Duisburg. Trotz Brexit will Krohne Messtechnik aus Duisburg am Geschäft mit Großbritannien festhalten. Mehr Bürokratie, höhere Kosten befürchtet.
Wenn es darum geht, Mengen von Flüssigkeit oder Gas in einer Leitung zu messen, ist die Duisburger Krohne-Gruppe eine erste Adresse. Nachdem sich der britische Premierminister Boris Johnson in letzter Minute mit der EU-Kommission auf ein Handelsabkommen geeinigt hat, kann Mitinhaber Michael Rademacher-Dubbick entspannter dem neuen Jahr entgegensehen. Denn die große Insel in der Nordsee spielt für das Familienunternehmen eine zentrale Rolle.
„Wir haben einen regen Warenverkehr zwischen dem Ruhrgebiet und Großbritannien“, berichtet Rademacher-Dubbick. In England produziert die Krohne-Gruppe sogenannte Massendurchflussmessgeräte. „Die Elektronik stammt aus Duisburg“, sagt der Vorsitzende des Firmenbeirats. Doch um die "Gehirne" auf der Insel in die Endgeräte einbauen zu können, müssen die Komponenten dorthin geschafft werden.
Brexit behindert den Warenaustausch
Als Großbritannien noch ordentliches Mitglied der EU war, verlief der Warenaustausch zwischen Duisburg und Wellingborough in den East Midlands noch komplikationslos und vor allem ohne die Erhebung von Zöllen. Doch mit dem drohenden Szenario eines harten Brexits ohne Handelsabkommen vor Augen hatte Rademacher-Dubbick die ärgsten Befürchtungen.
„Ich sehe mit Sorge, dass sich die britische Regierung mit der EU nach dem Brexit nicht auf ein Handelsabkommen einigen kann“, hatte der Unternehmer noch kurz vor Weihnachten im Gespräch mit unserer Redaktion berichtet. „Das wäre ein großes Ärgernis für Unternehmen wie Krohne, weil Zölle uns viel Arbeit bescheren und Geld kosten werden. Wir werden damit umgehen können, die ganze Bürokratie ist aber sehr ärgerlich.“
Am Nachmittag des 24. Dezember kam dann der Durchbruch. Ein Rest Unsicherheit wird dennoch bleiben. Denn das 2000-seitige Handelsabkommen ist erst einmal nicht mehr als ein Entwurf. Der Präsident der Industrie- und Handelskammern Nordrhein-Westfalen, Thomas Meyer, verweist auf ein verändertes Geschäft in und mit Großbritannien: Ab Januar würden wieder Personenkontrollen stattfinden, Zollerklärungen im Warenverkehr ebenso wie etwa Gesundheitschecks für landwirtschaftliche Produkte fällig. "Dies macht das UK-Geschäft schwieriger, aber nicht unmöglich", sagt er.
Zusätzliche Kosten selbst schlucken
Auch Rademacher-Dubbick gibt sich keinen Illusionen hin. „Die zusätzlichen Kosten werden wir nicht an unsere Kunden weitergeben können. Das müssen wir selbst schlucken“, sagt er. Die Fertigung in England aufzugeben, war für die Krohne-Gruppe aber nie Thema. „Aus Großbritannien wegzugehen, ist für uns keine Option. Der Markt ist für NRW-Wirtschaft sehr wichtig. Wir hoffen auf das Handelsabkommen.“ Nordrhein-Westfalen habe von allen Bundesländern mit rund 20 Milliarden Euro den größten Anteil am deutsch-britischen Außenhandel, betonte am Wochenende Landeswirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP).
Die Aussicht auf einen weiterhin blühenden Handel mit Großbritannien stehen nun wieder gut. Rademacher-Dubbick, der im Ehrenamt Vizepräsident der Duisburger IHK ist und dem Außenwirtschaftsausschuss des Deutschen Industrie- und Handelskammerstages angehört, bedrücken aber weitere globale Entwicklungen, die die Exportnation Deutschland hemmen. „Man kann nicht davon ausgehen, dass Biden den von Trump angezettelten Protektionismus vom einen auf den anderen Tag zurücknehmen wird“, sagt der Unternehmer im Hinblick auf die von US-Präsident Donald Trump verhängten Sanktionen, um den eigenen Markt zu schützen.
Hoffnung auf Berechenbarkeit von US-Präsident Biden
Am 20. Januar soll nun der gewählte Nachfolger Joe Biden sein Amt antreten. „Wir hoffen, dass die US-Politik berechenbarer wird und es keine Überraschungseffekte mehr gibt. Als Unternehmen brauchen wir Planungssicherheit. Die USA sind ein wichtiger Partner für die Wirtschaft in NRW“, meint Rademacher-Dubbick.
Mit 15 Produktionsstätten in elf Ländern bekommt der Messtechnik-Spezialist Krohne die internationalen Verwerfungen unmittelbar zu spüren – auch wenn das Herz des Familienunternehmens in Duisburg schlägt. Dort sind 800 Mitarbeiter in der Zentrale beschäftigt, 375 von ihnen sorgen in Forschung und Entwicklung für technische Innovationen. Weitere 50 Spezialisten sind auf dem Campus der Ruhr-Universität Bochum tätig.
„Krohne greift auf ein weltweites Netz zurück“, sagt Rademacher-Dubbick. „Eine Reihe von Komponenten wie Gehäuse aus Aluminium-Druckguss beziehen wir aus China. Wir liefern aber auch Messtechnik dort hin. Die Gehäuse aus China setzen wir weltweit und auch in USA ein. Dafür müssen wir nun 25 Prozent Einfuhrzölle bezahlen.“
Mit Argwohn hat der Unternehmer deshalb beobachtet, dass China im Herbst mit 14 Staaten das Asien-Pazifik-Handelsabkommen geschlossen hat. „Das repräsentiert 30 Prozent der Wirtschaftsleistung weltweit“, ärgert sich Rademacher-Dubbick. Darauf könne es aus seiner Sicht nur eine Antwort geben: „Europa muss ein Gegengewicht zu anderen großen Wirtschaftsräumen aufbauen. Als Einzelstaaten haben wir dagegen keine Chance.“ Das Gegenrezept des Duisburgers: „Wir müssen uns in Europa dringend mit den USA und asiatischen Staaten wie Japan, Südkorea oder Vietnam zusammentun.“
>>> Krohne Messtechnik mit 4000 Mitarbeitern
- Mit rund 4000 Mitarbeitern und einem Umsatz von 584 Millionen Euro im Jahr 2019 gehört die Krohne-Gruppe zu den führenden Anbietern von Messtechnik. Knapp zehn Prozent der weltweiten Belegschaft sind in Forschung und Entwicklung in Duisburg und Bochum tätig.
- Es war der Urgroßvater von Michael Rademacher-Dubbick, der das Familienunternehmen 1921 in Duisburg gründete. Mit Schwebekörpern wurde damals der Durchfluss gemessen. Die Werte waren nur vor Ort ablesbar.
- Inzwischen hat Krohne längst berührungslose Messprinzipien entwickelt. Die Messwerte werden elektronisch fernübertragen.