Duisburg. . Die Ermittlungsakten über die Loveparade-Katastrophe werfen weiter Fragen auf. Die Staatsanwaltschaft Duisburg prüft den Vorwurf der fahrlässigen Tötung gegen Polizeiführer Kuno S.. NRW-Innenminister Jäger könnte bei der Aufklärung helfen, schweigt aber. Befragt wurde er nicht.

Kurz vor dem dritten Jahrestag der Loveparade-Katastrophe von Duisburg mit 21 Toten gerät noch einmal die Rolle des Polizeiführers Kuno S. in den Fokus der Ermittlungen. Die Staatsanwaltschaft Duisburg prüft den Vorwurf der fahrlässigen Tötung.

Ob es zu einer Anklage gegen Kuno S. kommt, hängt vor allem davon ab, ob Kuno S. in der entscheidenden Phase der Katastrophe wusste, wie brisant die Lage im Tunnel auf dem Festgelände war. Damals, als das Unglück noch hätte verhindert werden können. Etliche Zeugen wurden vernommen, um zu klären, ob Kuno S. hätte erkennen können, wie die Massen noch zu bändigen sind. Nur ein Zeuge wurde nicht gehört: NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD). Dabei war ausgerechnet Jäger in der entscheidenden Phase besonders dicht dabei. Die Ermittlungen dauern an. Die Staatsanwaltschaft Duisburg wollte sich nicht zu Details äußern.

Wie aus Unterlagen zur Loveparade hervorgeht, hätte das Desaster eventuell verhindert werden können, wenn Polizeiführer Kuno S. etwa zwischen 15.30 und 16.00 Uhr eine weitere Einsatzhundertschaft in den Tunnel zur Loveparade geschickt hätte, um die Polizeiketten zu verstärken, die den Zustrom der Massen unterbinden sollten. Doch genau in dieser Zeit war Kuno S. möglicherweise abgelenkt.

Innenminister war besonders dicht dabei

So besuchte Innenminister Jäger gegen 15.40 Uhr die Einsatzzentrale von Kuno S.. Dort ließ sich der Minister nach eigener Auskunft von Kuno S. über die Lage auf dem Festivalgelände unterrichten. Wie lange Jäger blieb, dazu schweigt der Minister auf Anfrage. Ein Jäger-Sprecher sagte lediglich, der Minister sei gegen 16.15 Uhr in der Zentrale der Loveparade-Macher einige Hundert Meter entfernt im Hoist-Haus eingetroffen.

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Der Zeitraum des Besuches ist brisant. In einem Vermerk stellte die Staatsanwaltschaft fest: Spätestens „gegen 15.40 Uhr“ hätte ein erfahrener Polizeiführer mit dem Kenntnisstand von Kuno S. „alle zur Verfügung stehenden Mittel und Reserven eingesetzt“, um die vor Ort im Tunnel getroffenen Maßnahmen „zu unterstützen“.

In den Vernehmungen der Staatsanwaltschaft schildern mehrere Polizisten die Situation in der Einsatzzentrale zur fraglichen Zeit: Ein Beamter sagte, gleich „mehrere“ Delegationen seien hintereinander durch die Einsatzzentrale gelaufen, um sich „ein Bild“ zu machen. Gegen 15.40 Uhr sei dann Innenminister Jäger gekommen. Nach Aussage des Zeugen brachte der Andrang „natürlich Unruhe in den Raum“. Seine „Konzentration“ sei gestört worden.

Beamten sprechen kaum verhüllt von „Einsatztourismus“

Ein anderer Beamter gibt an, es sei „viel los“ gewesen. „Ich will nicht den Begriff Einsatztourismus benutzen.“ Und vor allem Kuno S. war „mit den Besuchern beschäftigt.“ Ein dritter Beamter sagte, der Minister habe gegen 16.05 Uhr die Einsatzzentrale verlassen.

Könnte es sein, dass Polizeiführer Kuno S. also in der entscheidenden halben Stunde durch Minister Jäger abgelenkt war? Andere Zeugen bestreiten das. Ein Beamter gibt an, er selbst habe die Reihenbesuche „nicht als störend empfunden“. Ein weiterer Zeuge sagt, Kuno S. sei auch im Gespräch mit dem Minister immer „ansprechbar und entscheidungsfähig“ gewesen.

Etliche Zeugen wurden vernommen. Nur Innenminister Jäger nicht. Dabei hätte er vielleicht die Widersprüche auflösen können. Er stand im relevanten Zeitraum am engsten bei Kuno S. Er hätte sagen können, ob eventuell Meldungen über Probleme zurückgestellt wurden, als Kuno S. mit ihm sprach.

Die Staatsanwaltschaft Duisburg sagt, es hätten zu keinem Zeitpunkt der Ermittlungen Anhaltspunkte gegeben, die eine Befragung Jägers erforderlich gemacht hätten. Jäger selbst schweigt zu den Details seines Besuchs.