Duisburg-Rheinhausen. Kunst für alle: Zum 100. Jubiläum lädt der Duisburger Künstlerbund nach Rheinhausen. Und verrät, warum die Vereinigung mal ein Kegelclub war.

100 auf einen Streich: So eine Gelegenheit gibt es sonst nicht, dass man Werke von sämtlichen Mitgliedern des Duisburger Künstlerbunds bei einem einzigen Ausstellungsbesuch sehen kann. Zum hundertsten Geburtstag hat sich Duisburgs älteste Künstlervereinigung etwas Besonderes einfallen lassen. „Wirklich 100“ heißt das Geschenk, das der Künstlerbund zum Auftakt des Jubiläumsjahres all den Menschen macht, die neugierig auf die Vielfalt sind, mit der Kreativität das Leben einer Stadt bereichern kann. Unter dem Motto „Hundert Jahre – hundert Arbeiten“ ist jeder eingeladen, sich vom 21. Januar bis zum 16. März in der Galerie der Bezirksbibliothek Rheinhausen ein Bild davon zu machen, was in den Ateliers der Stadt von den aktuell 21 aktiven Mitgliedern der geschichtsträchtigen Vereinigung erschaffen wird.

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Das Schwierigste ist geschafft: Die Bilder hängen! Jeder, der schon mal in den eigenen vier Wänden mit den Liebsten über den Standort des neuen Sofas oder die Farbe der Küchenstühle diskutiert hat, weiß, dass so eine Gemeinschaftsgestaltung eine Herausforderung sein kann. Eugen Schilke lacht und nickt. Er gehört zu den jungen „Neuzugängen“ im alten Künstlerbund und hätte gerne auch mal die Petersburger Hängung ausprobiert, bei der die Werke dicht an dicht an den Wänden platziert werden. Aber so, wie es jetzt ist, ist es auch gut. Die sechs Künstler, die an diesem Mittwochmorgen zwei Tage vor der Eröffnung das Gesamtbild im Galerie-Raum der Bibliothek begutachten, sind jedenfalls zufrieden. Ihr Fazit: „Das hat doch gut geklappt.“

Die Ateliers der Stadt Duisburg sind begehrt. Hier ein Einblick in das Reich von Künstlerin Elisabeth Höller im Kultur- und Freizeitzentrum in Duisburg-Rheinhausen.
Die Ateliers der Stadt Duisburg sind begehrt. Hier ein Einblick in das Reich von Künstlerin Elisabeth Höller im Kultur- und Freizeitzentrum in Duisburg-Rheinhausen. © FUNKE Foto Services | Volker Herold

Nur, ob es wirklich 100 Werke sind – das ist die Frage. „Wir haben mehrfach durchgezählt und sind jedes Mal auf eine andere Zahl gekommen“, sagt Fee Brandenburg. Künstler und Zahlen? Das ist nicht immer eine Liebesbeziehung. Zum Glück hatte Alexander Voß, der den hübschen kleinen Katalog gestaltet hat, bei der Überwachung der Anzahl der Werke den Hut auf. „Das ist der einzige von uns, der bis hundert zählen kann“, scherzt Klaus Florian. Besucher dürfen sich gerne den Spaß machen und nachrechnen. Vielleicht kommen sie ja zu dem Ergebnis, dass einer der aussortierten Alternativ-Vorschläge für den Ausstellungstitel doch besser gepasst hätte. Tatsächlich gab es auch die Idee, das üppige Bilderspektakel „Circa 100“ zu nennen.

Ein bunter Gabentisch für die Geburtstagsgäste

So oder so: Einen bunten Gabentisch haben die Künstler für die Geburtstagsgäste bestückt. Fotografien, Skulpturen, Zeichnungen, Objekte und Grafiken sind zu sehen. Abstraktes, Realistisches, Skurriles, Besinnliches, Bewegendes, Farbenfrohes – irgendwie von allem etwas. Ein Potpourri der unterschiedlichsten künstlerischen Positionen dieser Gruppe von Individualisten, die eine Altersspanne von Mitte 30 bis Ende 70 umfasst. Dabei geht es in dieser ersten Ausstellung des Jubiläumsjahres nicht um die Historie des Künstlerbunds, sondern um die Handschrift, die heute, 100 Jahre nach der Gründung, für eine kreative Auseinandersetzung mit dem Leben steht.

Nach dem Krieg war der Hunger auf Kultur groß

Es ist aber noch einiges mehr geplant in diesem Jahr. Im Mai wird zum Beispiel das Museum St. Laurentius in Friemersheim eine Ausstellung über die Gründungsmitglieder eröffnen. Auch in der Cubus Kunsthalle und dem Lehmbruckmuseum wird der Geburtstag der Künstlergruppe gewürdigt, die sich damals in der schwierigen Zeit zwischen den Weltkriegen als „Notgemeinschaft“ zusammengetan hat, während der Nazizeit als Kegelclub getarnt weitermachte und Anfang der 50er Jahre Tausende von Besuchern in ihre Ausstellungen lockte, weil nach der Zeit der Entbehrungen auch der Hunger auf Kultur groß war.

