Duisburg-Rheinhausen. Der Austritt Großbritanniens aus der EU hat fatale Folgen für den Handel. Die Huettemann Group aus Rheinhausen spricht von einem enormen Aufwand.

Der Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union ist in vielen Bereichen deutlich spürbar. Spritpreise explodieren, Lkw-Fahrer sind auf der Insel Mangelware. Und auch die Speditionen erfahren aktuell, welche Auswirkungen der Brexit mich sich bringt. „Mittlerweile ist der Aufwand, eine Sendung aus Deutschland nach England zu bringen, um ein Vielfaches gestiegen“, sagt Manfred Köhler, Geschäftsführer der Logistikfirma „Huettemann Group“ mit Sitz in Rheinhausen. „Das fängt damit an, dass plötzlich ein Zoll-Know-How bei unsere Kunden abgefragt wird.“

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Ein Thema, das besonders im Mittelstand in den vergangenen Jahrzehnten nicht präsent war. „Wir waren alle in der EU, bei Geschäften über die Grenze hinaus hat kein Mensch etwas mit einem Zollantrag zu tun gehabt.“ Zollnummern, Einfuhrerklärungen, Ursprungsbescheinigungen, Proformarechnungen – „das sind alles Dinge, das wissen die meisten Leute gar nicht mehr“, sagt Köhler.

Brexit trifft Duisburger Firma: „Es verzögert sich alles“

Mittlerweile, so ist er überzeugt, sitzen in vielen Betrieben Sachbearbeiter aus einer Generation, die es schlichtweg nicht kennen, dass innerhalb der EU etwas verzollt werden muss. „Wer weltweit agiert und exportiert, verfügt natürlich über die nötige Expertise. Die haben ihre Fachabteilung, für die ist das nicht das Riesenthema.“ Aber: Die Firma Huettemann ist unter anderem mittelstandsgeprägt, kleinere Betriebe, ohne weltweite Aktivität, gehören zum Kundenstamm. Diese Betriebe hätten dieses Fachwissen schlichtweg nicht.

Das hat Folgen: „Es verzögert sich alles. Jeder Vorgang, den wir einreichen, hat 25 Rückfragen bei unseren Kunden, die dort dann wieder nicht beantwortet werden können“, sagt Köhler. Und: Einige Betriebe hätten sich bereits vom Markt verabschiedet. Zu kompliziert sei das Verfahren, zu groß der enorme Aufwand.

Rheinhauser Unternehmen verzeichnet durch den Brexit 20 Prozent weniger Volumen

Die Huettemann Group verzeichnet seit dem Brexit rund 20 Prozent weniger Volumen. In guten Zeiten, erzählt Köhler, wurden rund zehn Fahrzeuge täglich auf die Insel geschickt. Diese Zeiten seien längst vorbei. Verzögerungen an der Grenze behindern das Geschäft. „Wir wollen unsere Fahrer ja nicht zwei Tage nutzlos dort rumstehen lassen“, sagt Köhler. „Deshalb fahren wir mittlerweile selber nicht mehr rüber.“ Unbegleiteter Transport sei das Stichwort, das Prinzip musste komplett umgestellt werden. Die Huettemann Group fährt ihre Fahrzeuge an die Fährstationen in den Niederlanden und Frankreich, dort werden die Auflieger abgestellt und per Fähre rübergeschifft. „Anschließend holen unsere Partner in Großbritannien sie ab.“

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Auch an scheinbar banalen Dingen sei spürbar, wie sehr der Brexit die Situation rund um den Export verschärft habe. Köhler: „Jetzt braucht man wieder einen Stempel im Reisepass. Früher ist man mit einem Personalausweis rübergekommen. Jetzt müssen sich einige Fahrer erstmal wieder Reisepässe besorgen – das hat nicht unbedingt jeder.“

Import nach Deutschland: Auch hier keine Entspannung in Sicht

Im nächsten halben Jahr sieht der Huettemann-Geschäftsführer keine Entspannung. Im Gegenteil: „Ich gehe davon aus, dass es noch dramatischer wird.“ Nicht nur beim Export, sondern auch beim Import habe der Brexit für Wirbel gesorgt. Mittlerweile gebe es in der Branche Kollegen, die zwar noch selber rüber fahren – anschließend aber bewusst ohne Ware den Rückweg antreten. Denn mit Warengütern hieße es auch hier: Warten, rund zwei Tage. „Es macht einfach keinen Sinn, Rückladungen anzunehmen. Es ist nicht wirtschaftlich.“

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Die Huettemann Group hat daher für Kunden aus Großbritannien vermehrt Lager in Deutschland eingerichtet, um die Waren anschließend in Deutschland und Europa zu verteilen. Aber: Es sei nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. „Das Lagergeschäft ist nicht ansatzweise ein Ausgleich.“ Die Preise mussten für die Kunden angezogen werden, teilweise bis zu 15 Prozent. „Das hört natürlich kein Kunde gerne. Daher kommt oft der Gedanke für das eine oder andere Unternehmen, aufzugeben.“

Unternehmen aus Rheinhausen: Vier zusätzliche Mitarbeiter für die Zollabwicklung

Die Übergangslösung, dass Waren nicht an der Grenze, sondern im Binnenland – teilweise für ein halbes Jahr rückwirkend – verzollt werden können, sei „schön gedacht, aber schlecht gemacht.“ Sie sollte Staus an der Grenze vermeiden. Aber: Offene Zollpapiere werden so bis zu einem halben Jahr später abgefragt. Wieder ein Punkt, der einen „enormen bürokratischen Aufwand“ mit sich bringe. Die Huettemann Group habe alleine dafür vier zusätzliche Mitarbeiter anstellen müssen – „nur um den Kunden und dem Zollamt hinterherzutelefonieren.“

>>> 900 Mitarbeiter an vielen Standorten gehören zum Unternehmen

Rund 900 Mitarbeiter gehören zur Huettemann Group, die ihren Hauptsitz an der Friedrich-Ebert-Straße in Duisburg Rheinhausen hat. Weitere Standorte hat das Unternehmen unter anderem in Hamburg, Nordhorn, Mannheim sowie in Rumänien und den Niederlanden.