Duisburg-Obermeiderich. Corona hat Jugendlichen in Duisburg viel abverlangt. Vier Betroffene schildern jetzt ihre Erfahrungen und wie ihnen Tanzen in der Krise hilft.

Jugendliche konnten in der Corona-Krise kaum Freunde treffen, nicht auf Partys gehen und hatten nur wenig richtigen Schulunterricht. Insbesondere die Lockdowns haben der Duisburger Jugend sehr viel abverlangt. Andrea Scharf-Drüke betreut im Bürgerhaus Hagenshof in Obermeiderich Kinder- und Jugendtanzgruppen und hat mitbekommen, wie die Teilnehmer vereinsamten und sogar mit Depressionen kämpften. Deshalb hat sie in der Pandemie Online-Angebote organisiert und jetzt, vor der Sommerpause, wieder zum Training eingeladen. Vier Jugendliche erzählen, wie es ihnen und ihren Altersgenossen in dem vergangenen anderthalb Jahren ging und wie ihnen das Tanzen hilft.

„Ich war todkrank“, erinnert sich Joelina Tabuso an ihre Covid-Infektion. Mit über 39 Grad Fieber habe die 17-Jährige im Bett gelegen, habe Cortison und Thrombose-Spritzen bekommen, musste jedoch nicht auf eine Intensivstation oder an ein Beatmungsgerät. „Ich habe tagelang nichts geschmeckt.“

„Ich war todkrank“, sagt Joelina Tabuso, die ihr Zuhause im Lockdown als Gefängnis empfand. Dennoch blickt sie aufs Positive: „Mein Körper ist besonders stark.“ Das will sie jetzt auch beim regulären Tanztraining beweisen.
„Ich war todkrank“, sagt Joelina Tabuso, die ihr Zuhause im Lockdown als Gefängnis empfand. Dennoch blickt sie aufs Positive: „Mein Körper ist besonders stark.“ Das will sie jetzt auch beim regulären Tanztraining beweisen. © FUNKE Foto Services | Tanja Pickartz

Dennoch hat Joelina etwas Positives aus ihrer überstandenen Krankheit gezogen: „Mein Körper ist besonders stark.“ Von dieser Erkenntnis soll künftig die Große Karnevalsgarde der KAB St. Barbara profitieren, denn die Teenagerin will sich jetzt besonders intensiv in die Choreografien einarbeiten – mehr noch als zuletzt beim Online-Training per Videokonferenz.

Ihren Sportkameraden Celine Kretschmann (20), Anjali Martin (14) und Max Pielka (16) war der Gardetanz ebenfalls eine große Stütze während des jüngsten Lockdowns. „Das waren sieben verdammte Monate“, sagt Anjali, die merklich erleichtert ist, dass die 13-köpfige Gruppe sich endlich wieder persönlich sehen kann.

Online-Tanztraining war willkommene Abwechslung im öden Pandemie-Alltag

Für die 14-Jährige waren die wöchentlichen Sporteinheiten eine willkommene Abwechslung zum öden Pandemiealltag, in dem ihr ihre Geschwister zuhause kaum Privatsphäre ließen. Die digitalen Tanzstunden waren für sie Anlass, gezwungenermaßen die kleine Wohnung zu verlassen und ihre Tante im Viertel zu besuchen. Denn die eigenen Nachbarn hätten sich immer über den Trainingslärm beschwert.

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„Am Anfang war es geil, dass wir wenigstens etwas trainieren konnten“, sagt Joelina, doch das Niveau sei schlecht gewesen. Falsche Schritte wurden kaum korrigiert und das Aufwärm-Video ließ sich schwänzen. Besonders ätzend waren die digitalen Proben für Max, der für Hebefiguren und Würfe zuständig ist. Er konnte monatelang nur mit einem Teddybären statt mit Tanzmariechen proben.

Zudem haben nicht alle Gruppenmitglieder teilgenommen. Nicht für alle Tänzerinnen sei das Online-Format passend gewesen, räumt Andrea Scharf-Drüke ein, andere seien an altbekannten Problemen im armen Duisburger Norden gescheitert: Die Internetverbindung ist schlecht, Geschwister müssen sich den Computer teilen oder es fehlen zuhause der Platz oder die Ruhe. Inzwischen seien aber alle Kinder und Jugendlichen der Karnevalsgarden wieder aktiv dabei.