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Was hält eine solche Gruppe von doch auch sehr eigenen Künstlerpersönlichkeiten über einen so langen Zeitraum zusammen? Es sind nicht mehr die gleichen Menschen wie vor 100 Jahren, natürlich! Aber die Idee, sich gegenseitig mit den Fäden eines Netzwerks zu verbinden und bei aller Individualität auch Gemeinsames auf die Beine zu stellen, hat das Jahrhundert trotz mancher Schwierigkeiten und Unstimmigkeiten überdauert. Warum?

Wenn Menschen mit so viel Abstand an der frischen Luft sitzen, dann kann das nur mit Corona zu tun haben. Das Bild entstand im März 2021 auf den Stufen zum Atelierhaus in Duisburg-Rheinhausen. Die Künstler Eugen Schilke, Sigrid Neuwinger, Britta Lauer, Elisabeth Höller, Angela Schmitz und Cornelia Schweinoch-Kröning haben damals auf ihre virtuellen Ausstellungen aufmerksam gemacht.
Wenn Menschen mit so viel Abstand an der frischen Luft sitzen, dann kann das nur mit Corona zu tun haben. Das Bild entstand im März 2021 auf den Stufen zum Atelierhaus in Duisburg-Rheinhausen. Die Künstler Eugen Schilke, Sigrid Neuwinger, Britta Lauer, Elisabeth Höller, Angela Schmitz und Cornelia Schweinoch-Kröning haben damals auf ihre virtuellen Ausstellungen aufmerksam gemacht. © FUNKE Foto Services | Oliver Mueller

Auch wenn im Jahr 2023 keine wirkliche Notgemeinschaft mehr benötigt wird, so bietet die Mitgliedschaft im Künstlerbund doch die Möglichkeit, einen Platz in einem der 40 städtischen Ateliers zu bekommen. „Zu wirklich guten Konditionen“, wie Elisabeth Höller sagt, die selber sehr froh darüber ist, im Rheinhauser Atelierhaus arbeiten zu können. Miete muss keine bezahlt werden, nur die Betriebs- und Nebenkosten. Die Stadt Duisburg, das sagen auch ihre Kollegen, tut in dieser Hinsicht viel. In den 80er Jahren sind die Atelierhäuser entstanden. Vor allem zwei Namen heben die Künstler aus dem Kreis der Initiatoren des kulturfreundlichen Projekts hervor: Kulturdezernent Konrad Schilling und Oberbürgermeister Josef Krings.

Aber es ist nicht nur das Dach über dem Kopf, das die Gemeinschaft auch heute noch attraktiv macht. „Vielleicht ist das bei uns ein bisschen so wie in einem Orchester“, überlegt der Bildhauer Roger Löcherbach. „Jeder beherrscht sein eigenes Instrument, aber wenn alle zusammenkommen, dann gibt es einen ganz besonderen Gesamtklang.“

>>> INFORMATIONEN ZUR AUSSTELLUNG 100 JAHRE KÜNSTLERBUND IN RHEINHAUSEN:

„Wirklich 100. Hundert Jahre – hundert Arbeiten“, Ausstellung des Duisburger Künstlerbunds. Die Eröffnung ist am Freitag, 20. Januar, um 18 Uhr. Zur Einführung spricht Roger Löcherbach, einer der Vorsitzenden des Duisburger Künstlerbunds, in der Städtischen Galerie Duisburg, Bezirksbibliothek Rheinhausen, Händelstraße 6.

Zu sehen ist die Ausstellung bis zum 16. März. Geöffnet: di bis do, 10.30-13, und 14-18.30 Uhr, sa, 10-13 Uhr. Der Eintritt ist frei. Auch der Katalog mit Abbildungen von allen Werken ist kostenlos – so lange der Vorrat reicht.

>>> DAS PLANT DER KÜNSTLERBUND ALLES IM JUBILÄUMSJAHR 2023:

  • Die Ausstellung „Wirklich 100“ ist der Auftakt zu einem ganzen Jahr mit Veranstaltungen zum Jubiläum. Noch nicht alles ist fertig geplant, aber folgende Aktionen stehen fest:
  • 22. April bis 7. Mai Hafenkult (Ausstellung zum Thema Sofortbild), 5. Mai bis 11. Juni Cubus Kunsthalle (Hauptausstellung), 7. Mai bis 1. Oktober Museum St. Laurentius (Gründungsmitglieder), voraussichtlich im Mai DU-ART Galerie (Nachlass DKB-Mitglieder).
  • 2. bis 25. Juni Galerie Künstler-und Atelierhaus Goldstraße (Zeichnung), 12. Juni bis 24. Juli SG 1 (Video), ab 15. Juni Lehmbruckmuseum (DKB Künstler aus dem Bestand des Museums), 13. August bis 25. September Salvatorkirche (Arbeitstitel Kunst + Kirche).