Duisburg. Im Interview spricht OB Sören Link auch über seine Rolle nach der Landtagswahl, die Entwicklung der Innenstadt und die Koalitionsverhandlungen.
In diesem Jahr ist Sören Link seit zehn Jahren Oberbürgermeister von Duisburg. Im Interview mit Ulla Saal und Diego Tenore spricht er über seine politischen Ziele für dieses Jahr, die Corona-Demos und die Entwicklung der Innenstadt.
Herr Link, welches sind für Sie die drei wichtigsten kommunalpolitischen Ziele in diesem Jahr?
Ein ganz entscheidendes Ziel ist es, dass wir den Haushalt, den wir gerade verabschiedet haben, möglichst schnell genehmigt bekommen und dann auch umsetzen können. Wir haben die Linie der letzten Jahre, keine neuen Schulden zu machen, beibehalten, wir nähern uns in großen Schritten dem Ende der Überschuldung. So kommen wir wieder in einen Bereich, in dem wir kommunalpolitischen Spielraum haben. Konkret bedeutet das unter anderem, dass wir in die Abschaffung der Gebühren im offenen Ganztag einsteigen, dass wir mehr Personal einstellen können, beispielsweise für die Sicherheit auf den Straßen und in den Bahnen, und dass wir die Grünpflege verbessern können.
Das zweite Ziel: Wir arbeiten seit Jahren an wichtigen Zukunftsprojekten. Wedau, die Duisburger Dünen – oder jetzt die Projekte mit Haniel in Ruhrort und mit dem Initiativkreis Ruhr in Hochfeld. Mein Ziel ist es, diese Projekte möglichst weiterzutreiben und umzusetzen. Sie stärken die Attraktivität unserer Stadt, das wird Duisburg richtig guttun. 2022 könnte da ein entscheidendes Jahr werden.
Der dritte Bereich wäre es, dafür zu sorgen, dass die Menschen in unserer Stadt weiterhin gut hier leben können. Stichwort Corona: Das ist für uns alle, von meinen Mitarbeitern bis zu den Bürgern in Duisburg, eine riesige Herausforderung. Wir müssen uns weiterhin aufeinander verlassen können. Das können wir nicht allein lösen, wir müssen das solidarische Duisburg beibehalten.
Meinen Sie wirklich, dass das auf Solidarität beruht? Ist es nicht eher die Angst vor einer Ansteckung?
Es gibt unterschiedliche Ursachen dafür, warum man sich vernünftig verhält. Mir ist es egal, ob dahinter Solidarität steckt, oder der Wunsch, seine Familie oder sich zu schützen. Solange wir ein Stück weit an die anderen denken, ist uns damit geholfen. Das machen wir in Duisburg vorbildlich, wenn ich an die verschiedenen Impfaktionen denke, oder daran, wie toll die Mitarbeiter seit fast zwei Jahren im Dauereinsatz sind. Mich erreichten besonders zum Jahreswechsel viele Karten und E-Mails von Menschen, die sagen: Toll, was die Stadt hier leistet, machen Sie das bitte weiter. Das sollten wir uns alle vornehmen, wir müssen da eine Chance sehen, vielleicht wieder ein Stück Normalität zu erlangen.
Warum positionieren Sie sich dann nicht zu den Impfgegnern, die auch in Duisburg montags auf die Straße gehen? Warum tauchen bei Gegendemonstrationen keine Vertreter der Stadt auf?
Man muss an diese Impfgegner-Debatten differenziert, aber auch relativierend herangehen. Das ist ein sehr kleiner Teil der Gesellschaft, der sich da Gehör verschafft. Teilweise hart an der Grenze des Erlaubten. Diese Gruppe darf man nicht überbewerten. Wenn da ein paar hundert Leute durch Duisburg rennen und etwas skandieren, dann ist das nichts, was uns sofort alarmieren muss. Ich glaube, wir machen sehr deutlich, dass Impfen, solidarisches Verhalten und das Beachten von Corona-Regeln etwas sind, was mir und uns wichtig ist und uns als Stadt am Ende auch hilft.
Sören Links Rolle bei den Koalitionsverhandlungen in Berlin
Sie waren im vergangenen Jahr an den Koalitionsverhandlungen in Berlin beteiligt. Was war dort ihre Aufgabe?
