Duisburg. Vor allem Blei und Cadmium verseuchen weite Teile der Stadt. Wie damit umzugehen ist, soll im Duisburger Süden nun ein erstes von insgesamt drei Bodenschutzgebieten regeln. Es gibt drei Teilgebiete mit unterschiedlichen Bestimmungen. Am stärksten betroffen ist Wanheim-Angerhausen.
Im Duisburger Boden schlummert der Dreck aus hundert Jahren Industriegeschichte und belastet 67 Quadratkilometer Fläche (ein Drittel des Stadtgebiets) erhöht, 27 davon stark mit Giftstoffen, Cadmium und Blei vor allem. Für den Duisburger Süden soll nun das erste von am Ende drei Bodenschutzgebieten detailliert für die Bürger regeln, wie mit den Altlasten umzugehen ist. Der Entwurf liegt vor und geht jetzt in die parlamentarische Beratung.
Wichtig zunächst: Es geht vor allem um Gärten und Gemüse. Das hat oft die unangenehme Eigenschaft, Cadmium aufzunehmen. Der Schutzplan rät Hobbygärtnern darum, den Anbau in vielen Bereichen einzuschränken und im stark belasteten Wanheim-Angerhausen sowie dem Norden von Hüttenheim ganz bleiben zu lassen.
Sanierte Spielplätze und Kleingärten sind sicher
Für einige Aufregung gesorgt hatte bereits die aus dem Bodenschutzgesetz übernommene Formulierung, dass bei Verstößen bis zu 50.000 Euro Strafe drohen. Andreas von der Heydt, Leiter des Umweltamtes, beruhigt allerdings, dass es in Duisburg keine teuren Knöllchen für illegale Radieschen geben wird. „Wir werden immer erst mit den Leuten sprechen. Schließlich geht es um ihren eigenen Schutz.“ Allerdings: Das vollständige Verbot für den Gemüseanbau gilt auch nur auf einer kleinen Fläche. An der Stelle sollte man den durchaus missverständlichen Begriff „Bodenschutzgebiet“ richtig deuten: Es geht nicht darum, sauberen Boden vor Bürgern zu schützen, sondern umgekehrt Bürger vor belasteten Böden.
Nicht mehr betroffen von den alten Industriegiften sind Spielplätze, die bereits vollständig saniert wurden, und die 106 städtischen Kleingartenanlagen. Die letzten Parzellen von Laubenpiepern werden gerade von Altlasten befreit.
Weitere Gebiete folgen ab 2015
Bei der Ausweisung von Bodenschutzgebieten kommt Duisburg in NRW eine Pilotrolle zu. Die Stadt ist die erste, die ein solches Regelwerk erlässt, ist damit Vorreiter in NRW, so von der Heydt. Die Fachwelt zeige bereits großes Interesse an der Arbeit der hiesigen Umweltexperten. Denn vergleichbare Nöte gibt es im ganzen von Industrie geprägten Ruhrgebiet.
Untersuchungen nach Störfall
Dass Duisburg die erste Stadt mit einem so weitreichenden Bodenschutzgebiet wird, ist einem Zufall zu verdanken: Nach einem Störfall bei Berzelius-Umwelt-Service 1999 hatten Analytiker in der Stadt nach Dioxin gesucht, aber Blei und Cadmium gefunden.
Aus detaillierten Erhebungen zur Bodenqualität entstand eine Belastungskarte, die nun Grundlage ist für die Ausweisung der Schutzgebiete.
Am Schutzgebiet für den Westen wird im Umweltamt derzeit parallel gearbeitet. Der Entwurf soll Anfang 2015 vorgelegt werden. Im Norden sind noch ergänzende Bodenproben erforderlich, für die die Stadt Fördergelder erwartet. Hier soll die Belastungskarte samt Regelwerk bis Anfang 2016 erstellt werden.
Übersicht: Was bedeuten die Altlasten im Boden ?
Was bedeuten die Altlasten im Boden für den Duisburger Süden und wie sollten die Menschen damit umgehen? Das erklärt die Karte zum ersten von drei Duisburger Schutzgebieten. Südlich der Ruhr und östlich des Rheins wurden drei Teilgebiete festgelegt, für die jeweils eigene Regeln gelten.
Wichtig: Parallel zu den Schutzgebieten führt die Stadt auch ein „Weißkataster“ für unbelastete oder sanierte Einzelflächen. Hier werden die Schutzregelungen außer Kraft gesetzt.
