönliche Meinung zu den drohenden Evag-Einsparungen auf einen kurzen Nenner: „Ich hoffe, dass es nicht so weit kommen wird. Mir liegt der Nahverkehr am Herzen, und ich kann mir solche Konsequenzen nicht vorstellen.“
Die Auswirkungen
Die hat die Evag dem Aufsichtsrat vor Augen geführt, falls tatsächlich Einsparungen in zweistelliger Millionenhöhe gestemmt werden sollten. Erst müsste der Bus-Takt von 15 auf 30 Minute verlängert werden, die letzte Fahrt im Nachtverkehr würde wegfallen und die Bahnen abends weniger fahren. In weiteren Schritten falle insgesamt ein Drittel aller Fahrten aus, die Straßenbahnen würden tagsüber nur noch alle 15 Minuten fahren, Ersatzbusse im Depot bleiben und manche Buslinien dort gestrichen, wo ein Umsteigen auf S- und U-Bahn möglich ist.
Zudem würden Personal für Sicherheit, Service und Sauberkeit zur Hälfte eingespart. Auf die Klimaanlage in Bus und Bahn könnte auch verzichtet werden – zu teuer.
Politik muss entscheiden
Wohlgemerkt: Die Evag kann nicht im Alleingang das Aus für ganze Linien oder eine Verdünnung des Angebotes umsetzen. Das muss letztlich die Politik beschließen. Wenn es tatsächlich so weit käme, „dann würde mich das betroffen und fassungslos machen“, sagt Rolf Fliß von den Grünen. „Ein Drittel der Essener Haushalte haben kein Auto. Menschen würden von der Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben in unserer Stadt ausgeschlossen.“ Viele müssten auf das Auto umsteigen. Die Evag verliere dann zigtausende Kunden. Fliß: „Dann können wir unsere Klimaschutzziele nicht mehr erreichen.“
Auch die Linke I lehnt die diskutierten Kürzungsszenarien ab. „Eine solche Verschlechterung wäre eine verkehrspolitische Rolle rückwärts sondergleichen“, so Fraktionsvorsitzende Gabriele Giesecke.