Es ging darum, dass ich als Bürgermeister einer Stadt im Strukturwandel – in den letzten Jahren sehr erfolgreich, aber immer noch mit vielen Baustellen -- die kommunale Perspektive einbringe. Das ist auch gut gelungen. Dafür, dass viele Landes- und Bundespolitiker dabei waren, aber nur wenige Kommunalpolitiker, kann sich der Teil, der die Kommunen betrifft, wirklich sehen lassen.
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Was ist dabei für Duisburg herausgesprungen?
Städte wie Duisburg profitieren von diesem Koalitionsvertrag. Dafür habe ich mich stark gemacht. Ein Beispiel: Wir kriegen seit vielen Jahren jede Menge Fördergelder vom Bund. Allerdings durften wir bislang kein Personal davon einstellen, um die Fördermittel auch zu verausgaben. Das wird demnächst förderfähig. Es gibt mehr Geld für den ÖPNV, für die Ladesäuleninfrastruktur, für Wasserstoffumrüstung. Es gibt demnächst Fördermittel im sozialen Bereich. So können beispielsweise Schulsozialarbeiter an Schulen mit einer bestimmen Schülerstruktur besser eingesetzt werden. Da bin ich wirklich stolz drauf, dass das gelungen ist. Das war keine Selbstverständlichkeit in dieser neuartigen Dreierkonstellation.
Sollte die SPD bei der Landtagswahl im Mai genauso erfolgreich abschneiden wie auf Bundesebene, sehen wir Sören Link dann bald in Düsseldorf?
Ich bin immer gerne in Düsseldorf, um für Duisburger Interessen zu streiten. Aber ich bin gerne OB von Duisburg und bleibe das auch über die Landtagswahl hinaus.
Mehr Personal für Duisburgs Bürgerservice-Einrichtungen
Im vergangenen Jahr haben Sie versprochen, dass die Probleme in den Bürgerservice-Einrichtungen durch mehr Personal entschärft werden sollen. Wie viele Kräfte sind bislang eingestellt worden?
Im Bürgerservice haben wir das Problem, dass alle publikumsrelevanten Bereiche über viele Jahre heruntergespart worden sind. Das hat man am Ende gemerkt. Das ist sowohl für die Mitarbeiter als auch für die Bürger unbefriedigend. Jetzt haben wir mehr Spielraum, den nutzen wir auch zu Gunsten der Bürger. In den letzten zwei Jahren haben wir angefangen umzusteuern und mehr Personal einzustellen, die Ausbildungszahlen sind auch gestiegen. Im letzten Jahr hatten wir 230.000 Kundenkontakte, Tendenz steigend. Bis März werden wir mehr als 20 neue Kräfte für den Bürgerservice einstellen und eine Vollbesetzung erreichen, das werden die Bürger merken.
Trotzdem klagen viele Bürger, dass es nicht möglich sei, zeitnah in den Ämtern einen Termin zu bekommen. Reicht mehr Personal für eine Verbesserung der Lage?
Nein. Personal ist aber die Grundvoraussetzung, das war jahrelang unsere Schwachstelle. Wir handeln zusätzlich in Sachen Digitalisierung. Es ist wichtig, dass wir unser digitales Angebot ausweiten. Das werden wir kurzfristig umsetzen. So sollen auch die Bürger entlastet werden. Das gilt auch für die Online-Terminvergabe. Und auch die räumlichen Voraussetzungen vor Ort müssen verbessert werden. Damit haben wir schon angefangen, etwa in Homberg und Hamborn. Das werden wir in allen Bürgerservicestationen umsetzen, damit die Aufenthaltsqualität gesteigert wird. Sowohl die Mitarbeiter als auch die Bürger sollen sich dort wohlfühlen.
Auch der Rathaus-Neubau an der Steinschen Gasse soll den Service für die Bürger verbessern. Ist der Bau wirklich erforderlich, oder springt die Stadt hier in die Bresche für die vergebliche Investorensuche für die Brache?
Ich würde auf keinen Fall etwas bauen, nur damit die Brache verschwindet. Es ist eher ein angenehmer Nebeneffekt. Wir brauchen den Neubau, weil wir in der Summe sehr teure Mietverhältnisse haben. Wir sind in fremdangemieteten Gebäuden untergebracht, die nicht immer den besten Zustand haben. Ich möchte, dass wir an einer zentralen Stelle in unmittelbarer Nähe zum Rathaus und zum Stadthaus viele Dienstleistungen anbieten können, die jetzt über das ganze Stadtgebiet verteilt sind. Dadurch wird der Service besser und der Arbeitsplatz für die Mitarbeiter attraktiver.
