Duisburg-Bruckhausen. . Manfred H. ist der letzte Bewohner im Haus Heinrichstraße 10. Er will nicht gehen.
Die Bagger kommen immer näher. Die ehemaligen Bewohner der Nachbarhäuser sind fortgezogen. Manfred H. ist jetzt fast allein. Aber nicht ganz.
Vor dem Haus in der Heinrichstraße, in dem der gehbehinderte Rentner noch immer wohnt haben sich am Dienstagmittag etwa zwanzig Demonstranten mit einem Transparent zur Mahnwache versammelt, die auf das Schicksal von Manfred H. aufmerksam machen soll. „Stoppt die Abriss Orgie – Wir bleiben hier“, ist da zu lesen.
Sylvia Brennemann, Mitglied der Duisburger Bürgerinitiative Zinkhüttenplatz und Mitglied der Linkspartei erzählt: „Dem Herrn H. hat man im letzen Winter aus einem Auto heraus die Fensterscheiben eingeworfen. Ein anderes Mal hatte er, angeblich aus Versehen, ein Loch von einem Presslufthammer in der Küchenwand.“
"Er braucht was Seniorengerechtes"
Brennemann hält diese Ereignisse nicht für Zufälle oder Dumme-Jungen-Streiche. Sie glaubt, dass Manfred H. gezielt vergrämt werden soll. Ihm ist von der Entwicklungsgesellschaft Duisburg (EG Du) wie allen anderen Mietern auch eine Ersatzwohnung in Marxloh angeboten worden. „Unzumutbar“, sagt Sylvia Brennemann energisch, „da geht es fünf Stufen hoch, die schafft er nicht mehr. Er braucht was Seniorengerechtes und Barrierefreies.“
Solche Wohnungen sind aber in Duisburg Mangelware und nicht so leicht zu beschaffen. Einer der Backsteine, die die Fenster des Rentners zerstörten, landete direkt auf seinem Kopfkissen. „Wir wollen nur mal zeigen, wie hier mit den Leuten umgegangen wird“, sagt Brennemann.
Die Tiere müssten ins Tierheim
Katrin Gems von der Geschichtswerkstadt Duisburg Nord, die die Mahnwache organisiert hat, erzählt, wie sie im Winter bei Minusgraden rumtelefoniert hat, um neue Fenster für H. zu organisieren. „ Die haben sich bei der EG Du drei ganze Tage Zeit gelassen und dann kamen sie und haben ihm Plexiglasscheiben auf die Fensterrahmen geschraubt, “ berichtet sie empört. Die Behelfsscheiben sind natürlich nicht abgedichtet.
Seither zieht es bei dem Rentner wie Hechtsuppe. Auch das Fenster im Flur hinten raus hat ein Loch in der Scheibe. Der gelbe Vorhang davor flattert wie in einem Film von Alfred Hitchcock. „Das Fenster ist aber schon viel länger kaputt als die anderen“, sagt Manfred H. leise, der sich mit der Verwahrlosung des Hauses schon lange abgefunden zu haben scheint. Er beobachtet die Mahnwache aus seinem Fenster. Viele hätten in seiner Lage längst die Waffen gestreckt und wären in ein Altenheim gegangen, aber Manfred H. hat einen Hund und mehrere Katzen, die müssten dann ins Tierheim. Das will er nicht, also bleibt er, wo er ist.
"Wir sind noch lange nicht fertig"
„Flächenabrisse von günstigem und historisch gewachsenem Wohnraum prägen seit Jahren die Stadtentwicklung des Duisburger Nordens“, steht im Aufruf zu der Mahnwache. Gegen Ende der Wache rollen die Demonstranten ihr Transparent sorgfältig zusammen. Das war schon auf den Demos am Zinkhüttenplatz im Einsatz. „Das muss noch ganz lange halten“, sagt einer von ihnen, „wir sind noch lange nicht fertig.“
Auf der Heinrichstraße wird es still. Aber nicht ganz. Da sind ja noch Herr H. und sein Hund und die Bagger.