Duisburg/Dinslaken. Störche wollen auf einem Haus an der Rheinaue Walsum brüten. Doch das Nest ist zerstört worden. Die Hintergründe und welche hohen Strafen drohen.
Groß ist die Freude bei Vogelliebhabern und Fachleuten gleichermaßen, dass die Weißstörche zahlreich von ihrem warmen Winterquartier in die Walsumer Rheinaue zurückgekehrt sind. Sie wollen sich paaren, Nester bauen und brüten. Umso größer ist jetzt aber die Empörung innerhalb der Naturschützer-Szene. Denn knapp hinter der Stadtgrenze zu Dinslaken, im Ortsteil Stapp, haben Hausbewohner das entstehende Nest eines Storchenpaares auf ihrem Dach zerstört und versuchen, alle weiteren Nestbauvorhaben zu unterbinden. Auch einige Nachbarn haben Abwehrmaßnahmen ergriffen.
„Das ist ein Straftatbestand“, ordnet die Diplom-Biologin Regina Müller das Entfernen des Nestes ein. Die Vogelexpertin der Biologischen Station im Kreis Wesel betont, dass es nicht nur verboten, sondern auch „schlimm“ und „ein Problem“ sei, wenn ein Storchenhorst und damit eine Lebensstätte dieser geschützten Vogelart zerstört werde. Nicht umsonst seien die Weißstörche und auch ihre Nester gesetzlich geschützt.
Behörden ermitteln nach Straftat: Bewohner zerstören Storchennest auf ihrem Hausdach
Das bestätigt auch ganz allgemein der bereits eingeschaltete Kreis Wesel, dessen Untere Landschaftsbehörde für den aktuellen Fall zuständig ist und ihn derzeit untersucht. So greift bei solchen Vorfällen das Bundesnaturschutzgesetz (Paragraf 44, Absatz 1). Das Gesetz verbietet, „wildlebende Tiere der streng geschützten Arten und der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten erheblich zu stören“ und dadurch die örtliche Population zu beeinträchtigen.
Allerdings verweist der Kreis Wesel auch auf Ausnahmen, die ebenso im Gesetz vorgesehen sind. In Ausnahmefällen darf beispielsweise ein Storchennest entfernt werden, wenn Fragen der Verkehrssicherheit berührt sind oder Gebäudeschäden drohen. In jedem Fall muss dafür ein Antrag gestellt und durch die Behörde geprüft werden.
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Liegt dagegen ein Gesetzesverstoß vor – was die Untere Naturschutzbehörde immer einzelfallbezogen prüfe – muss der Straftäter ein Bußgeld bezahlen. Diese Strafe kann bis zu 50.000 Euro betragen, teilt eine Kreissprecherin auf Nachfrage mit. Jedoch möchte sie diese Maximalsumme nicht als Drohkulisse gegen die Anwohner in Dinslaken missverstanden wissen und betont deshalb, dass bei Verstößen auch deutlich geringere Bußgelder anfallen können.
Zum aktuellen Fall mit den Weißstörchen im Grenzgebiet zwischen dem Duisburger Norden und Dinslaken macht der Kreis Wesel allerdings ausdrücklich keine Angaben, sondern möchte sich nur allgemein äußern.
So viele Störche wie noch nie: In der Rheinaue in Duisburg-Walsum wird es eng
Konkreter wird der ausgewiesene Rheinauen-Kenner Dr. Johannes Meßer von der Duisburger Kreisgruppe des BUND (Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland). Er kennt den vorliegenden Fall, die Empörung unter Naturschützern und sogar das betroffene Storchenpärchen. „Das ist eine Baumbrut aus dem letzten Jahr. Doch ihr Nest ist nicht mehr benutzbar.“ Deshalb suchen die beiden Vögel derzeit einen neuen Standort und wollen ein neues Nest bauen.
Dabei wird zu ihrem Nachteil, worüber sich Vogelliebhaber sonst eigentlich sehr freuen: dass in der Rheinaue so viele Weißstörche wie noch nie einen Brutplatz suchen. „Die Störche besetzen jetzt wieder ihre Reviere, und es sind schon einige Paare da“, sagt Tobias Rautenberg, der als Ornithologe der Biologischen Station Westliches Ruhrgebiet in Duisburg den Großteil der Walsumer Aue betreut. Waren zuletzt acht Paare in dem Naturschutzgebiet dokumentiert, sei in diesem Jahr sogar noch eine leichte Zunahme möglich; das wäre ein neuer Rekord. „Es wird langsam eng“, so Rautenberg weiter.