Duisburgs OB Sören Link: „Die Altstadt ist ein attraktives Umfeld“
Der Neubau soll auch für mehr Besucherfrequenz in der Altstadt sorgen. Wem soll die nutzen, wo doch gerade in der Altstadt die Einzelhandelsflächen reduziert werden sollen?
Ich nehme wahr, dass der Leerstand in der Altstadt zurückgeht. Da tut sich was. Trotzdem ist es richtig, dass wir die Einzelhandelsflächen in der Innenstadt reduzieren. Wo sie funktionieren, müssen sie stärker werden. Aber da, wo sie sich zurückziehen, brauchen wir Gastronomie, Kultur, Büros und Gewerbe. Da passt so ein Verwaltungsneubau durchaus hin. Die Altstadt selbst ist ein attraktives Umfeld, wenn man sie entsprechend belebt. Das können wir als Stadt aber nicht allein regeln. Da brauchen wir die Ladenbetreiber und Immobilienbesitzer für.
Im Zuge des Sofortprogramms zur Stärkung von Innenstädten hat Duisburg vom Land 195.000 Euro bekommen. Bisher sieht man davon nicht viel, der Schrumpfungsprozess in der Innenstadt ist enorm. Das ist nicht wirklich attraktiv…
Es gibt unterschiedliche Zonen in der Innenstadt, die jeweils für sich eine Berechtigung haben und durchaus funktionieren. Der Sonnenwall, die Wallstraße – die haben ein ganz anderes Konzept als die Königstraße. Die hat sich deutlich zusammengeschrumpft, darauf müssen wir uns einstellen. Mit mehr Außengastronomie, mehr Aufenthaltsqualität oder Märkten müssen wir dafür sorgen, dass die Leute einen Mehrwert für sich aus dem Besuch der Innenstadt ziehen. Den haben sie nicht, wenn sie online oder im Centro einkaufen. Für das Leerstandförderprogramm brauche ich aber zwingend die Vermieter. Wenn die nicht mitmachen, kann ich noch so engagiert sein als Stadt. Das ist kein Duisburger Phänomen, da wird sich die künftige Landesregierung Gedanken drüber machen müssen. Das Thema wird uns noch ein paar Jahre beschäftigen, wenn wir nicht wollen, dass die klassische Einzelhandelsstruktur in der Innenstadt komplett wegbricht.
Lange gab es die Innenstadtdialoge. Wegen der Pandemie ruhen die nun, auch online gibt es da kein Angebot.
Ich will nicht ausschließen, dass ich die klassischen Innenstadtdialoge, die mir wirklich viel bedeutet haben, nach Corona wieder aufnehme. Bei diesen Formaten per Video fehlt mir der persönliche Kontakt mit den Menschen, deswegen sind die ausgesetzt worden. Das heißt aber nicht, dass wir aufgehört haben, uns um die Innenstadt zu kümmern. Wir haben einen Gewerbeimmobilienmanager bei der DBI eingestellt. Wir sind bei den Aktivitäten, gerade in Zeiten von Corona, immer vorne mit dabei gewesen. Die Bändchen-Aktion, die Stadtgutscheine, wir haben dafür gesorgt, dass Außengastronomie ohne Sondernutzungsgebühr stattfinden kann. Auch an der Verlängerung dieser Maßnahme arbeiten wir aktuell. Das kann sich sehen lassen.
Duisburg und Wuhan feiern 40 Jahre Städtepartnerschaft
2022 wird die Städtepartnerschaft zwischen Wuhan und Duisburg 40 Jahre alt. Ein Grund zum Feiern?
Ich finde schon. Wir haben in diesem Jahr 50 Jahre diplomatische Beziehung zwischen Deutschland und China, 40 Jahre zwischen Duisburg und Wuhan. Wir sind die erste deutsche Stadt mit einer Partnerstadt in China gewesen. Wir haben sie seitdem kontinuierlich am Leben gehalten, mit sozialen und kulturellen Beziehungen, mit Schüleraustauschen, aber eben auch zunehmend mit wirtschaftlichen Beziehungen. Ich finde, das ist etwas, worauf wir in Duisburg stolz sein können.
