Essen. 662 Millionen Euro stellt der Bund für den Kohleausstieg im Revier bereit. Surfpark in Werne könnte als erstes Projekt eine Förderung erhalten.

Spätestens im Jahr 2038 soll bundesweit Schluss sein mit der Verstromung von Kohle. 662 Millionen Euro stellt der Bund bereit, um die Folgen der Abschaltung von 15 Kohlekraftwerken im Ruhrgebiet abzufedern und neue Arbeitsplätze zu schaffen. Geflossen ist aber bislang noch kein Euro. Die Stadt Duisburg fordert nun mehr Tempo – zumal ein Windsurfer-Park in Werne als erstes Projekt mit einer Förderung rechnen kann.

Seit Herbst 2019 schmieden die Kommunen Duisburg, Gelsenkirchen, Herne, Hamm und der Kreis Unna Pläne, wie in ihren Regionen durch Innovationen neue Beschäftigung geschaffen werden kann. Bereits im Sommer 2020 sollten die Projektideen des „5-Standorte-Programms“, von denen auch Nachbargemeinden profitieren sollen, auf dem Tisch liegen. Doch das Verfahren zieht sich in die Länge.

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Projektideen wurden wie ein Staatsgeheimnis gehütet, um Bundes- und Landesregierung als Hüterinnen des Verfahrens nicht zu verärgern. Bis im vergangenen Jahr die Stadt Werne vorpreschte und ihren Antrag öffentlich machte: Aus dem prall gefüllten Kohletopf erhoffen sich die Westfalen eine Finanzspritze für ihre „Surfworld“ mit jährlich 200.000 Besuchern. Auf einem ehemaligen Zechengelände soll die weltgrößte Wellen-Surfanlage entstehen.

Surfpark im westfälischen Werne beantragt Mittel

Die Bundesmittel sollen nach Willen der Betreiber und des Bürgermeisters in eine Machbarkeitsstudie und die wissenschaftliche Begleitung des geplanten Freizeit-Magneten fließen. Die Chancen dafür stehen nach Informationen unserer Redaktion gut. Und darin liegt zugleich das Problem. Es gibt Zweifel daran, ob es das richtige Signal ist, ausgerechnet einem Surfpark die ersten Mittel aus dem 662-Millionen-Euro-Batzen zuzuerkennen. Ursprünglich sollten mit dem Geld Innovationen wie die Produktion und Nutzung von Wasserstoff, aber auch Lösungen für die Gewerbeflächen-Knappheit im Ruhrgebiet gefördert werden.

Der Duisburger Oberbürgermeister Sören Link (SPD) fordert mehr Tempo beim 5-Standorte-Programm.
Der Duisburger Oberbürgermeister Sören Link (SPD) fordert mehr Tempo beim 5-Standorte-Programm. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

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Für mehr Tempo wirbt deshalb der Duisburger Oberbürgermeister Sören Link. „Bislang ist noch kein Euro aus dem Fördertopf ins Ruhrgebiet geflossen“, klagt der SPD-Politiker im Gespräch mit unserer Redaktion. Schon im April will er mit einem eigenen Projekt starten und im Duisburger Hafen gemeinsam mit einem Telekommunikationskonzern über zwei Jahre hinweg das größte private 5G-Netz Deutschlands aufbauen und es auch an das öffentliche Netz anschließen.

Duisburg plant 5G-Netz im Hafen

Mit Hilfe des superschnellen Mobilfunks, der Übertragungsgeschwindigkeiten ohne Zeitverzögerung ermöglicht, sollen im Hafen Krananlagen teilautomatisch gesteuert werden. Dadurch erhofft man sich in Duisburg, mehr Container und Güter bewegen zu können. Alle Logistikvorgänge sollen digitalisiert werden. Durch die Ansiedlung von Start-ups und Unternehmen erhofft sich die Stadt eine ansehnliche Zahl neuer Arbeitsplätze. Und: Der smarte Duisburger Hafen soll Testfeld für die nächste Mobilfunkgeneration 6G werden, an der die Universität Duisburg-Essen bereits forscht.

