Duisburg-Walsum. Mit viel Empathie für Schwächere hat sich Franz Tews mehr als 20 Jahre lang in Walsum engagiert. Jetzt verabschiedet er sich aus der Politik.
Franz Tews hat vor kurzem einen Satz gelesen, der ihn seitdem beschäftigt. Einen Satz, in dem er auch sein eigenes politisches Wirken wiederfindet: „Es ist besser, gemeinsam über eine Vergangenheit zu reden, als sie auszulöschen.“ Das Zitat stammt vom namibischen Botschafter Andreas Guibeb und bezieht sich auf den deutschen Völkermord in der einstigen Kolonie. Wenn Tews den Satz sagt, meint er die Geschichte vor seiner eigenen Haustür, in Walsum. Auch diese Geschichte hat ihre dunklen Kapitel; darauf hat er in mehr als 20 Jahren als Bezirksvertreter immer wieder aufmerksam gemacht.
„Erinnerungskultur war für mich immer ein Stück Kommunalpolitik“, sagt Tews, der damit andere Prioritäten gesetzt hat als die meisten seiner Kollegen. Zur kommenden Wahl im September tritt der stellvertretende Bezirksbürgermeister und Träger der Mercator-Ehrennadel nicht mehr an. Sein politisches Vermächtnis bleibt aber sichtbar: Drei Gedenkorte in Walsum erinnern heute an die Opfer des Nationalsozialismus.
Walsum: Kampf um Umbenennung der Dr.-Wilhelm-Roelen-Straße
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Diese Opfer gab es etwa in der Zeche Walsum, wo sich Zwangsarbeiter zu Tode schufteten. Um den damaligen Leiter der Zeche, Wilhelm Roelen, hat Tews erbitterte Diskussionen geführt, mehrfach die Umbenennung der Dr.-Wilhelm-Roelen-Straße gefordert. Ein aussichtsloses Unterfangen, wie er rückblickend sagt: „In Walsum Herrn Roelen zu kritisieren, ist wie im Vatikan den Papst zu kritisieren. Dabei war der Mann Chef der effektivsten rüstungsorientierten Zeche in Westdeutschland. ,Jede Tonne Kohle, ein Panzer’ war Roelens Devise.“
Tews, Jahrgang 1942, hatte immer Mut zum Anecken. Schon bei seiner ersten Sitzung in der Bezirksvertretung habe er dort für Aufruhr gesorgt, erinnert sich der gebürtige Oberhausener: „Das war 1999, als man in öffentlichen Gebäuden noch überall rauchen durfte. Als ich im Plenum vorschlug, Raucher sollten dafür doch vor die Tür gehen, habe ich viel Kopfschütteln geerntet. Heute ist das vollkommen normal.“
Mit dem Kopf schüttelten auch einige Walsumer, als er ein Holocaust-Mahnmal auf dem Kometenplatz errichten wollte. Dass sich manche gegen das Erinnern sträuben, erklärt Tews auch mit einer „Identitätskrise“ der Menschen im Randbezirk, die gedanklich näher an Dinslaken seien als an Duisburg. „Das führt dann zu der Legende, Walsum hätte mit dem Holocaust nichts zu tun gehabt. Hier seien doch bloß Bauern gewesen, was sollen die Schlimmes gemacht haben?“ Doch er betont: „Auschwitz war überall.“
Walsumer haben Denkmal für die Zwangsarbeiter gut angenommen
Angeeckt ist Tews viele weitere Male. Davon zeugt auch der Umstand, dass er nach Mitgliedschaft in der SPD und anschließender Kandidatur für die Grünen zuletzt parteilos war. Schlecht reden will er über die früheren Weggefährten aber nicht. „Ich hatte bei meinen Projekten immer die SPD auf meiner Seite“, lobt er etwa die Partei, die am längsten seine politische Heimat war.
Mit dem Holocaust-Mahnmal hatte Tews mehr Erfolg als mit der umstrittenen Straße: Der Kometenplatz wurde in diesem Bereich sogar in „Platz der Erinnerung“ umbenannt. Wie auch das Denkmal für die Zwangsarbeiter am Ivan-Bugulez-Weg und die Gedenktafel auf dem Friedhof in Alt-Walsum geht das Mahnmal auf seine Initiative „Erinnern gegen Rechts“ zurück. Bei allem anfänglichen Gegenwind seien die Reaktionen im Anschluss meist positiv gewesen: „Gerade das Denkmal für die Zwangsarbeiter wurde von den Anwohnern sehr gut angenommen. Sie geben zum Beispiel Hinweise, wenn es mal wieder gereinigt werden muss.“
Schon als junger Mensch habe er eine Affinität zu Minderheiten gehabt, sagt Tews. Dabei habe ihn ein Ereignis besonders nachhaltig bewegt: „In meinem Fußballverein gab es eine Gesangsabteilung, auf die alle sehr stolz waren. Irgendwann erfuhr ich, dass ein Sänger in der Vergangenheit damit geprahlt hatte, Zahngold von Juden zu besitzen. Da war das auf einmal alles ganz nah.“
Franz Tews will sich auch nach der politischen Laufbahn weiter einmischen
Tews lebt aber nicht nur in der Vergangenheit, sondern hat auch ein Ohr für seine Mitmenschen im Hier und Jetzt. Er versteht sich als Kümmerer, mit viel Empathie für die Schwächeren in der Gesellschaft. Als langjähriger Seniorenbeauftragter hat er sich für die Belange älterer Menschen im Bezirk eingesetzt. Und auch geflüchteten Menschen kommt sein Engagement zugute, über die Walsumer Flüchtlingsinitiative oder den Fußballverein Viktoria Wehofen.
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Jetzt steht der Abschied aus der politischen Szene bevor. „Das soll aber nicht heißen, dass ich mich künftig aus allem raushalte“, betont Tews. Walsums Erinnerungskultur sieht er heute gut aufgestellt: „Ich denke, was die Denkmäler angeht, können wir uns wirklich sehen lassen.“