Das Bodenschutzgebiet mit den drei Teilgebieten
Teilgebiet 1
Die knapp 1,9 Quadratkilometer große Fläche umfasst Wanheim-Angerhausen und das nördliche Hüttenheim mit rund 700 privaten Gärten. Hier werden die Grenzwerte für Blei und Cadmium oft deutlich überschritten. Die Prüfer fanden 700 bis 955 mg Blei pro Kilo Erde, 200 gelten bereits als kritisch. Auch der Wert für Cadmium ist manchenorts ums Fünffache (bis zehn Milligramm pro Kilo Boden) überschritten.
Um kein Blei aufzunehmen, sollten vor allem Kleinkinder den Kontakt mit Boden meiden, sich gründlich die Hände waschen. Der Gemüseanbau ist komplett untersagt. Mit Geld vom Altlastensanierungsverband sollen hier – wo erforderlich – auch Grundstücke saniert werden. Christof Ibels, Projektleiter fürs Bodenschutzgebiet im Umweltamt: „In diesem Teilgebiet stehen wir mit jedem Gartenbesitzer in Kontakt.“ Im November ist für dieses Teilgebiet noch eine Bürgerversammlung geplant.
Teilgebiet 2
Hier sind die Belastungen insgesamt niedriger, für Cadmium aber immer noch hoch genug, um den Gemüseanbau einzuschränken. Mehr als zehn Quadratmeter sollte kein Hobbygärtner mehr beackern. Umweltamtsleiter Andreas von der Heydt: „Bei dieser Anbaufläche wird die Cadmium-Aufnahme nicht kritisch und zehn Quadratmeter Gemüsegarten sind immer noch ziemlich viel. Wer mehr hat, der muss sich allerdings einschränken.“
Übrigens: Sträucher und Obstbäume sind unkritisch. Sie nehmen kein Cadmium auf.
Das Teilgebiet 2 umfasst auf knapp zwanzig Quadratkilometern die Stadtteile (ganz oder in Teilen) Kaßlerfeld, Duissern, Neuenkamp, Hochfeld, Dellviertel, Wanheimerort, Wanheim-Angerhausen, Buchholz, Huckingen und Hüttenheim.
Teilgebiet 3
Im Teilgebiet 3 stellten die Analytiker auf gut vierzig Quadratkilometern Stadtgebiet zwar immer noch erhöhte Schadstoffwerte fest, allerdings keine Spitzen, die Maßnahmen zur Gefahrenabwehr nötig machen. Besondere Regeln gelten lediglich, wenn größere Mengen Erde bewegt werden – etwa um eine Baugrube für einen Keller auszuheben. Um die fachgerechte Entsorgung wird sich aber jeweils der Bauunternehmer kümmern.
Weitere Infos: Im Rathaus gibt es für alle Fragen zum Thema eine Bodenschutz-Hotline, erreichbar unter 0203 / 283 2777 sowie eine Umfangreiche Info-Broschüre auf www.duisburg.de
Vom Umgang mit der Gefahr - ein Kommentar von Ludger Böhne
Es gab diese schrille Zuspitzung: 50.000 Euro Strafe für illegalen Gemüseanbau. Das ist Unfug. Die Bürger sollten das Bodenschutzgebiet, die Erkenntnisse darin und die daraus abgeleiteten Regeln als das verstehen, was sie sind: Ein Instrument, um sich selbst zu schützen und vor allem Kinder. Denn dank der detaillierten Karte lässt sich sehr genau sagen, wo Böden wie stark belastet sind. Wer dennoch partout Cadmium-Kohlrabi verzehren möchte, dem ist eben nicht zu helfen.
Diskutiert wird natürlich die Frage nach der Haftung. Sie wird unbeantwortet bleiben. Der Dreck im Boden in dieser Ausdehnung stammt sicher zu einem großen Teil von der früheren Metallhütte Berzelius (später Sudamin, ging 2005 pleite). Aber letztlich ist er der Preis für 150 Jahre Industriegeschichte. Die Duisburger werden lernen müssen, mit den Altlasten zu leben. Man kann ja kaum weite Teile des Stadtgebiets auskoffern.
Gut auch, dass der Bodenbelastung keine Geldbörsenbelastung für die Bürger folgen soll. Wo tatsächlich saniert und Erde ausgetauscht werden muss, springt für die Kosten der Altlasten-Sanierungs- und Aufbereitungs-Verband (AAV) ein – ein Fonds, in den Städte, andere Körperschaften und Industrie einzahlen.