Obwohl es in dem Gebiet noch ein paar leere Masten als Nisthilfen gibt, nutzt das noch nestlose Pärchen sie nicht. Denn Störche sind Reviertiere und brauchen zum Brüten einen gewissen Abstand zu anderen Artgenossen. Deshalb versuchen die beiden, auf Dinslakener Hausdächer und Kamine auszuweichen.
Sind die Weißstörche in der Wohnsiedlung nahe der Rheinaue unerwünscht?
Das freute auch einen Duisburger Vogelbeobachter, der wie viele seiner Gleichgesinnten seit der Rückkehr der Weißstörche oft im Bereich der Stadtgrenze spazieren geht. Dabei hat er, ebenso wie andere Storchenfreunde, den Nestbau der beiden Weißstörche fotografiert und auch, dass plötzlich das Nest abgeräumt und durch Metallstangen und Taubenabwehrspieße ausgetauscht war. Später sind diese Spieße wieder verschwunden – anders als auf anderen Dächern in der direkten Nachbarschaft. Ersetzt hat sie ein gebogenes Gitter, das einen neuerlichen Nestbau aber ebenfalls verhindert. Die Verärgerung darüber in der Szene ist entsprechend groß.
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Die dort lebende Familie hat demnach dem Vogelbeobachter gesagt, die Kaminplatte sei instabil und das Gitter tatsächlich zum Wohle der geschützten Vögel angebracht. Daran glauben will der Duisburger allerdings nicht, zumal er durch weitere Gespräche in dem Wohnviertel wisse: „Die Mehrheit will die Störche nicht auf den Dächern haben.“ Der Vogelkot störe zu viele Anwohner, und sie seien nicht zugänglich für die Bitte aus der Naturschützer-Szene, dass sie die Weißstörche doch dieses Frühjahr brüten lassen sollen. Wenn die Jungstörche flügge geworden sind, so das Argument, könnten die leeren Nester immer noch gesetzeskonform abgerissen und anschließend eine Vogelabwehr auf dem Dach angebracht werden.
Fachleute haben auch eine gute Nachricht für örtliche Vogelliebhaber
So bleibt dem Duisburger Vogelliebhaber nur die Hoffnung, dass die beiden Störche noch einen Standort finden, wo sie in diesem Jahr Nachwuchs bekommen können. Dies ist nicht unbegründet, wie Johannes Meßer findet: „Da ist noch nicht alles verloren.“ Dem stimmt die Ornithologin Regina Müller zu: Sobald das Paar lerne, das es auf dem ausgewählten Dach keine Chance hat, bleibe immer noch genug Zeit, dass sie an anderer Stelle erneut mit dem Nestbau anfangen. Zudem sei es für junge Paare ohnehin nicht ungewöhnlich, dass sie mehrere Anläufe benötigen, über zwei, drei Jahre hinweg, bis sie Nachwuchs bekommen.
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Dass die Hausbewohner den Storchenhorst auf ihrem Dach zerstört haben, verurteilt Regina Müller scharf. Dennoch hat die Expertin der Biologischen Station eine gute Nachricht für alle Storchenfreunde: „Die Population ist weiter stabil und in einer guten Entwicklung.“ Obwohl die Nester gesetzeswidrig zerstört wurden, bleibt also zu erwarten, dass dieser Einzelfall die Storchen-Population im Kreis Wesel nicht nachhaltig schwächen wird.
„Das bedeutet für den Weißstorch keinen Rückschlag“, pflichtet ihr ihr Duisburger Kollege Tobias Rautenberg mit Blick auf die Rheinaue in Duisburg bei. Nichtsdestotrotz verurteilt er die Straftat gleichfalls hart. Gemeinsam hoffen die beiden Fachleute mit der gesamten örtlichen Naturschützer-Szene, dass die Behörden in der Dinslakener Wohnsiedlung nicht noch einmal wegen beseitigter Storchennester aktiv werden müssen.
>> Mehr als 700 Störche in Nordrhein-Westfalen
● Weißstörche sind nach Angaben der Biologischen Station Westliches Ruhrgebiet seit 2010 in der Rheinaue Walsum, die größtenteils in Duisburg, aber auch in Dinslaken liegt, dokumentiert. Seitdem ist dort der Bestand angestiegen.
● Damit liegt das Naturschutzgebiet im Landestrend. So gebe es inzwischen in Nordrhein-Westfalen mehr als 700 Störche. Um das Jahr 2000 seien es dagegen nur einige Dutzend gewesen.