Duisburg-Homberg. Kein Auto, Urlaub gestrichen: Eine Rentnerin aus Duisburg findet klare Worte zu den steigenden Preisen. Was sie an der Politik kritisiert.
Ein Auto hat sie schon lange nicht mehr. Die Heizung ist bereits seit März ausgestellt und der Urlaub gänzlich gestrichen. Ein Rentnerleben im Jahr 2022 in Deutschland. „Die Zeiten, in denen man von der Politik als Rentner respektiert wurde, sind längst vorbei“, stellt Ernestine Hartmann bitter und wütend fest. Nach 28 Jahren kommunalpolitischer Tätigkeit verfolgt die 72-Jährige die politischen Entwicklungen genau und fühlt sich „von der Politik absolut abgezockt“.
[Duisburg-Newsletter gratis abonnieren + Seiten für Duisburg: Blaulicht-Artikel + MSV + Stadtteile: Nord I Süd I West + Themenseiten: Wohnen & Immobilien I Gastronomie I Zoo]
Wenn der Staat wirklich etwas für die Allgemeinheit tun wollte, würde er in diesen Zeiten die Mehrwertsteuer senken, sagt sie. Natürlich könne der Staat alle Bürgerinnen und Bürger entlasten. „Aber genau das will er ja nicht.“ Die finanziellen Probleme hätten schon angefangen, als die Pandemie ausbrach. Da waren bekanntermaßen die Regale leer gefegt, es gab über Wochen keine Nudeln, kein Mehl, kein Toilettenpapier. In der Folge beobachtete die 72-Jährige, dass die Preise so langsam, aber sicher in die Höhe kletterten.
Rentnerin aus Duisburg kritisiert Preisabsprachen
„Jetzt wird die gigantische Inflation auf den Krieg in der Ukraine geschoben. Aber das stimmt ja eben nur bedingt. Ich beobachte genau die Preise bei den Discountern. Und die klettern massiv bei fast allen gleichermaßen. Da gibt es doch Preisabsprachen. Wir werden einfach nur abgezockt“, ist die Alt-Hombergerin überzeugt.
Genau das Gleiche passiere jetzt an den Tankstellen. „Die Ölkonzerne greifen den Menschen hier tief in die Taschen und werden reich und reicher, genau wie der Staat. Denn der verdient ja schwer mit bei den extrem hohen Preisen. Durch die Besteuerung klingeln ja die Kassen.“ Die Ölmultis und der Staat kassierten auf Kosten der Bürger zurzeit bis „zum Gehtnichtmehr“, ärgert sie sich. Dass in diesen Zeiten die Regierung hingeht und auch noch behauptet, sie helfe den Bürgern, macht sie erst recht wütend. Da stelle sich Bundeskanzler Scholz hin und behaupte tatsächlich, dass man ja auch viel für die Rentner tue, die in diesem Jahr eine satte Rentenerhöhung erhalten. „Das ist der Gipfel der Frechheit. Viel Geld geht ja sofort für die Kranken- und Pflegekasse bei drauf.“ Und die Steigerung hänge ja nicht mit einer Wohltätigkeit der Politiker zusammen. Ganz im Gegenteil werde für die Rentner eben nichts getan.
Zuschuss für steigende Energiekosten: Rentner werden ausgeschlossen
„Da bekommen Arbeitnehmer einen Zuschuss von 300 Euro für die steigenden Energiekosten. Nur die Rentnerinnen und Rentner nicht. Mit welchem Recht schließt man sie aus?“ fragt Ernestine Hartmann. Veräppelt werde man von der Politik ständig. Sie erinnert an den Solidaritätszuschlag, der 1991 eingeführt wurde und auf ein Jahr befristet war. Dann wurden die Bürger jahrzehntelang abkassiert, auch da seien die Menschen betrogen worden. Genauso wie jetzt wieder.
[Straßenbahn- und Buslinien der DVG in fünf Minuten mit Schulnoten bewerten: zum DVG-Linien-Check]
Sie habe drei Kinder groß gezogen, 28 Jahre lang in der Bezirksvertretung Homberg, Ruhrort und Baerl ehrenamtlich gearbeitet, sei zehn Jahre Schöffin beim Amts- und Landgericht gewesen, ihr verstorbener Mann - ein Bezirksschornsteinfegermeister - war 52 Jahre in der Freiwilligen Feuerwehr tätig. „Unsere Eltern und wir haben die Bundesrepublik nach dem Krieg wieder aufgebaut und für Wohlstand gesorgt. Und was ist der Dank der Politik an die Rentner?“ Viele kämen mit ihrer Rente in Deutschland schon lange nicht mehr klar, würden in Rumänien oder Bulgarien leben. „Hier müssen viele Flaschen sammeln, um über die Runden zu kommen oder weit über das Rentenalter hinaus weiterarbeiten. Da läuft doch was falsch.“
Duisburger Rentnerin muss sich beim täglichen Einkauf einschränken
Ein 14-tägiger Urlaub in diesem Jahr, den sie sonst immer mit ihrem Sohn und dessen Familie machte, sei nicht mehr drin. Mit 60 Prozent der Rente ihres Mannes und den gewaltig steigenden Kosten komme sie kaum noch klar. Und es sei definitiv noch lange nicht das Ende der Fahnenstange, ist sie überzeugt. „Ich lebe alleine und hatte bisher einen monatlichen Abschlag für Gas von 128 Euro. Kurz vor Ostern kam die Ankündigung, dass ich in Zukunft monatlich 378 Euro bezahlen soll, das muss man sich mal vorstellen.“ Dagegen ging sie an und zahlt jetzt „nur“ 200 Euro Abschlag monatlich. Die Angst vor der nächsten Nachzahlung aber bleibt.
Auch interessant
Einschränken muss sie sich auch beim täglichen Einkauf. Fleisch sei fast 50 Prozent teurer geworden, das komme jetzt seltener auf den Tisch. Auch bei der seltenen Köstlichkeit Spargel zögen die Preise an. Ab und zu mal draußen ein Häppchen zu essen, spare sie sich mittlerweile ebenfalls. „Die Politiker meinen, Rentner seien alle bescheuert“, sagt die 72-Jährige. Das sei eben nicht der Fall. Nur die Rentner hätten keine Lobby, das sei der Grund für den Umgang mit ihnen.
>>> SO WIRD DIE RENTENANPASSUNG BERECHNET
- Die jährliche Rentenanpassung erfolgt nicht nach Großzügigkeit oder gutem Willen von Politikern. Wie die Deutsche Rentenversicherung auf ihrer Homepage mitteilt, erfolgt die Berechnung „auf Basis der Rentenanpassungsformel.“
- Weiter heißt es: Grundsätzlich folgt die Anpassung der Entwicklung der Bruttolöhne in Deutschland. Zusätzlich werden die Veränderungen des Beitragssatzes in der Rentenversicherung und die Entwicklung des zahlenmäßigen Verhältnisses von Beitragszahlern und Rentnern über den sogenannten Nachhaltigkeitsfaktor berücksichtigt. Rentenkürzungen sind durch die sogenannte „Rentengarantie“ gesetzlich ausgeschlossen.