Duisburg. Eine Probebohrung für Geothermie hat in Duisburg begonnen. Was die Forscher sich davon erhoffen – und was sie bisher schon gefunden haben.

Es ist ein Stück Erdgeschichte, das der Geologische Dienst NRW im Hinterland der Bissingheimer Straße zutage fördert. Eines, das die Zukunft Duisburgs und des Ruhrgebiets schreiben könnte. Die Bohrkerne, die hier in den kommenden zwei Wochen aus der Tiefe geholt werden, sollen eine zentrale Frage von Klimaschutz und Energiesicherheit beantworten: Kann die einstige Kohleregion zum Land der Geothermie werden?

Geothermie: „Das Ruhrgebiet hat hier ein großes Potenzial“

Heißes Wasser fördern, die Wärme zum Heizen und zur Stromerzeugung nutzen, das abgekühlte Wasser zurück in die Erde führen, wo es wieder erwärmt wird: Während in Island 90 Prozent des Energiebedarfs für Heizung und Warmwasser aus den Tiefen der Erde stammen, lässt Deutschland das Thema Geothermie bislang weitestgehend kalt. Dabei hat „das Ruhrgebiet hier ein großes Potenzial“, sagt Martin Arndt. Auf den möglichen Beweis dafür träufelt der Mitarbeiter des Geologischen Dienstes NRW gerade einen Tropfen Salzsäure.

Der Kalkstein unter Duisburg-Rahm ist 350 Millionen Jahre alt – damals lag NRW am Äquator, und hier war ein Meer.
Der Kalkstein unter Duisburg-Rahm ist 350 Millionen Jahre alt – damals lag NRW am Äquator, und hier war ein Meer. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Ein schnelles Aufbrausen, ebenso schnell wieder vorbei: „Kalkstein, wie wir es erwartet haben“, sagt Arndt zufrieden. Für eine mögliche Nutzung von Geothermie eine gute Nachricht: Einen viel besseren Untergrund gibt es nicht; Kalkstein mit seinen vielen untereinander verbundenen Klüften und Hohlräumen ist optimal für Energieerzeugung aus heißem Wasser: Dort kann die Ressource stetig nachfließen.

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Und noch etwas zeigt der Bohrkern: Einschlüsse, die den Geologen ins Schwärmen kommen lassen. Was für den Laien aussieht wie weiße Flecken, sind sogenannte Crinoiden: versteinerte Überreste der Kalkskelette von Seelilien und Haarsternen, Verwandten von Seeigeln und Seesternen.

Geologe: „Vor 350 Millionen Jahren lag NRW am Äquator“

Geologe Martin Arndt arbeitet für den Geologischen Dienst NRW.
Geologe Martin Arndt arbeitet für den Geologischen Dienst NRW. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

„Vor 350 Millionen Jahren lag NRW am Äquator“, erklärt Geologe Martin Arndt. 350 Millionen Jahre: So weit in die Vergangenheit reichen die Gesteinsproben der Bohrung zurück. In ein anderes NRW mit anderem Klima – und einem Meer: „Wir befinden uns hier sozusagen an der Schwelle vom Riff in die Tiefsee.“ Riffkalkstein also; der war bisher „rechtsrheinisch nur bis Ratingen bekannt“.

Dem Gestein, das hunderte Millionen Jahre unter der Erde lag, wo heute Duisburg-Rahm ist, stehen diverse Untersuchungen im Labor bevor: Unter anderem auf Wärmeleitfähigkeit und Wasserdurchlässigkeit wird getestet. Für beides gilt in Sachen Geothermie: je mehr, desto besser.

Zehn bis zwölf Meter pro Tag bohrt die Maschine des Geologischen Dienstes NRW sich in die Tiefe. Nach zwei Wochen sollen 130 Meter Tiefe erreicht sein.
Zehn bis zwölf Meter pro Tag bohrt die Maschine des Geologischen Dienstes NRW sich in die Tiefe. Nach zwei Wochen sollen 130 Meter Tiefe erreicht sein. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Auch das Bohrloch wird untersucht: Messsonden sollen Hohlräume aufspüren. Anschließend wird Wasser herausgepumpt, acht Stunden lang, in verschiedenen Stufen. Ein Messgerät gibt Auskunft: Wie schnell fließt wie viel Wasser nach? „In jeder Pore haben wir Wasser, auch wenn es Gestein ist“, sagt Arndt. Wie schnell sich das Grundwasser auffüllt, entscheidet darüber, wie viel Wärme gewonnen worden kann.

Geothermie ist die einzige der erneuerbaren Energien, die „grundlastfähig“ ist, wie der Fachmann es ausdrückt: Die Sonne geht unter, der Wind hat Flauten – Grundwasser strömt immer nach, und – tief genug – immer warm: Pro Kilometer Tiefe gewinnt Wasser 30 Grad Wärme. „Die Erde ist unser hauseigener Wasserkocher, den wir anzapfen wollen“, sagt Arndt.

Geothermie-Probebohrung in Duisburg reicht 130 Meter tief

Davon ist die Probebohrung in Rahm ein ganzes Stück entfernt: „Wir sind hier bei 130 Meter, da haben wir zehn, zwölf Grad.“ Ab 60 Grad kann die Wärme ins Fernwärmenetz eingespeist werden, 100 bis 130 Grad braucht es für Stromerzeugung. Bevor die dafür nötigen zwei bis drei Kilometer gebohrt werden, sollte man sicher sein, dass unten schlummert, was man sich erhofft – eine Tiefenbohrung kostet mehrere Millionen Euro.

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„Es ist eine große Investition am Anfang, aber über die Zeit lohnt es sich“, ist Geologe Martin Arndt überzeugt. Bis 2045 will Deutschland CO2-neutral sein. Auf dem Weg dorthin könnte Geothermie doch noch zum heißen Thema werden. Zumal Kohlekraftwerke wie das in Walsum sich zu Geothermiekraftwerken umrüsten ließen: „Wir machen statt der Öfen Pumpen rein, die Fernwärmeleitungen können wir weiter nutzen.“

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Wie groß das Potenzial für Erdwärme vor Ort tatsächlich ist, wird die Probebohrung in Rahm zeigen. Ob es ausgeschöpft wird? „Das entscheidet die Politik.“

>> 18,7 MILLIONEN EURO FÜR DIE ERFORSCHUNG VON GEOTHERMIE

Die Probebohrung des Geologischen Dienstes NRW ist Teil des Projekts „Roll-out of Deep Geothermal Energy in North-West Europe“. Das Ziel: Die Nutzung der sogenannten hydrothermalen Geothermie soll innerhalb der nächsten Jahre in Nordwesteuropa auf breiter Ebene realisiert werden.

Das Projekt hat ein Budget von 18,7 Millionen Euro. Mit 11,26 Millionen Euro wird es von der EU gefördert. 20 Partner aus sechs Ländern unter Federführung des Geologischen Dienstes NRW sind beteiligt.

Der Geologische Dienst NRW ist die zentrale geowissenschaftliche Einrichtung des Landes im Zuständigkeitsbereich des Ministeriums für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie.