Duisburg-Marxloh. Quartiersarchitekten erfassen in Duisburg, ob Häuser einen guten oder schlechten Eindruck machen. Davon können jetzt Hauseigentümer profitieren.

Seit Wochen laufen Matthäus Nowak und seine Assistentin Katharina Tholl durch das Herz von Marxloh. Mit geschultem Auge nehmen der Quartiersarchitekt und die studentische Hilfskraft die Häuser entlang der Brautmodenmeile, am Pollmannkreuz und an der Fußgängerzone in den Blick. Sie wollen wissen, wo sich Schrottimmobilien befinden, wo Häuser mit Potenzial und wo vielleicht regelrechte Schätzchen stehen.

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Entstehen soll anschließend eine häuserscharfe Karte, auf der man ganz genau erkennen kann, wo besonders schlimme, abbruchreife Gebäude sind und wo es keine Probleme gibt. „Wir bewerten nicht die Ästethik, sondern die äußere Verfassung“, erklärt Mättheus Nowak. Ist das Dach halb abgedeckt? Sind die Fenster kaputt? Gibt es Leerstand? Dagegen interessiert die beiden Experten nicht, ob die Fassaden schmutzig sind oder ob Schmierereien an die Hauswände gesprüht wurden. „Graffiti greift die Bausubstanz nicht an“, erläutert der Architekt. Und um die Bausubstanz geht es ihm und Katharina Tholl für ihre künftige Karte.

Projekt mit Quartiersarchitekten soll Investitionen in Duisburger Immobilien anstoßen

„Die Stadt braucht Wohnraum, und Herr Nowak soll Investitionen anstoßen“, sagt der städtische Abteilungsleiter für Stadtentwicklung, Falko Kupsch. Der Einsatz der Quartiersarchitekten wird aus dem millionenschweren Förderprogramm „Stark im Norden“ bezahlt. Gleichzeitig ist ein zweites Team in Alt-Hamborn rund um den Altmarkt unterwegs.

In Duisburg-Marxloh gibt es „viele Gebäude, wo viel gemacht wird“, ordnet Quartiersarchitekt Matthäus Nowak ein. Er soll bei Hauseigentümern weitere Investitionen anstoßen.
In Duisburg-Marxloh gibt es „viele Gebäude, wo viel gemacht wird“, ordnet Quartiersarchitekt Matthäus Nowak ein. Er soll bei Hauseigentümern weitere Investitionen anstoßen. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Tatsächlich gebe es in Marxloh „viele Gebäude, wo viel gemacht wird“, betont Quartiersarchitekt Nowak erfreut und meint etwa energetische Sanierungen entlang der Weseler Straße oder aufgehübschte Restaurants – auch ohne Fördergeld von „Stark im Norden“.

Matthäus Nowak und seine Architektenkollegen verstehen sich im Duisburger Norden auch als Ansprechpartner für Immobilienbesitzer, die in ihre Objekte investieren wollen. Mithilfe von 400.000 Euro können etwa Fassaden, Dächer und Höfe klimafreundlicher gestaltet werden – von einem helleren Anstrich bis zu bepflanzten Wänden. Die Quartiersarchitekten sind überzeugt: Davon profitieren dann auch die Mieter und eigentlich alle Menschen in der Nachbarschaft.

Wie ist der Eindruck eines Gebäudes? Dazu zählen nicht nur schöne Architektur und Fassaden. Leerstand ist auch ein Faktor.
Wie ist der Eindruck eines Gebäudes? Dazu zählen nicht nur schöne Architektur und Fassaden. Leerstand ist auch ein Faktor. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Abrisse können positive Projekte im Duisburger Norden anstoßen

Ein weiteres Teilprojekt erlaubt sogar, Schrottimmobilien abzureißen, um die Situation im Stadtteil zu verbessern – etwa mit einem neuen Wohnhaus oder auch einem kleinen Park. Als ein positives Beispiel gilt bei der Stadt Duisburg und beim Quartiersmanagement die Schrottimmobilie an der Weseler Straße 151 bis 153, wo die Gebag nach dem Abriss das „Haus der Lebenshilfe“ gebaut hat. Dort gibt es nun Wohnungen, Therapie und eine Kita.

Natürlich kann die Stadt nicht jedes abbruchreife Haus kaufen und abreißen. Oft kommen die Verwaltung und Besitzer aber auch einfach nicht über den Kaufpreis überein. Der Überblick, den die künftige Karte geben soll, so Nowak, sei ohnehin vielmehr als Ansporn für Hauseigentümer gedacht, ihre Immobilien zu optimieren. Zumal es etwa in der Fußgängerzone einige „wirklich schöne Objekte“ gebe, darunter Häuser aus der Jahrhundertwende mit ansehnlichen Erkern. Grundsätzlich lobt er die Bausubstanz in Marxloh, ist aber noch längst nicht fertig mit seiner Bestandsaufnahme.

