Duisburg. Die Leibniz-Gesamtschule kooperiert mit der „Corona School“, die digitale Nachhilfe anbietet. Das Angebot steht allen Duisburger Schülern offen.
Im Kampf für mehr Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit im armen Duisburger Norden ist die Hamborner Leibniz-Gesamtschule jetzt Vorreiter. Sie ist die deutschlandweit erste Kooperationsschule des Vereins Corona School, der Schülern kostenfrei digitalen Nachhilfeunterricht anbietet. Initiator dieser neuen Zusammenarbeit ist der ehemalige Leibniz-Schüler Anas Karazon, der vor gut sechs Jahren als Kriegsflüchtling aus dem syrischen Aleppo nach Duisburg kam.
„Meine Schule hat mich sehr unterstützt und immer an mich geglaubt, jetzt will ich etwas zurückgeben“, sagt der 22-jährige Student. In der Corona School sieht er die Chance, bildungsbenachteiligten Kindern und Jugendlichen dabei zu helfen, die für sie bestmöglichen Noten und Abschlüsse zu erreichen. In der Pilotphase, die bis nach den Osterferien läuft, registrieren sich derzeit Freiwillige, die ein Jahr vor dem Abitur stehen. In ihrer Freizeit werden sie dann von Studenten in einem oder mehreren Fächern unterrichtet.
Schulleiter: „Das ist genau das, was wir im Duisburger Norden brauchen“
„Das ist genau das, was wir im Duisburger Norden brauchen, gerade im Distanzunterricht“, findet Schulleiter Karl Hußmann, bei dem Anas Karazon mit seinem Vorschlag offene Türen einrannte. Nicht nur, weil in Hamborn viele arme und bildungsferne Familien leben. „Die Nervosität unserer Schüler ist groß. Sie fragen sich, wie sie mit Anforderungen des Abiturs zurechtkommen“, so Hußmann.
Dementsprechend groß sei auch die Nachfrage an der digitalen Nachhilfe in der Pilotjahrgangsstufe Q1, beim Abiturjahrgang 2022. So haben sich bereits 18 Schülerinnen und Schüler freiwillig für die Corona School mit Eins-zu-eins-Betreuung angemeldet – die bislang größte Gruppe in Deutschland. Mithilfe der Gesamtschule und haben alle ein Benutzerkonto eingerichtet und lernen jetzt ihre Nachhilfelehrer kennen, die aus dem gesamten deutschsprachigen Raum kommen. Ein Algorithmus wählt die Paare aus.
Die Resonanz ist auch deshalb groß, weil die Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Gesamtschule bereits Tablet-Computer vom Bund erhalten und leihweise an ihre Schüler ausgegeben hat. „Das Distanzlernen klappt jetzt besser als im ersten Lockdown und es scheitert nicht mehr an technischen Bedingungen“, so der Schulleiter.
Kein Computer, kein Internet, keine Ruhe: Zielgruppe muss viele Hürden überwinden
Dass Anas Karazon seine alte Schule als Kooperationspartner für den Verein gewinnen konnte, freut ihn sehr. In solch einer Zusammenarbeit sieht er den Schlüssel für die Corona School, weiter zu wachsen und möglichst vielen Jugendlichen zu helfen. „Anders erreichen wir unsere Zielgruppe nicht“, sagt der Student, der sich in der Corona School als Multiplikator engagiert. Individuell anmelden konnten sich Schüler zwar schon vor der Kooperation mit der Leibniz-Gesamtschule, doch Karazon weiß, dass gerade den Kindern und Jugendlichen, die die kostenlose Lernunterstützung besonders nötig hätten, zuhause meist der eigene Computer, eine gute Internetverbindung oder die nötige Ruhe fehle. Die Infrastruktur einer Schule kann diese Hürden beseitigen.
Allerdings ist die Nachhilfe der Corona School nicht nur für Schüler mit schlechten Zensuren oder langsamer Internetverbindung. „Wir limitieren das nicht“, sagt Karl Hußmann, der im Abitur auch einen Kampf mit dem Numerus Clausus und damit um Studienplätze sieht. Wenn sich also Schüler in einem Fach von einer Zwei auf eine Eins verbessern wollten, sei das genauso legitim.
Leibniz-Gesamtschule plant langfristige Zusammenarbeit mit der Corona School
Ohnehin sei das Interesse an der digitalen Nachhilfe sehr groß, findet Oberstufenleiterin Christine Kalff: „Für die Schüler stand es außer Frage, sich anzumelden. Sie haben weder Scheu noch Hemmungen.“ Der individuelle Erfolg der Lernunterstützung hänge aber auch davon ab, wie gut sich der Student mit dem Gesamtschüler verstehe. Dennoch: „Wir sind völlig überzeugt von der Corona School“, ergänzt sie. Daher sei die Zusammenarbeit auch langfristig ausgelegt.
So hofft auch Anas Karazon, dass nach der Pilotphase noch viele weitere Leibniz-Schüler mitmachen. Aus eigener Erfahrung appelliert er an die Jugendlichen, sich helfen zu lassen. Er selbst habe „große Zweifelsphasen“ gehabt, ob er gut genug Deutsch lernen und in einem fremden Land das Abitur schaffen werde. Doch durch die Unterstützung seiner Lehrer und Mitschüler wurde er ein Ruhrtalent, nahm schon in der Oberstufe an Uni-Kursen teil, beendete die Oberstufe mit einem Einser-Abitur, erreichte ein Stipendium der Studienstiftung des Deutschen Volkes und studiert jetzt dual Wirtschaftsinformatik.
Er sieht noch viel Potenzial in der Duisburger Jugend und deshalb will Anas Karazon künftig weitere Schulen im Norden als Partner für die Corona School gewinnen.
>> ZWEITES PROJEKT FÜR DEUTSCH ALS ZWEITSPRACHE GEPLANT
● Aktuell sind bei der Corona School mehr als 18.000 Schüler registriert. Als Unterstützer oder potenzielle Nachhilfelehrer haben sich über 13.000 Studenten angemeldet.
● Leibniz-Schüler sollen nicht nur die Lernunterstützung bekommen, sondern später auch an digitalen Informationsrunden teilnehmen dürfen, wo es etwa um Möglichkeiten der Studienfinanzierung gehen soll.
● Der Verein plant für die Zukunft, auch in Duisburg, ein zweites Projekt, bei dem Schüler mit Deutsch als Fremdsprache gezielt Sprachunterricht bekommen – idealerweise von Studenten, die auch deren Muttersprache sprechen.
● Weitere Informationen auf www.corona-school.de.