Duisburg. Drei Jahre nach der Loveparade-Katastrophe in Duisburg ist unter Hinterbliebenen der Opfer das Interesse an großen Gedenkveranstaltungen gesunken. Am 24. Juli ist Gedenktag in der Stadt. Hinter den Kulissen gibt es Ärger um Reisekosten der Angehörigen.
Wenn am dritten Jahrestag der Katastrophe der Loveparade um 17 Uhr die Kirchen in der Stadt die Glocken läuten lassen und alle Menschen in der Stadt aufgerufen sind, in einer Schweigeminute zu verharren, dann wird Manfred Reißaus zusammen mit seiner Ehefrau zum ersten Mal in der frisch erbauten Unglücksgedenkstätte am Tunnel stehen.
Jenem elenden Ort, an dem am 24. Juli 2010 nachmittags gegen 17 Uhr im verheerenden Gedränge und Geschiebe der Menschenmassen ihre Tochter Svenja zu Tode gekommen ist. Der Malermeister aus Bielefeld und seine Frau werden dann zusammen mit den anderen Familien der Loveparade-Toten – abgeschirmt von der Öffentlichkeit – Gelegenheit haben, den letzten Lebensort ihrer Kinder neu in Besitz zu nehmen.
Pflaster und Beton am Unglücksort
Sie werden ausprobieren, wie sich der Ort, an dem ihre Kinder starben, jetzt anfühlt, nachdem er mit Flüssigbeton, Zierrasen, Naturpflaster und viel frischer Erde zu einer „Gedenkstätte“ modelliert worden ist.
Er, seine Frau und ein paar andere Hinterbliebene haben schon ein paar Fotos von der Baustelle in Duisburg gesehen. „Es sieht ganz gut aus. Ich glaube, damit können wir zufrieden sein,“ sagt er. Wie seit drei Jahren wird dieser 24. Juli und der Besuch im Tunnel und auf der Rampe für die Reißaus ein schmerzhafter, ein Atem abschnürender Tag werden.
Hinterbliebene wollen keine kostspieligen Gedenkveranstaltungen
Wenn dieser Gedenktag also vorüber ist, werden auch jene Debatten um Reisekostenerstattungen, um Ombudsmänner, die man gar nicht kennt, um vermeintlichen oder realen mangelnden Respekt wieder ein wenig in den Hintergrund rücken. Doch noch ist es nicht so weit.
Was ist von der alten Rampe noch geblieben?
Was ist von der alten Rampe noch geblieben? Allein die bronzefarbene Gedenktafel der Stadt an einer Tunnelwand sowie die schmalen Steinstufen, über die so viele Menschen die Rettung aus dem tödlichen Gedränge suchten und die zu einem Symbol der Katastrophe geworden ist, sind übriggeblieben. Das Stellwerkhäuschen, für dessen Erhalt die Hinterbliebenen sich vehement eingesetzt hatten, ist längst abgerissen.
Der Gedenktag rückt ja erst näher und Manfred Reißaus sagt, dass sich die Hinterbliebenen gewünscht haben, nicht mehr so große und kostspielige Gedenkveranstaltungen wie in der Vergangenheit im Stadion oder vor dem Theater zu veranstalten. Weil das so viel Geld verschlingt. Geld, das man doch viel besser den Familien der Loveparade-Toten aus dem Ausland – Italien oder China – geben müsse, damit diese ohne eigene Kosten wirklich nach Duisburg zum Totengedenken anreisen können.
Baustelle Loveparade-Gedenkstätte
Dass der neue städtische Vermittler, der Ombudsmann Jürgen Widera, in der NRZ behauptete, die Frage der Reisekosten sei als Missverständnis geklärt, ist nach Worten von Jörn Teich, vom Verein „Lopa2010“, schon sehr ärgerlich. „Nichts ist geklärt! Alle müssen selber zahlen. Von Kostenübernahme durch die bereitgestellten 50 000 Euro der Stadt keine Spur!“ Überhaupt, wer denn dieser Ombudsmann Widera sei? Teich: „Der Mann ist für die Menschen nie zu erreichen. Kein Wunder, dass er dann zu der Ansicht kommt, es werde ruhiger und weniger.“
Wunsch-Ombudsmann wird von der Stadt ignoriert
Der Wunsch-Ombudsmann der Initiative, Michael Rubinstein, werde von der Stadt schlichtweg ignoriert. Jörn Teich, der Sprecher der Initiative, der damals bei der Loveparade mit seinem vierjährigen Kind nur knapp dem Desaster entkam, ist noch heute voller Emotion. Die Betroffenen, sie würden fallengelassen, aber zum Jahrestag hofiert, weil die Presse zuschaue.
Familie Reißaus ist mit dererlei Urteilen zurückhaltend: „Eigentlich brauchen wir keinen Ombudsmann, wir machen das alles selber klar. Aber wenn er schon mal da ist, dann sollte er sich doch vielleicht mal bekannt machen bei den Menschen und Eigeninitiative entwickeln...“
"Sehr viel Mühe gegeben"
Das harte Urteil des Initiativen-Sprechers Teich, auch das neue Stadtoberhaupt Sören Link hätte bei den Loveparade-Hinterbliebenen mittlerweile gewonnenes Vertrauen längst verspielt, sieht Reißaus ganz anders: „Der OB hat sich mit uns wirklich sehr viel Mühe gegeben. Und er hat ja selber viel anderes zu tun mit einem Haufen neuer Probleme in der Stadt.“
Im übrigen – so Reißaus – könne er sich gut vorstellen, dass die Duisburger Bürger auch endlich zur Ruhe kommen wollten, mit der Loveparade-Katastrophe vom Juli 2010.