Duisburg. Ex-Städtebauminister Christoph Zöpel belebt mit einem Brandbrief die Diskussion um den geplanten Grüngürtel in Bruckhausen, für den ganze Häuserzeilen abgerissen werden sollen.
Amputation mit dem Abrissbagger oder notwendige, wenn auch nicht minimal-invasive chirurgische „Wundbehandlung“ für einen kranken Stadtteil? Der „Grüngürtel“ Bruckhausen mit der geplanten Niederlegung ganzer Straßenzüge an der Kaiser-Wilhelm-Straße im Schatten der Hochöfen von Thyssen-Krupp ist zwar längst beschlossen und im Gange, aber offenbar noch nicht ausdiskutiert.
Ein Brandbrief vom ehemaligen und als Raumplaner zweifelsohne anerkannten NRW-Städtebauminister Christoph Zöpel, der in seiner Amtszeit von 1980 bis 1990 auch Motor für die Internationale Bauausstellung Emscherpark war, sorgt für die Belebung der Debatte um den Grüngürtel, für den bis 2015 vornehmlich in Bruckhausen, aber auch in Marxloh und Beeck bis zu 180 Häuser abgerissen werden sollen und sich ein grüner Puffer zwischen Wohnen und Industrie legen soll.
Kritik an Planungen für Grüngürtel
An längst vergangene und von ihm 1980 gestoppte Zeiten der „Flächensanierung“ fühlt sich Zöpel in seinem Brief erinnert. Ganze Stadtteile und gewachsene Strukturen wurden in den 60 und 70 Jahren plattgemacht, in der Tat mit teils fatalen Folgen. „Der Abriss sollte verhindert werden“ fordert Zöpel nun für Bruckhausen, sieht er in den gründerzeitlichen Häuserfluchten eine „fast singuläre baugeschichtliche Bedeutung“. Als „geradezu widersinnig“ nennt der 68-jährige SPD-Grande die Planungen für einen Grüngürtel. Mit Blick auf die zu 80 Prozent türkischstämmige Bevölkerung sieht der Honorarprofessor der Uni Dortmund im Erhalt der Stadtquartiere „auch einen erforderlichen Beitrag zur Integration von Zuwanderern“.
„Ich war erschüttert, als ich das sah“, berichtet Zöpel gegenüber der WAZ von seinem Besuch in Bruckhausen, um den ihn sein langjähriger Freund Prof. Roland Günter, streitbarer Vorsitzender der Architekten- und Raumplanervereinigung Deutscher Werkbund, gebeten hatte. Seit 1980 sei ihm solch ein Fall des städtebaulichen Kahlschlags nicht mehr bekannt. Für die veranschlagten 70 Mio Euro, die Aufkauf, Abriss und Grüngürtel kosten, könne man die gründerzeitliche Bausubstanz erhalten, sanieren und als lebendigen Wohnraum erhalten, warnt Zöpel vor den Sünden vergangener Zeiten und fordert einen „neuen Dialog“.
Grüngürtelplan als Flächen-Zerstörung
Weit harscher bewerten Roland Günter und andere Kritiker, u.a. aus der Geschichtswerkstatt Du-Nord, die Grüngürtelplanung. Von „Flächenzerstörung“ spricht Günter, von einem „Bubenstück an Zynismus und Menscherverachtung“. Den Grüngürtel nennt er „eine Rasenfläche mit ein paar Wellen“. Und Paul Ganser, der als Vater der IBA gilt, bezeichnet die Pläne als „dumm und ignorant“, betitelt Duisburgs damalig verantwortlichen Baudezernenten Dressler gar als „Unhold“.
Beim amtierenden Baudezernenten, Stadtdirektor Peter Greulich, stoßen solcherlei Anwürfe auf Kopfschütteln. Zugleich hat er aber Zöpel zu einem Ortstermin eingeladen. Dort müsste er dann eigentlich „Verständnis“ für die Notwendigkeiten haben, erwartet Greulich. „Wenn wir dort nichts unternehmen, geht der morbide Prozess weiter“, so Greulich.
Abriss zur Stabilisierung
Mit dem Abriss des zum großen Teil maroden Hausbestandes sei es möglich in Bruckhausen Stabilisierung zu schaffen. „Wir nehmen den maroden Bereich weg und damit steigt auch der Wohnwert der anderen Immobilien. Als „Flächenfraß“ bezeichnet Greulich den enorm hohen Leerstand von 36 Prozent in den Straßenzügen. Der größte Teil der Mieter würde in Bruckhausen wohnen bleiben, mithin den Stadtteil beleben.
Die direkte Nachbarschaft von belastender Schwerindustrie und Wohnbebauung sei heute undenkbar. Nicht umsonst seien die Straßenzüge an der Kaiser-Wilhelm-Straße derart verfallen. „Da wollte doch niemand mehr wohnen. Und nun entsteht ein schöner Park mit hoher Aufenthaltsqualität“, wirbt Greulich für den aufwändig gestalteten Grüngürtel.
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