In diesem Zusammenhang war 2017 eine Absichtserklärung beider Städte unterzeichnet worden, das marode Symbol dieser deutsch-chinesischen Freundschaft, den China-Garten im Zoo, bis 2022 gemeinsam zu sanieren. Geschehen ist dort aber nichts. Eine Folge von Corona, oder hat das andere Gründe?
Das ist maßgeblich eine Folge von Corona. Die Planungen, die damals bestanden haben, waren so nicht mehr realisierbar. Wir arbeiten daran, den chinesischen Garten zu renovie-ren, das wird auch in diesem Jahr abgeschlossen. Das ist auch für mich ein wichtiges Anlie-gen. Die Planungen, die ich bisher gesehen habe, machen mich ganz hoffnungsvoll.
Wuhan ist die Stadt, in der die Pandemie ihren Ursprung haben soll und die von der chinesischen Regierung abgeriegelt wurde – mit zum Teil menschenunwürdigen Maßnahmen. Das Verhalten Chinas bezüglich der Menschenrechte steht ohnehin in der Kritik. Arnheim hat deshalb seine Partnerschaft mit Wuhan beendet und will mit diesem Vorgehen andere Städte animieren, ebenso auf die Verletzung der Menschenrechte in China zu reagieren. Ist das eine Option für Duisburg?
Das muss letztlich der Rat entscheiden, für mich wäre das keine Option. Ich bin ein großer Freund der Theorie von Wandel durch Annäherung. Man muss miteinander reden, um etwas bewirken zu können. Ich gehöre nicht zu denen, die kritiklos irgendwelche Situationen wahrnehmen. Aber nur wenn man miteinander im Gespräch bleibt, hat man eine Chance, etwas zu verändern und voranzutreiben. Der direkte Draht von Stadt zu Stadt und Mensch zu Mensch ist gewinnbringend für beide Seiten. Das setze ich gerne fort.
Man hat nicht den Eindruck, dass die Stadt Duisburg oder Sie persönlich sich überhaupt zu der Menschenrechtslage äußern. Darf man das nicht ansprechen?
Ansprechen darf man zunächst alles. Aber ich äußere mich ja auch nicht zu Vorkommnissen in Amerika oder in Afrika. Das ist Teil der außenpolitischen Bewertung der Bundesrepublik Deutschland. Das müssen die dafür gewählten Vertreter im Bundestag und die Bundesregierung entscheiden. Ich habe Kontakt zu einer Städtepartnerschaft, die gut funktioniert, die freundschaftlich ist und wo man über vieles redet. Man darf auch nicht vergessen: Neben der Frage der Menschenrechte, die ich gar nicht relativieren möchte, bringt es auch wirtschaftliche Vorteile für beide Seiten, wenn man im Gespräch bleibt. Stichwort Seidenstraße und Investitionen. Das ist ein legitimes Anliegen, Investitionsmöglichkeiten und Arbeitsplätze zu befördern. Das darf man auch bei kritischen und kontroversen Situationen machen.
Sind Sie immer noch der Meinung, dass Duisburg China-Stadt werden sollte? Die Pandemie hat gezeigt, dass eine einseitige wirtschaftliche Abhängigkeit Probleme mit sich bringt..
Ich bin nach wie vor der Meinung, dass Duisburg prädestiniert dafür ist, die China-Stadt in Deutschland zu sein. Das bedeutet aber nicht, dass wir uns einseitig nur auf China fokussieren. Wir haben sehr gute menschliche, politische und wirtschaftliche Beziehung nach China, die chinesische Community in Duisburg wächst. Das sieht man zum Beispiel wunderbar in Neudorf. Auch das hat wirtschaftliche Vorteile. Das darf man durchaus als Teil einer Stadtentwicklung sehen und fördern. Ich würde mich freuen, wenn es uns zum Beispiel gelingt, Angebote für Chinesen an Schulen, etwa Chinesisch als Fremdsprache, auszubauen. Vielleicht sogar Teile einer chinesischen Schule hier in Duisburg zu etablieren, für chinesische Führungs- und Arbeitskräfte, die hier in chinesischen Firmen arbeiten. Das ist eine Chance für Duisburg und die Beziehung nach China.
Im Ausblick auf das Jahr 2022, beenden Sie bitte folgenden Satz: „Duisburg ist echt…“
Sympathisch, solidarisch, stark. Duisburg ist echt toll!