Duisburg. Tag eins des 9-Euro-Tickets: Sind die Bahnen in Duisburg voller als sonst? Was sagen Fahrgäste? Unterwegs mit der 903 morgens in der Rushhour.
Rappelvoll sind die Bahnen zwischen 8 und 9 Uhr in Duisburg. Rentner, Mütter und Väter mit kleinen Kindern, Schüler und Studenten und manche Berufstätige rauschen über- und unterirdisch zum Ziel. Die 903, 901 und die Stadtbahn U 79 kommen fauchend im angenehmen Takt aus dem Tunnelsystem. Das war vor Einführung des 9-Euro-Tickets so und ist auch am 1. Juni, dem ersten Nutzungstag, nicht anders, als der Startschuss fürs dreimonatige Preiswert-Fahren in Deutschland fällt. Die Bahnen sind nicht voller als sonst, was auch kaum geht. Aber leerer sind sie auch nicht.
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In der morgendlichen Rushhour hält niemand ein 9-Euro-Ticket parat. Die meisten finden die Idee prima, aber es interessiert nicht an diesem Morgen. Alle sind ausgestattet mit Schüler- oder Studentenabos. Die älteren Fahrgäste ab 60 Jahren haben Bärentickets, andere fahren mit dem Ticket 1000. Aktiv geworden ist niemand der Abokunden. „Das wird ja irgendwie automatisch verrechnet“, ist die Standardantwort. „Genau so ist es“, bestätigt Thomas Kehler von der Duisburger Verkehrsgesellschaft (DVG).
Mit dem 9-Euro-Ticket von Duisburg zum Shoppen in andere Städte
Aber viele Verwandte und Freunde hätten sich für Juni so ein Ticket gesichert, erzählen viele. Um irgendwann mal preisgünstig in anderen Städten zu shoppen oder in einen Tagesausflug zu starten, ohne im Stau zu stehen und dann noch Parkgebühren zu bezahlen. Dies deckt sich mit den ersten Erkenntnissen des Duisburger Verkehrsunternehmens.
„Zum Start hat die DVG in den ersten Stunden, in denen die Fahrgäste das 9-Euro-Ticket nutzen können, keinen Anstieg der Fahrgastzahlen registriert. Wir gehen weiterhin davon aus, dass viele Fahrgäste das Ticket in der Freizeit und an den Wochenenden nutzen werden“, sagt Pierre Hilbig, Bereichsleiter Betriebsmanagement bei der DVG. „Aktuell rechnen wir nicht damit, dass die Busse und Bahnen zu Stoßzeiten viel voller werden. Wir werden die Situation und die Fahrgastzahlen natürlich genau beobachten und je nach Entwicklung beispielsweise Gelenkbusse statt Solobusse einsetzen.“
Das Entlastungspaket der Bundesregierung bietet den Bürgern für drei Monate an, mit jeweils 9 Euro pro Monat durch ganz Deutschland zu fahren. Im Nahverkehr. Für Fernverkehrszüge oder private Anbieter wie dem „FlixTrain“ gilt die Fahrkarte allerdings nicht. Dem Verkauf von 40.000 dieser Tickets innerhalb einer Woche steht die DVG weder euphorisch noch skeptisch gegenüber. „Wir begrüßen natürlich alle Entlastungsmaßnahmen, die vom Auto zum öffentlichen Nahverkehr führen. Aber wir müssen abwarten, wie nachhaltig das ist. Ob tatsächlich viele auf den ÖPNV umsteigen“, sagt Kehler.
Bärenticket-Besitzerin hält das Angebot für einen Nepp
Sabine Tas, Bärenticket-Besitzerin, die ständig von Duisburg nach Dinslaken mit der Bahn fährt, hält den „ganzen Zauber mit dem 9-Euro-Ticket“ für einen Nepp. Ohnehin würden ständig die Fahrkarten teurer. „Jetzt werden für kleines Geld Tickets auf den Markt geschmissen. Aber das, was die Verkehrsgesellschaften jetzt an Verlusten machen, schlagen sie doch nach den drei Monaten wieder drauf“, ist sie überzeugt. „Die sollen doch erst mal ihre Fahrpläne überarbeiten“, fordert sie.
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Tas arbeitet im Bäderbereich und muss beispielsweise im Juni an zwei Feiertagen und einem Sonntag arbeiten. Dienstantritt ist dann jeweils um 5 Uhr. Aber genau an solchen Tagen starte die Bahn erst um 7.02 Uhr in die gewünschte Richtung. „Das heißt für mich, dass ich dreimal 25 Euro für ein Taxi ausgeben muss, denn sonst komm’ ich nicht zur Arbeit. Ich hab’ ja keinen Wagen“, sagt die Duisburgerin.
Zurück fährt sie dann wieder mit der Bahn. Was sie auch enorm ärgert: „Ich zahle 95 Euro für ein Bärenticket, das für Nordrhein-Westfalen gilt. Nur in Köln nicht, da muss ich wieder Tickets kaufen. Liegt Köln nicht in NRW?“ Es gebe doch so viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland, die an Sonn- und Feiertagen deutlich vor 7 Uhr mit der Arbeit beginnen, wie Pflegekräfte oder Krankenhauspersonal zum Beispiel. „Warum denkt man an die nicht?“
„Ich hab’ das Studententicket und fertig“
Studentin Melanie steht an diesem 1. Juni früh am Bahnsteig und will schon wieder zurück zu ihrer Wohnung. „Ich studiere an der Uni Duisburg und habe gerade mit einer Kommilitonin gelernt. Jetzt fahre ich mit meinem Ticket 1000 wieder zurück.“ Gekümmert hat sie sich um das 9-Euro-Ticket nicht. „Das wird ja irgendwie verrechnet“, sagt sie gelassen. Ein anderer Student erklärt müde: „Ich hab’ mit allem nichts zu tun. Ich hab’ das Studententicket und fertig.“
Emma, die vor 25 Jahren aus Russland kam, ist auch passionierte Bahnfahrerin. „Ich hab’ direkt, als wir nach Deutschland kamen, meinen Führerschein gemacht. Aber gefahren bin ich kein einziges Mal“, lacht sie. Jetzt hat die Duisburgerin ein Bärenticket, mit dem sie immer schnell zu ihrer Schwester und ihrem Bruder nach Düsseldorf kommen kann. „Vom Bahnhof dann noch eine Haltestelle mit der Bahn – und ich bin da“, freut sie sich über die unkomplizierte Verbindung. Im Grunde hat sich an diesem 1. Juni morgens zwischen 8 und 9 Uhr zur Stoßzeit nichts geändert. Froh über das 9-Euro-Ticket, das auch die Abo-Preise senkt, sind trotzdem alle.
>> DVG: BISHER ÜBER 40.000 9-EURO-TICKETS VERKAUFT
- Von den über 40.000 verkauften 9-Euro-Tickets sind über 30.000 für den Monat Juni verkauft worden, teilt die DVG mit. Für die Monate Juli und August wurden bisher jeweils etwa 5000 verkauft.
- Über 25.000 Fahrgäste kauften das Ticket über die DVG-Ticketautomaten. Die restlichen 5000 Karten wurden demnach im DVG-Kundencenter gekauft.
- Seit dem Wochenende können die Fahrgäste laut DVG das Ticket auch online in der „Handy Ticket Deutschland“-App kaufen. Bisher haben sich rund 200 Fahrgäste für den Online-Kauf entschieden, teilt die Verkehrsgesellschaft mit.