Duisburg. . Ein neuer Entdeckungsführer über das Ruhrgebiet führt an 111 ausgewählte Orte, die Geschichte und Geschichten über das Revier und seine Menschen erzählen. 14 dieser bemerkenswerten Orte sind in Duisburg zu finden. Die ausgegrabenen und neu erzählten Anekdoten bieten schönen Schmökerstoff.

Ralf Koss und Stefanie Kuhne haben einen neuen Entdeckungsführer über das Ruhrgebiet geschrieben. Das Autoren-Duo führt seine Leser in diesem Band, der ab heute im Buchhandel erhältlich ist, an 111 ausgewählte Orte, die Geschichte und Geschichten über das Revier und seine Menschen erzählen.

14 dieser bemerkenswerten Orte sind in Duisburg zu finden. Dank der teils in Vergessenheit geratenen, nun aber wieder ausgegrabenen und neu erzählten Anekdoten sowie dank des tollen Bildmaterials bietet das 240-seitige Stück Schmökerstoff seinen Lesern durchweg spannende Ruhrgebiets-Historie zum Anfassen.

Schreibwerkstätten in Duisburg

„Wir wollten bekannten Orten etwas Unbekanntes abgewinnen“, beschreibt Ralf Koss die Herangehensweise an sein sechstes Buchprojekt. Der 53-Jährige lebt heute in Köln, ist aber in Duisburg geboren, aufgewachsen und in seiner alten Heimat nach wie vor fest verwurzelt. So leitet Koss hier zwei Schreibwerkstätten. Eine in Kooperation mit der Psychosozialen Arbeitsgemeinschaft im Schifferkinderheim in Ruhrort. Die andere im Marxloher Jugendzentrum „Zitrone“, wo er auch eine offene Lesebühne etabliert hat, auf der Jugendliche Texte vor Publikum vortragen können.

Bekannt ist Koss zudem unter seinem Künstlernamen Kees Jaratz als Betreiber des „Zebrastreifenblogs“ – einer Internetseite des Autoren, auf der sich der Kultur- und Fußballjournalist mit viel Herz und Hingabe über seinen geliebten Klub MSV Duisburg auslässt.

Der Basketballfreiplatz in Kaßlerfeld

Acht Monate Arbeit haben Koss und Kuhne in das Buch gesteckt. „Wir wollten aber nicht nur alte Industriegeschichte erzählen, sondern wir wollten Vergessenes vorholen, das für unsere Gegenwart wichtig ist“, so Koss. „Die Identität des Ruhrgebiets definiert sich eben nicht nur über Industriekultur und Industriegeschichte. Wir wollen Verborgenes ans Tageslicht holen.“

Etwa der Basketballfreiplatz in Kaßlerfeld: Dort am Ruhrdeich, wo einst deutsche und französische Männer unter freiem Himmel gemeinsam auf Korbjagd gingen, ist heute ein großes Autohaus zu finden. Koss und Kuhne fanden heraus, dass dort eine Art Betriebssportgruppe aktiv war, die zur französischen Staatsspedition „Compagnie Générale pour la Navigation du Rhin“ gehörte. In diesem Schifffahrtsunternehmen fragte eines Tages im Jahr 1949 auch der Platzwart der Tennisanlagen des VfvB Ruhrort/Laar nach Arbeit. Er erinnert an die brach liegenden Tennisanlagen am Ruhrdeich. In zweijähriger Eigenarbeit entsteht dort der Basketballplatz. „Das war Völkerverständigung pur – klein, aber wirksam“, so Koss.

Die Brotfabrik Germania und Schlingensief im Landschaftspark

Erinnert wird auch an die Brotfabrik Germania in der Straße Im Holtkamp, von der aus nicht „Kordahs Brot“ und andere Backwaren ausgefahren wurden, sondern illegal auch die Zeitung der ins Ausland emigrierten Sozialdemokraten während der Nazi-Zeit.

Lesenswert ist auch das Kapitel über den Landschaftspark Nord und den inzwischen verstorbenen Filmregisseur Christoph Schlingensief, der dort 1990 „Das deutsche Kettensägenmassaker“ drehte. „Landschaftspark und Schlingensief verbindet aber noch mehr“, so Koss. „Beide sind einst ohne jede Anerkennung gestartet, beide standen danach aber schnell in der Mitte des Kulturgeschehens.“

Weitere Orte aus Duisburg, die in diesem Buch besprochen werden, sind: das Delfinarium, das Mercatorhaus, der Karl-Lehr-Brückenzug, der Tonhallen-Park, die alte Seifenkisten-Piste in Neudorf, das alte Stadion des Duisburger Spielvereins am Grunewald, das Stadion an der Westender Straße, der Stadtwald, der Werfthafen und die Walzwerkhalle.