Handy-App erstellt häuserscharfe Karte mit Schrottimmobilien

Dabei hilft eine Handy-App mit immobilienscharfer Straßenkarte. Nowak und Thöll können vom jeweiligen Haus ein Foto schießen, es hochladen, dann Auffälligkeiten am Gebäude eintippen und den Zustand in einem Ampelsystem einschätzen. Guter Zustand, eher schlechter Zustand oder es besteht Handlungsbedarf. Schon ist ein Haus erfasst.

Quartiersarchitekt Matthäus Nowak soll bei Marxloher Hauseigentümern auch Investitionen anstoßen, von denen im Idealfall die gesamte Nachbarschaft profitiert.
Quartiersarchitekt Matthäus Nowak soll bei Marxloher Hauseigentümern auch Investitionen anstoßen, von denen im Idealfall die gesamte Nachbarschaft profitiert. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Inzwischen ist das Duo routiniert. „Wir sind schon schnell. Wir brauchen zwei Minuten pro Immobilie“, sagt Katharina Tholl. Manchmal dauert’s etwas länger, manchmal sind es aber auch nur anderthalb Minuten. Diese flotte Routine ist auch nötig, denn der zu erfassende Bereich ist dicht bebaut und hat viele Immobilien. In der App haben die beiden mehr als 2000 Wohngebäude, die sie sichten, fotografieren, bewerten und sichten sollen. Dafür teilen sie das Gebiet in Blöcke ein. Bis weit in den Herbst werden sie noch in Marxloh mit ihrer App unterwegs sein.

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Es gibt bereits erste Reaktionen. Eine Handvoll Hauseigentümer hat sich schon gemeldet, um zu investieren. In Hamborn, wo es ein paralleles Projekt gibt, sind es ebenfalls Anfragen eingegangen, wie man Gebäude klimatisch verbessern kann.

Taskforce Problemimmobilien soll nicht auf die Häuserdaten zugreifen

Für Stadtplaner, die Marxloh voranbringen wollen, ist die gerade entstehende Karte natürlich interessant. Doch wird auch die städtische „Taskforce Problemimmobilien“ die Arbeitsergebnisse von Matthäus Nowak und Katharina Tholl nutzen? Wird sie sich mithilfe der Karte gezielt Gebäude, bei denen per App dringender Handlungsbedarf markiert ist, genauer anzuschauen und notfalls räumen? Nein, betont Falko Kupsch vom Stadtentwicklungsamt. Grundlage für die besagte Karte sei nämlich nur eine „Inaugenscheinnahme“ von außen. Wie es innerhalb des Objekts aussehe – und das sei für die Taskforce ausschlaggebend – lasse sich nicht ablesen.

Quartiersarchitekt Matthäus Nowak (Mitte) und die studentische Hilfskraft Katharina Tholl (rechts) erheben, welchen Eindruck die Immobilien in Duisburg-Marxloh machen – hier mit Falko Kupsch (links) und Ute Hilmer von der Stadt Duisburg.
Quartiersarchitekt Matthäus Nowak (Mitte) und die studentische Hilfskraft Katharina Tholl (rechts) erheben, welchen Eindruck die Immobilien in Duisburg-Marxloh machen – hier mit Falko Kupsch (links) und Ute Hilmer von der Stadt Duisburg. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Dass diese Immobilien-Analyse „momentan keine Grundlage für die Taskforce“ und somit kein Anlass für neue Einsätze sei, sagte unlängst auch Stadtsprecher Sebastian Hiedels für Hochfeld. Dort ist – anders als in Marxloh und Alt-Hamborn – die Karte bereits fertig. Einsätze der Taskforcen erfolgen laut Hiedels ausschließlich nach Hinweisen von Behörden oder nach Beschwerden aus der Nachbarschaft.

Deshalb hofft auch Quartiersarchitekt Matthäus Nowak, dass seine Immobilienkarte vor allem dabei hilft, Marxloh lebenswerter und klimafreundlicher zu machen. Über viele weitere Anfragen von investitionswilligen Hausbesitzern, die ihre Gebäude aufwerten wollen, würde er sich freuen.

>> Ansprechpartner fürs Fassadenprogramm im Duisburger Norden

● Für Hausbesitzer in Marxloh ist Matthäus Nowak der Ansprechpartner für das „klimagerechte Dach-, Hof- und Fassadenprogramm“, 0203 45655777 oder per Mail an nowak@du-starkimnorden.de. In Alt-Hamborn ist Christian Eickelberg zuständig, 0203 31774411 oder eickelberg@du-starkimnorden.de. Sollten Ideen nicht über „Stark im Norden“ verwirklicht werden können, kennen die beiden auch weitere mögliche Fördertöpfe.

● Weitere Informationen zum Modellvorhaben „Stark im Norden“ gibt es auf www.du-starkimnorden.de.

● Im linksrheinischen Hochheide sollen demnächst auch Quartiersarchitekten den Immobilienbestand in den Blick nehmen und für eine Karte erfassen.