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Sören Link erwartet nun rasch Klarheit, ob sein Antrag auf Förderung durch das Kohleausstiegsprogramm genehmigt wird. „Duisburg ist beim 5-Standorte-Programm vorn bei der Antragstellung“, sagt der Oberbürgermeister. Er bedauere, dass so viel „wertvolle Zeit“ ins Land gegangen sei, „ohne zu Ergebnissen zu kommen.“

Über die Verteilung der vom Bund bereitgestellten 662 Kohle-Millionen entscheidet nämlich ein komplexes Konstrukt, das alle Anträge vorsortiert. Die Fäden für das 5-Standorte-Programm laufen im NRW-Wirtschaftsministerium zusammen. „Wir wollen neue Arbeitsplätze schaffen, bevor sie in den Kohlekraftwerken und bei den Zulieferern wegfallen“, hatte Staatssekretär Christoph Dammermann bereits im Sommer 2020 im Gespräch mit unserer Redaktion die Marschrichtung vorgegeben. Inzwischen sind aber das RWE-Kraftwerk Westfalen in Hamm und der Steag-Block 9 in Duisburg-Walsum bereits abgeschaltet. Im Oktober sollen die Steinkohlekraftwerke in Bergkamen (Steag) und Gelsenkirchen-Scholven (Uniper) vom Netz gehen.

Das Steag-Kohlekraftwerk in Duisburg-Walsum muss spätestens 2038 vom Netz. Was auf dem Areal gleich am Rhein entstehen soll, ist ungewiss.
Das Steag-Kohlekraftwerk in Duisburg-Walsum muss spätestens 2038 vom Netz. Was auf dem Areal gleich am Rhein entstehen soll, ist ungewiss. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

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Das NRW-Wirtschaftsministerium ist aber zuversichtlich, dass in Kürze Entscheidungen fallen. „Die Arbeit an konkreten Projekten für das 5-Standorte-Programm ist in vollem Gange und die ersten Projekte stehen kurz vor der Bewilligung“, sagt Sprecherin Rabea Ottenhues. Allerdings müsse der Strukturstärkungsrat, in dem alle betroffenen Städte und Kreise Ministerien, Staatskanzlei, Bezirksregierungen, Kammern, Sozialpartner, Hochschulen, Wissenschaft und die Agentur für Arbeit vertreten sind, zuvor eine Empfehlung abgeben. In dem Gremium sitzen fast 40 Menschen. „Die ersten Anträge für ausgewählte Vorhaben aus den Kommunen sind bereits beim Bund gestellt worden oder werden in Kürze eingereicht“, betont die Ministeriumssprecherin.

Viele Gremien beteiligt

Im Umfeld der Kommunen wird kritisiert, dass in das Verfahren eine große Zahl an Institutionen eingebunden ist. Mit der Koordination hat das Land die Business Metropole Ruhr GmbH beauftragt. Die die inhaltliche Würdigung der eingereichten Vorschläge ist auch der Projektträger Jülich als Organisation des Forschungszentrums Jülich eingebunden. Überdies wurde ein „Strategischer Beirat“ ins Leben gerufen. Ob Geld in den Surfpark Werne, in den Duisburger Hafen und die anderen noch unbekannten Vorhaben fließen wird, entscheidet am Ende die NRW-Landesregierung. Über Personal, Beratung und ähnliches befindet indes das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle im hessischen Eschborn.

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Angesichts dieser Komplexität erinnert Rasmus Beck, Geschäftsführer der Duisburg Business Innovation GmbH, an eine inhaltliche Zusage des Landes. „Im Mittelpunkt der Förderung stehen Innovationen und Beschäftigung und nicht der Abriss der Kraftwerke“, sagte der Wirtschaftsförderer unserer Redaktion. Deshalb habe Duisburg Förderanträge für ein 5G-Testfeld im Hafen und das Technologiequartier Wedau gestellt.

>>> Noch keine Pläne für Standort des Kraftwerks Walsum

Was auf der Fläche des noch recht jungen Kohlekraftwerks in Duisburg-Walsum nach dessen Stilllegung entstehen soll, ist indes offen. „Das Steinkohlekraftwerk Walsum hat noch eine relativ lange Restlaufzeit“, erklärt OB Link. „Der Standort direkt am Rhein ist eine der wenigen Flächen in Duisburg und im Ruhrgebiet, die als Industriegebiet gewidmet ist. Wir werden mit dem Eigentümer, der Steag, besprechen, was dort nach Ende der Kohleverstromung stattfinden kann.“