Duisburg. . Keine Kenntnis, keine Verantwortung: Duisburgs Ex-Oberbürgermeister Adolf Sauerland hat immer betont, nur am Rande in die Vorbereitung der Loveparade involviert gewesen zu sein. Der Abschlussbericht der Polizei sagt etwas anderes. Demnach war Sauerland sehr wohl über die Planung informiert.
Als am 24. Juli 2010 in Duisburg 21 Menschen starben und über 500 verletzt wurden, ließ der amtierende Oberbürgermeister der Stadt, Adolf Sauerland (CDU), nach außen keinen Zweifel: Er trägt persönlich keine Schuld an der Katastrophe.
Die Ermittler der Staatsanwaltschaft gaben ihm später weitgehend recht. Sie führen Sauerland nicht als Beschuldigten im seit drei Jahren andauernden Loveparade–Verfahren. Doch interne Dokumente, die unserer Redaktion vorliegen, nähren Zweifel an Sauerlands tatsächlicher Rolle. Der Oberbürgermeister war nach Ansicht der Ermittler besser in die Planungen involviert, als er später zugeben wollte.
Die Geschichte der Katastrophe, wie Sauerland sie sieht, ist schnell erzählt. In seiner Vernehmung sagte er aus, nur ganz am Rande mit der Loveparade befasst gewesen zu sein. Hier und da habe er mal etwas über die anstehenden Genehmigungen gehört, aber nichts Wesentliches. Seine Sorge habe höchstens dem fehlenden Geld gegolten. Ansonsten sei alles von seinen Untergebenen in der Verwaltung in eigener Verantwortung erledigt worden. Er habe sich nur „nach Maßgabe des Beschlusses des Rates der Stadt“ für die Loveparade eingesetzt, „sofern sie genehmigbar ist“. Druck habe es nicht gegeben, sagt Sauerland. Nicht durch ihn, nicht auf ihn und auch gegen keinen in der Stadt.
Mitarbeiter der Stadt beschwerten sich über Druck von oben
Oft betont Sauerland, dass er wenige konkrete Erinnerungen habe.
Aus dem Abschlussbericht der ermittelnden Polizei zur Rolle von Sauerland in der Causa heißt es dagegen, Sauerland sei sehr wohl über die „wesentlichen“ Abläufe und Probleme bei der Planung der Loveparade informiert gewesen. So stellten die Ermittler fest, dass kritische Papiere Richtung Sauerland verschickt worden seien. In einem Vermerk an das Sauerland-Büro wird etwa festgehalten, dass das Bauamt die Verantwortung für die Loveparade ablehnt. An anderer Stelle heißt es in einer E-Mail, dass „sich jetzt der OB einschalten“ müsse, um Konflikte in der Verwaltung um das Sicherheitskonzept zu lösen. Zudem wird in den Ermittlungsunterlagen berichtet, dass sich Mitarbeiter der Stadtverwaltung über Druck von oben beschweren und dass Chefs Einwände nicht hören wollten.
Widerstände, die früh auffielen. Schon zu Beginn der Planungen im November 2009 hatte Loveparade-Anwalt Christof Elßner geschrieben: „Gleichwohl sollte man auf Seiten der Stadt ein bisschen ein Auge drauf haben, dass die unteren Ebenen der Stadt nicht vergessen, dass es sich um ein gemeinsames Projekt handelt.“ Vielleicht sollte man die Stadtspitze „über die Unruhe“ in ihrem Lager informieren.
Hat Sauerland auch über Rabe im Sinne der Loveparade-Macher eingegriffen?
Als Ansatzpunkt für Druck wird in der E-Mail der Beigeordnete Wolfgang Rabe genannt - der Mann, den Sauerland zum Koordinator der Monster-Party gemacht hatte.
Hat Sauerland auch über Rabe im Sinne der Loveparade-Macher eingegriffen? Sauerland bestreitet das vehement. Und die Ermittler wissen es nicht wirklich.
Denn Sauerland hatte laut Ermittlungen seine eigene Methode, Duisburg zu regieren. Er unterschrieb nur das Nötigste. Ansonsten ließ er Dezernent Rabe als Koordinator agieren. Dieser sollte die Wünsche des Oberbürgermeisters durchsetzen. Und Rabe spurte. In einer Besprechung mit Untergebenen der Stadtverwaltung ließ er im Namen Sauerlands ausrichten, „dass der OB die Veranstaltung wünsche“ und für Probleme Lösungen gefunden werden müssten. So baut man Druck auf. Der Mächtige lässt Wünsche ausrichten, und wer nicht mitmacht, muss mit Konsequenzen rechnen.
Auffällig saubere E-Mail-Postfächer und kaum Dokumente
Nach Aktenlage ist Sauerland derzeit sicher. Es ist unklar, ob von seinen wichtigsten Beigeordneten möglicherweise belastende E-Mails an ihn gesendet worden sind. Das Dienstpostfach des Loveparade-Koordinators Rabe war sauber. Ein Ermittler schrieb, der Verdacht liege nahe, dass versendete E-Mails zur Loveparade gezielt gelöscht wurden. Zudem sagten Sauerlands engste persönliche Mitarbeiter bei der Staatsanwaltschaft im Wesentlichen aus, sie könnten sich nicht erinnern, ob und wann Sauerland von wichtigen Papieren erfahren habe. Dokumente, Aussagen zu überprüfen, gibt es nur wenige.
Im E-Mail-Postfach von OB Sauerland lagen nur zwei E-Mails zum Thema Loveparade, die die Ermittler interessierten. Eine beschreibt die Leute, die der Oberbürgermeister zum Feiern auf der Loveparade treffen sollte. Eine befasst sich mit einer öffentlichen Erklärung zu den Opfern nach der Loveparade. Mehr nicht.
Ob der Oberbürgermeister nebenher noch etwas mündlich geregelt hat, und wenn ja mit wem? Das wissen die Ermittler nicht wirklich. Auf dem persönlichen Datenlaufwerk Sauerlands im Rathaus wurden „keine Daten“ gefunden. Eventuelle private Rechner oder E-Mail-Konten von Sauerland wurden ebenso wenig in den Ermittlungen berücksichtigt, wie SMS-Nachrichten auf seinem Handy.
Die Ermittler schreiben, aus den vorliegenden Daten lasse sich keine strafrechtliche Verantwortlichkeit von Sauerland ableiten.