Duisburg-Meiderich. . Ein interessantes Stück Geschichte ist jetzt im Besitz des Kultur- und Stadthistorischen Museum in Duisburg: eine 100 Jahre alte Fahne des Evangelischen Arbeitervereins Meiderich. Auf der Fahne finden sich Spuren der Nazi-Diktatur.

Ein goldener Lorbeer umschließt auf rotem Samt das Meidericher Wappen mit Anker, Schlegel und Eisen aus Brokat. Umkränzt ist die Fahne mit aufwendig geknüpften goldenen Borten, die nach unten hin in üppige Gold-Fransen übergehen.

Die Rückseite in beigem Samt ruft in reich verzierter Schrift die evangelischen Glaubensbrüder zu gegenseitiger Liebe und Furcht vor Gott auf. Der (preußische) König – damals, 1912, niemand anders als der glücklose Kaiser Wilhelm II – sei von den Brüdern des Evangelischen Arbeitervereins Meiderich stets zu ehren.

In den Sonnenstrahlen vor dem Kultur- und Stadthistorischen Museum wirkt die fast 100 Jahre alte Fahne enorm gut erhalten, als der Spender Albert Walter und Empfänger Ralf H. Althoff sie in die Höhe strecken.

Dokument der diktatorischen Gleichschaltung zur Nazi-Zeit

Ein Fehler fällt ins Auge: Evangelischer-Volks-Verein, steht da auf rotem Samt geschrieben, das „Volks“, jedoch, wirkt seltsam verzerrt, darunter scheint noch die Kontur des Wortes „Arbeiter“ durch. Ein Detail, das – so unwichtig es auch scheint – zeitgeschichtliches Dokument der diktatorischen Gleichschaltung zur Nazi-Zeit ist, sagt Ralf H. Althoff: „Nach der Machtübernahme 1933 haben die Nazis in jeden Verein einen oder mehrere Gewährsleute gesteckt“, sagt der Museumschef, „ähnlich wie im Spitzel-System der DDR.“

Die Vereine, sagt Albert Walter, Pfarrer im Ruhestand und Präses des Evangelischen Arbeitervereins Meiderich, seien ultimativ aufgefordert worden, alle Bürger jüdischer Konfession auszuschließen.

Albert Walter wurde von einem Vereinskameraden auf die Fahne aufmerksam gemacht. Der mistete seinen Keller aus und fand das prachtvolle Stück verstaubt in einer Ecke. Albert Walter, ein profunder Kenner der Meidericher und Duisburger Stadtgeschichte, erkannte sofort die zeithistorische Bedeutung des Fundes und bot dem Kultur- und Stadthistorischen Museum die Schenkung an.

Fahne wird vorerst konserviert

Der Verein sei 1887 zur „Verbürgerlichung“ der Meidericher Arbeiterschaft gegründet worden. Die Fahne entstand zum 25-jährigen Jubiläum des Vereins, der im kommenden Jahr 125 Jahre alt wird (siehe Zweittext): „Den Pfarrern der kaisertreuen Evangelischen Kirche waren politische Meinungsäußerung und sozialkritisches Verhalten untersagt“, sagt Walter. Um die nach Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse strebenden Arbeiterschaft nicht gänzlich den Sozialdemokraten zu überlassen, gründeten sich schließlich die Evangelischen Arbeitervereine. Eine elegante Möglichkeit für die Pfarrer, sozialkritisches gesellschaftliches Engagement zu tarnen, wie Walter lächelnd sagt.

Die Fahne, die so viel über Stadtteil- und Stadtgeschichte verrät, wird im Museum (noch) nicht ausgestellt, sondern erst einmal konserviert: „Gut, dass sie jetzt bei uns ist“, freut sich Museums-Chef Ralf H. Althoff.