„111 Orte im Ruhrgebiet, die uns Geschichte erzählen“, Emons Verlag, 240 S., 14,95 Euro, ISBN: 978-3-95451-415-1.

Geschichtsträchtige Orte in Duisburg

Im ersten Delfinarium Mitteleuropas schwimmen seit 1965 Delfine. Bis heute ist es für den Duisburger Zoo eine Besucherattraktion, auch wenn es immer wieder Kritik von Tierschützern gibt.
Im ersten Delfinarium Mitteleuropas schwimmen seit 1965 Delfine. Bis heute ist es für den Duisburger Zoo eine Besucherattraktion, auch wenn es immer wieder Kritik von Tierschützern gibt. © Volker Hartmann
Ein Blick auf den alten Werfthafen in  Duisburg-Ruhrort mit dem Kunstprojekt Blaue Grotte. Er ist den Buchautoren Symbol für die vielen Schimanski-Tatorte, die in Duisburg und insbesondere in Ruhrort gedreht wurden.
Ein Blick auf den alten Werfthafen in Duisburg-Ruhrort mit dem Kunstprojekt Blaue Grotte. Er ist den Buchautoren Symbol für die vielen Schimanski-Tatorte, die in Duisburg und insbesondere in Ruhrort gedreht wurden. © Lars Fröhlich /WAZ FotoPool
Der Landschaftspark Nord ist heute die Touristenattraktion von Duisburg. Ein Ort der Geschichte ist er schon wegen seiner langen Tradition als Wirtschaftsstandort. Zu den 111 Orten gehört er aber, weil Christoph Schlingensief hier seinen Film
Der Landschaftspark Nord ist heute die Touristenattraktion von Duisburg. Ein Ort der Geschichte ist er schon wegen seiner langen Tradition als Wirtschaftsstandort. Zu den 111 Orten gehört er aber, weil Christoph Schlingensief hier seinen Film "Das deutsche Kettensägenmassaker" drehte. © Stephan Glagla / WAZ FotoPool
Man sieht der Oberbürgermeister-Karl-Lehr-Brücke in Ruhrort ihre Geschichte nicht an. Nach dem Krieg kam man zwischen Kaßlerfeld und Ruhrort nur über eine löchrige Hängebrücke laufen. Ersatz kam in Form der Hohenzollernbrücke aus Köln, die Duisburg kaufen konnte. Aber auch die ist längst Geschichte.
Man sieht der Oberbürgermeister-Karl-Lehr-Brücke in Ruhrort ihre Geschichte nicht an. Nach dem Krieg kam man zwischen Kaßlerfeld und Ruhrort nur über eine löchrige Hängebrücke laufen. Ersatz kam in Form der Hohenzollernbrücke aus Köln, die Duisburg kaufen konnte. Aber auch die ist längst Geschichte. © www.blossey.eu
Wo sich heute ein Gewerbegebiet breit macht, war in den 50er Jahren ein Basketballfreiplatz. Hier wurde durch das damals noch exotische Spiel von jungen Männern die deutsch-französische Freundschaft gepflegt, bevor sich Politiker des Themas annahmen.Das Autohaus im Bild ist allerdings auch schon wieder Geschichte, es musste Insolvenz anmelden.
Wo sich heute ein Gewerbegebiet breit macht, war in den 50er Jahren ein Basketballfreiplatz. Hier wurde durch das damals noch exotische Spiel von jungen Männern die deutsch-französische Freundschaft gepflegt, bevor sich Politiker des Themas annahmen.Das Autohaus im Bild ist allerdings auch schon wieder Geschichte, es musste Insolvenz anmelden. © Stephan Eickershoff / WAZ FotoPool
Der Drittligist MSV Duisburg trainiert an der Westender Straße in Meiderich. Hier fand auch das legendäre Spiel in der Saison 1962/63 statt, mit dem die Zebras in die Bundesliga kamen.
Der Drittligist MSV Duisburg trainiert an der Westender Straße in Meiderich. Hier fand auch das legendäre Spiel in der Saison 1962/63 statt, mit dem die Zebras in die Bundesliga kamen. © Fabian Strauch / WAZ FotoPool
