Duisburg. Unter den Obdachlosen in Duisburg haben es Polen besonders schwer. Ein Projekt hat ihnen gezielt geholfen, aber es musste enden, weil Geld fehlt.
Unter den Obdachlosen in Duisburg haben es die Betroffenen aus Osteuropa und Südosteuropa besonders schwer. Sie haben keine Anspruch auf Sozialleistungen und sind nicht krankenversichert. Gerade Wanderarbeiter aus Polen werden aber erst in Deutschland hilfsbedürftig. Sie werden meist von Subunternehmen angeworben und arbeiten zunächst unter schlechten Bedingungen, ohne festen Arbeitsvertrag und für einen Hungerlohn. Verlieren sie ihren Job, versuchen sie sich oft als Tagelöhner, viele rutschen schließlich in die Wohnungslosigkeit und in die Sucht ab. Dieser Problematik hat sich der Suchthilfeverbund mit einem einjährigen Projekt angenommen und kämpft jetzt um eine Fortführung.
„Alle von ihnen sind nach Deutschland gekommen, um ein besseres Leben zu führen und Arbeit zu finden“, sagt die Sozialarbeiterin und Sozialpädagogin Nicole Smyt, eine der beiden Mitarbeiterinnen des Projekts „Streetwork Osteuropa“. Viele haben demnach auch gearbeitet, waren aber illegal beschäftigt, wurden um ihren Lohn betrogen oder nach einem Arbeitsunfall fallen gelassen. Das sei für die Arbeiter mit großer Scham verbunden, weshalb sie nicht in die Heimat zurück wollen. Viele flüchten sich in den Alkohol, und damit beginnt für sie eine Abwärtsspirale.
Obdachlose aus Polen fallen in Duisburg durchs Raster
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„Sie fallen in ein tiefes Loch. Sie kennen aber auch ihre Rechte und ihre Möglichkeiten nicht“, ergänzt die Sozialarbeiterin Lisa Marie Kröll. Hinzu komme: „Für wohnungslose und suchtkranke Menschen aus Polen fühlt sich keine offizielle Stelle verantwortlich. Das ist eine Lücke im System.“ Die Hilfsbedürftigen, die durch dieses Raster fallen, gehen zum Petershof in Marxloh und übernachten dort in den Notschlafcontainern. Andere stellen sich beim Betreuungsmobil des Vereins „Gemeinsam gegen Kälte“ an. Geholfen haben ihnen auch Nicole Smyt und Lisa Marie Kröll. Als Streetworkerinnen haben sie die Obdachlosen etwa am Petershof oder am Altmarkt und Rathausplatz in Hamborn, nahe des Suchthilfezentrums Nord, aufgesucht.
Dass Nicole Smyt Polnisch spricht, war dabei der wichtigste Schlüssel zum Erfolg des Zweierteams. So bauten die beiden schnell Vertrauen zu den Betroffenen auf, tauschten sich mit ihnen über ihre Bedürfnisse aus, klärten über Rechte auf, führten Beratungsgespräche und vermittelten an weiterführende Hilfen wie die Wohnungslosenhilfe.
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„Die meisten wollen hier bleiben, ihre Sucht bekämpfen, einen Pass beantragen, eine Krankenversicherung und eine eigene Wohnung bekommen. Nur ein kleiner Teil will zurück nach Polen“, sagt Kröll. Dabei leisteten die Streetworkerinnen wertvolle Unterstützung, indem sie etwa zu Behörden mitgingen, aber auch zu Wohnungsbesichtigungen und sogar ins polnische Konsulat in Köln. Dadurch konnten fünf ehemalige Wanderarbeiter wieder in ihre Heimat zurückkehren.
Suchthilfeverbund zieht positive Bilanz für das Projekt
„Wir waren sehr erfolgreich, wir haben das Maximum herausgeholt“, zieht Lisa Marie Kröll Bilanz und verweist auf den Abschlussbericht, der 197 Einzelkontakte und 544 Hilfen aufführt, darunter neben den fünf Rückführungen auch drei bewilligte Anträge auf Arbeitslosengeld und zwei Aufnahmen in die Krankenkasse. Der Großteil geschah bei Einsätzen in Alt-Hamborn und Marxloh. Die Stadt Duisburg hatte das Projekt mit Fördergeld aus der Integrationspauschale finanziert, doch die beiden Fachfrauen konnten davon nur mit je sechs Wochenstunden angestellt werden.
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Dieses Ergebnis bewertet auch die Geschäftsführerin des Suchthilfeverbunds Dita Gomfers als Erfolg und ergänzt, dass die eigentliche Hauptaufgabe des einjährigen Projekts war, sich einen Überblick über die Situation der hiesigen polnischen Obdachlosen zu verschaffen, ihre Bedürfnisse herauszufinden und zu dokumentieren. Aber auch das sei mithilfe einer Zielgruppenbefragung auf Polnisch gelungen.
Die Stadt Duisburg lässt das Fördergeld auslaufen
„Streetwork als aufsuchende Arbeit ist wichtig als Schnittstelle, um die Menschen zu den Angeboten hinzuführen“, betont Kröll und sieht bei der Zielgruppe weiterhin „dringenden Handlungsbedarf“, zumal die Probleme schon seit Jahren bekannt seien. „Uns ist wichtig, dass jeder die gleiche Chance auf Hilfe bekommt – egal, wo er herkommt.“
Das ist zugleich ein Plädoyer, das Projekt „Streetwork Osteuropa“ wiederzubeleben. Doch die Stadt Duisburg habe bereits signalisiert, dass es nicht weiterfinanziert wird. Immerhin bleiben die Sozialarbeiterinnen dem Suchthilfeverbund als Streetworkerinnen erhalten, wenn auch mit anderen Arbeitsschwerpunkten. Für polnische Obdachlose, insbesondere im Duisburger Norden, wird Nicole Smyt durch ihre Sprachkenntnisse und das aufgebaute Vertrauen aber eine Ansprechpartnerin bleiben.
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Für den Suchthilfeverband hat das Projekt „Streetwork Osteuropa“ gezeigt, wie es im Abschlussbericht heißt, dass es dringend weiterfinanziert werden müsse, um „einer fortlaufenden Verelendung“ entgegenzuwirken und den „Teufelskreis aus Arbeitslosigkeit, Wohnungslosigkeit und Suchtmittelabhängigkeit“ zu durchbrechen.
>> POLNISCHE OBDACHLOSE SIND AM AUFFÄLLIGSTEN
● Neben Obdachlosen aus Polen haben auch andere EU-Ausländerinnen und EU-Ausländer, etwa aus Bulgarien und Rumänien, ebenfalls keine Sozialleistungsansprüche, keine Krankenversicherung, dafür aber und Sprachbarrieren.
● Die Polen haben es aber besonders schwer, weiß Streetworkerin Lisa Marie Kröll, da sie – anders als viele Bulgaren und Rumänen – oft alleine unterwegs sind und keine familiäre Anbindung mehr haben. „Sie sind im Stadtbild am auffälligsten. Sie sitzen etwa am August-Bebel-Platz mit ihrem ganzen Hab und Gut und schnorren, weil sie nicht ans System angebunden sind.“
● Derzeit leben in Duisburg nach Angaben der Stadtverwaltung fast 499.000 Menschen, davon sind 5200 polnische Staatsbürger, rund 14.100 kommen aus Bulgarien und 9200 aus Rumänien.
● Das Projekt „Streetwork Osteuropa“ lief vom 1. Juli 2020 bis zum 30. Juni 2021, der Abschlussbericht wurde kürzlich veröffentlicht.