Essen. Für insgesamt 50 Millionen Euro werden die unterirdischen Evag-Stationen in Essen sicherer gemacht. In drei Monaten beginnt der Baustart für die Brandschutz-Nachrüstung des U-Bahnhofs “Rathaus Essen“. Außerdem wird bald eine zweite Straßenbahn mit einer neuen Sprinkleranlage ausgerüstet.

Im Notfall entscheiden nur wenige Momente über Leben und Tod. Bei einem Feuer im U-Bahnhof müssen alle Fahrgäste sich ins Freie retten können, bevor der Rauch sie umhüllt. Sie müssen schneller sein als der Qualm, um nicht zu ersticken. In der Stadt Essen ist das (derzeit) noch nicht an jeder Station sichergestellt.

Einer der am stärksten frequentierten U-Bahnhöfe, die Station „Rathaus Essen“, muss deshalb im Februar erneut nachgerüstet werden. Allein die Bauarbeiten dafür werden über ein Jahr dauern. 2015 fällt auch die Entscheidung, ob rund 145 Straßenbahnen und U-Bahnen mit einer Art Sprinkleranlage – einer sogenannten „Nebellöschanlage“ – ausgestattet werden.

"Wir haben Handlungsbedarf!"

Entscheidend für die Experten ist, dass bei einem Brand Fluchtwege so lange wie möglich von den tödlichen Schwaden frei gehalten werden. Die Evag stellte im letzten Jahrzehnt ihre U-Bahnhöfe auf den Prüfstand und beauftragte umfassende Brandschutzgutachten. Es folgten komplizierte Modell- und Simulationsrechnungen, zahlreiche Tests im Labor und nicht nur das: Auf einem Versuchsgelände ließ die EVAG gar eine ihrer Bahnen in Flammen aufgehen.

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Die Sachverständigen kamen schließlich zum Urteil, dass die 23 und bis zu 43 Jahre alten unterirdischen Bahnhöfe in der Stadt Essen zwar den damals geltenden Brandschutzvorschriften entsprachen. Aber bei den meisten Stationen war trotzdem nicht gewährleistet, dass wirklich alle Fahrgäste sich rechtzeitig in Sicherheit bringen können. Für den für den Ingenieurbau zuständigen Via-Abteilungsleiter Bertram Gröpper war klar: „Wir haben Handlungsbedarf!“

Es gibt eine Art Masterplan

Die Konsequenz ist eine der teuersten Brandschutzsanierungen in der Stadt Essen. Fast zehn Millionen Euro wurden bisher dafür ausgegeben. Insgesamt 50 Millionen Euro werden es bis zum Ende des Ausbauprogramms sein, das möglichst in den nächsten fünf, sechs Jahren abgeschlossen sein soll, berichtet Gröpper. Er setzt beim Thema Brandschutz die Latte höher als vorgeschrieben und orientiert sich bereits an der Brandschutz-Novelle, die der Gesetzgeber demnächst beschließen will.

Die größten Gefahrenstellen im unterirdischen Verkehrsnetz der Ruhr-Metropole wurden schon vor Jahren beseitigt. Die Evag ließ in ihren Bahnhöfen die entflammbaren Dämmplatten entfernen und zahlreiche Brandschutztüren in unterirdischen Betriebs- und Technikräumen installieren. Auf einer Prioritätenliste bestimmten die Fachleute dann die Reihenfolge der zu sanierenden Stationen. Es ist eine Art Masterplan.

Die Station "Hauptbahnhof" wurde schon 2010 nachgerüstet 

Ganz oben auf die Liste wurden die am meisten frequentierten U-Bahnhöfe gesetzt:

  • U-Bahnhof „Hauptbahnhof“ mit täglich rund 99.000 Ein-, Aus- und Umsteigern
  • „Rathaus Essen“ (täglich fast 40.000 Kunden)
  • „Berliner Platz“ (rund 39.000).
  • Die größte Station „Hauptbahnhof“ wurde bereits 2010 für 1,8 Millionen Euro nachgerüstet (ein Jahr zuvor „Hirschlandplatz“ für 800.000 Euro). Für den Halt „Berliner Platz“ werden gerade die Pläne erstellt (Beginn 2016). 2017/2018 folgt „Philharmonie“.

Alle Arbeiten geschehen vorwiegend in der Nacht

Aktuell ist der U-Bahnhof unter dem Rathaus dran, der bei dieser Gelegenheit auch eine dringend nötige „Schönheitskur“ verpasst bekommt, freundlicher und heller gestaltet wird. In drei Monaten geht es los. 2,5 Millionen Euro werden dort investiert, allein die Hälfte davon für den Brandschutz. Die derzeitige Entlüftungssituation stellt die Evag nicht zufrieden, deshalb werden über die Rolltreppen vier gläserne Türme gestülpt, um den Rauch abzuhalten. Und an Durchgängen sorgen u.a. absenkbare Vorhänge für mehr Schutz. Über eine neue Sprechanlage kann künftig die Feuerwehr-Leitstelle den Fahrgästen direkte Anweisungen geben. Das ist allemal besser als eine automatische Band-Ansage. Denn jede Situation ist anders und erfordert spezielle Hinweise für die Betroffenen.

Ein regelrechter Kraftakt ist die Entfernung der PVC-Kabel, die bei einem Feuer hochgiftiges Dioxin und Blausäure freisetzen können. Gröpper: „Wir müssen 20 Kilometer Leitungen austauschen.“

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Das alles passiert vorwiegend in der Nacht. Auch bei laufendem Betrieb muss gearbeitet werden. „Wir wollen die Belästigungen für die Fahrgäste möglichst gering halten“, sagt Hermann Dumke, leitender Via-Immobilienmanager. Stauben und lärmen wird es trotzdem.

Der Betrieb selbst darf nicht eingeschränkt werden

Eine Alternative wäre eine Komplettschließung. Düsseldorf ließ dafür mehr als ein halbes Jahr lang einen U-Bahnhof sperren. Doch die Evag will keinen Geisterbahnhof, indem die Züge nicht stoppen dürfen.

Das sei den Kunden nicht zuzumuten. Hier werde jeder Bahnhof gebraucht. Der Haken: Die Bauarbeiten dauern länger, weil nur abschnittsweise vorgegangen werden kann. Im Bahnhof „Rathaus Essen“ wird hier und da mal ein Gleis oder ein Bahnsteig gesperrt. Aber der Betrieb selbst darf nicht eingeschränkt werden. Auch deshalb kann dort die Sanierung erst 2016 abgeschlossen werden.

Eine Straßenbahn verfügt über Nebellöschanlage

Bis dahin weiß die Evag auch, ob ihre Straßen- und U-Bahnen mit einer speziellen Sprinkler-Anlage in der Fahrzeugkabine ausgestattet werden, die bei einem Feuer mit einem Nebelschleier Flammen und Qualm effektiv bekämpft. Eine Straßenbahn verfügt bereits über eine solche Nebellöschanlage und läuft im Testbetrieb. Ein zweiter Zug wird jetzt für das Pilotprojekt nachgerüstet.

Bei den neuen Niederflurbahnen NF2 sind solche Feuerlöschanlagen nicht nötig, weil Polster und Innenverkleidung praktisch nicht entflammbar sind. Vor allem: Beim Fahrer leuchtet vorne ein Lämpchen, wenn plötzlich die Bremse zu heiß wird, so dass er rechtzeitig stoppen kann. So eine Bahn steckt inzwischen voller Sensoren.