Am Uhlenhorst begeisterten die Deutschen Seifenkisten-Meisterschaften von den 50er Jahren bis 1972 die Massen. In diesem September gab es ein Revival, allerdings auf dem Alsumer Berg. Im Foto: Angelina (11) und Friedhelm (10) mit v.l. Dr. Joachim Bonn (Sparkasse Duisburg), Oberbürgermeister Sören Link , Herbert Mettler (SPD) und Jürgen Dietz (Geschäftsführer Duisburg Sport).
Am Uhlenhorst begeisterten die Deutschen Seifenkisten-Meisterschaften von den 50er Jahren bis 1972 die Massen. In diesem September gab es ein Revival, allerdings auf dem Alsumer Berg. Im Foto: Angelina (11) und Friedhelm (10) mit v.l. Dr. Joachim Bonn (Sparkasse Duisburg), Oberbürgermeister Sören Link , Herbert Mettler (SPD) und Jürgen Dietz (Geschäftsführer Duisburg Sport). © Stephan Eickershoff / WAZ FotoPool
Im Duisburger Stadtwald spielten sich am Ende des Zweiten Weltkriegs dramatische Szenen ab. Ralf Koss und Stefanie Kuhne beschreiben, wie die US-Armee die verbliebenen deutschen Streitkräfte in die Zange genommen hat.
Im Duisburger Stadtwald spielten sich am Ende des Zweiten Weltkriegs dramatische Szenen ab. Ralf Koss und Stefanie Kuhne beschreiben, wie die US-Armee die verbliebenen deutschen Streitkräfte in die Zange genommen hat. © Fabian Strauch / WAZ FotoPool
Der Arbeitskampf um den Erhalt des Krupp-Werks Rheinhausen ist ein Stück Stadtgeschichte. Die Buchautoren erinnern an ein Solidaritätskonzert in der Walzwerkhalle. Im Bild: die ehemalige  Verwaltung  des Krupp-Werks an der Franz-Schubert-Straße.
Der Arbeitskampf um den Erhalt des Krupp-Werks Rheinhausen ist ein Stück Stadtgeschichte. Die Buchautoren erinnern an ein Solidaritätskonzert in der Walzwerkhalle. Im Bild: die ehemalige Verwaltung des Krupp-Werks an der Franz-Schubert-Straße. © Volker Herold / WAZ FotoPool
Letztes Jahr widmete sich eine Ausstellung dem Thema unter dem Motto
Letztes Jahr widmete sich eine Ausstellung dem Thema unter dem Motto "Die Germania Brotfabrik und der Widerstandskreis um August Kordahs" im Restaurant Fish & More in Duisburg Hamborn.Dr Hartmut Pietsch berichtete von den findigen, sozialdemokratischen Bäckern, die Flugblätter in Zwiebackdosen verteilten , um gegen die nationalsozialistische Herrschaft zu protestieren. Die Widerstandsgruppe wurde 1935 enttarnt. Der ehemalige Firmensitz in Hamborn beherbergte zuletzt einen Spielzeughandel. © Fabian Strauch / WAZ FotoPool
2013 wurden die Grundmauern des Mercatorhauses gegenüber dem Rathaus entdeckt. Jetzt soll es wieder aufgebaut werden. Hier entwickelte der Kartograph Gerhard Mercator 1569 die erste Weltkarte.
2013 wurden die Grundmauern des Mercatorhauses gegenüber dem Rathaus entdeckt. Jetzt soll es wieder aufgebaut werden. Hier entwickelte der Kartograph Gerhard Mercator 1569 die erste Weltkarte. © Stephan Eickershoff / WAZ FotoPool
Wo zwischen Stadttheater und City Palais die hängenden Gärten zum Ausruhen einladen, hatte früher der Park der Tonhalle seinen Platz. Und die Lehmbruck-Skulptur
Wo zwischen Stadttheater und City Palais die hängenden Gärten zum Ausruhen einladen, hatte früher der Park der Tonhalle seinen Platz. Und die Lehmbruck-Skulptur "Die Kniende", die vor allem konservative Gemüter zu heftigem Protest animierte. © Stephan Eickershoff / WAZ FotoPool
Der Duisburger SV setzte 1905 einen Zaun - und wurde so zum Mitbegründer des Phänomens Fußballstadion. Vom damaligen Stadion am Grunewald ist heute allerdings nichts mehr zu sehen.
Der Duisburger SV setzte 1905 einen Zaun - und wurde so zum Mitbegründer des Phänomens Fußballstadion. Vom damaligen Stadion am Grunewald ist heute allerdings nichts mehr zu sehen. © Luftbild: Hans Blossey / WAZ FotoPool
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