Der Lockdown wirkt nach: „Das Zuhause wurde zum Gefängnis“

Für sie alle war der Lockdown einschneidend und wirkt nach. „Wir sind alle froh, dass wir uns wieder treffen können“, sagt Celine, die in der Corona-Krise „die schlimmsten Wochen“ erlebte, als sie in Quarantäne war. Aufgewachsen ist sie mit ihren Eltern und sechs Geschwistern und zog erst aus, als sie Erzieherin in einer Kita wurde. Als Kontaktperson war sie, ganz ungewohnt, zwei Wochen ganz alleine und durfte ihre Wohnung nicht verlassen.

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„Irgendwann wurde für uns alle das Zuhause zum Gefängnis, wir hatten keine Freiheiten mehr“, ergänzt Joelina. So war ein schnöder Supermarktbesuch oft ein Tageshöhepunkt, „weil uns so langweilig war“.

In der Corona-Krise fielen für die Duisburger Jugendlichen der Tanzgarde etliche Auftritte bei Karnevalsfeiern aus.
In der Corona-Krise fielen für die Duisburger Jugendlichen der Tanzgarde etliche Auftritte bei Karnevalsfeiern aus. © Andrea Scharf-Drüke

Zugleich nahm mit jeder Lockdown-Woche die Motivation ab, sich beim Online-Tanztraining voll reinzuhängen. Denn die Garde probt etwa eingesprungene Spagate, um sie vor Publikum zu zeigen. Doch die Karnevalsfeiern und anderen Events wurden nach und nach alle abgesagt und mit ihnen gut 30 Auftritte.

Aber jetzt ist die Leidenschaft neuentfacht. Nicht zuletzt, weil die Choreografie im September stehen muss. Dann will die Garde als Showtanzgruppe „Eternity“ auftreten.

Duisburger Jugendliche müssen auch in der Corona-Krise Liebeskummer durchleiden

Dagegen kam Max der Lockdown tatsächlich gelegen, wie er erzählt. „Meine Partnerin hat mich während der Pandemie betrogen, daran ist unsere Beziehung kaputtgegangen.“ Seither leidet er an Liebeskummer, wollte anfangs gar nicht unter Menschen sein. Erst jetzt, nach dem Lockdown, lernt er zu schätzen, wie wichtig für ihn tröstende Gespräche von Angesicht zu Angesicht sind. So hätten ihm jüngst Treffen mit Freunden sehr geholfen – und auch die Garde-Mädels stehen ihm bei.

Zwar ist in den Ferien für die Große Garde erstmal Sommerpause, in der die Jugendlichen nicht mal mehr digital trainieren. Aber eine Vereinsfahrt in den Schwarzwald steht an. Die soll genutzt werden, damit die Gruppe wieder enger zusammenwächst – doch natürlich wird auch an der aktuellen Choreographie gefeilt.

>> DIE JUGENDLICHEN HABEN ANGST VOR DEM HERBST

● Die Jugendlichen der Großen Garde diskutieren untereinander und mit ihren Familien, ob sie sich impfen lassen sollen. Erwachsene Mitglieder wie Erzieherin Celine Kretschmann sind schon längst geimpft. Joelina Tabuso muss als Genese noch die entsprechende Frist abwarten, während Anjali Martin noch unschlüssig ist und nichts überstürzen möchte. Dagegen wird sich Max Pielka nicht impfen lassen: „Ich hasse Nadeln einfach.“

● Dass Doppeltgeimpfte jetzt in den Urlaub fahren, gönnen die Jugendlichen übrigens den älteren Generationen und ihren Familien. Dennoch bleibe die „Angst vor dem Herbst“, weil sie nicht glauben, dass viele Reisenden weiterhin auf Corona-Regeln achten. Wie „unverantwortlich“ Menschen nach dem langen Lockdown sein können, habe die Fußball-EM mit 60.000 feiernden Fans im Wembley-Stadion ohne Abstand und Maske gezeigt.

● Das mehrteilige Seminar „Reset after Corona“ soll neben den Karnevalsgarden auch die kooperierende Nachwuchstanzgruppe Crazy Kids wieder zusammenschweißen, bei insgesamt 35 Beteiligten die Corona-Folgen mildern und neues Vertrauen schaffen. Denn vor der Pandemie drohte ein Zwist die Tanzgruppen auseinander zu brechen. Finanziert wird das Seminar vom Verein Pro Hagenshof und von der Bezirksvertretung.