Duisburg. . Ein möglicher Loveparade-Prozess kann wegen neuerlicher Verzögerung nicht vor 2015 beginnen. Hinterbliebene wie Klaus-Peter Mogendorf sind das Warten leid. Verärgerung herrscht auch wegen der vergessenen Weitergabe von Datenmaterial durch die Staatsanwaltschaft.

Klaus-Peter Mogendorf ist hörbar verärgert. „Ich hatte das schon erwartet“, sagt der Vater von Eike Mogendorf – sein Sohn zählte zu den 21 Todesopfern der Loveparade-Katastrophe – mit Blick auf die neuerliche Verzögerung des Zwischenverfahrens. Am Mittwoch hatte das Landgericht Duisburg mitgeteilt, dass mit einer Eröffnung des Hauptverfahrens in diesem Jahr nicht mehr zu rechnen sei.

Grund dafür sind die Beschwerden von Verteidigern einiger Angeklagter, die die Aussagekraft des Gutachtens eines britischen Experten über die Ein- und Auslasssituation am damaligen Loveparade-Gelände anzweifeln und die Unbefangenheit des Sachverständigen in Frage stellen. Die Staatsanwaltschaft Duisburg will darauf reagieren, weitere Infos einholen und diese dem Gericht dann vorlegen. Das wird dauern.

LoveparadeZudem wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft es bislang versäumt hatte, dem Gericht die Originaldaten von ausgewähltem Bildmaterial zuzuleiten, das für das Verfahren wichtig ist. Die Rede ist von 90 DVDs und einigen CD-Roms. Die Ergebnisse der Datenauswertung seien zwar Bestandteil der Akte, betonte die Staatsanwaltschaft, dennoch soll das gesamte Material nun in geordneter Form allen Verfahrensbeteiligten zur Verfügung gestellt werden. Also wird es auch Klaus-Peter Mogendorf erhalten. Gemeinsam mit seiner Frau Stefanie tritt der Hinterbliebene im Prozess (so er denn eröffnet wird) als Nebenkläger auf – entgegen ursprünglicher Pläne. „Wir haben uns aber in dem Moment umentschieden, als wir davon hörten, dass bei der Anklageerhebung in Duisburg einigen Eltern von Opfern der Zutritt zur Halle verweigert wurde.“

Lücken und Unvollständigkeiten in Klageschrift

Mogendorf geht nach wie vor davon aus, dass es zu einem Hauptverfahren kommt. „Das muss auch so sein.“ Dieser Prozess wird nun aber frühestens in 2015 beginnen – also mindestens viereinhalb Jahre nach dem Katastrophentag vom 24. Juli 2010. Mogendorf und sein neuer Rechtsbeistand haben nach Durchsicht der Anklageschrift bereits Lücken und Unvollständigkeiten entdeckt – etwa was die Rolle von Professor Schreckenberg betrifft, der im Vorfeld der Loveparade ein Gutachten des Veranstalters auf seine Plausibilität hin prüfen sollte. Auch das Ausklammern der Polizei als Teilverantwortliche für die Katastrophe durch die Staatsanwaltschaft kann Mogendorf, wie so viele andere Angehörige und Hinterbliebene auch, nicht nachvollziehen. Kein Polizist zählt zum Kreis der zehn Angeklagten – genauso wenig wie Ex-OB Sauerland, Lopavent-Chef Schaller und Ex-Ordnungsdezernent Rabe.

Chronik einer Katastrophe

Auch am vierten Jahrestags der Loveparade-Katastrophe am Donnerstag, 24. Juli, wird es  Gedenkfeiern geben. Vor der öffentlichen Gedenkfeier am Mahnmal trauern zwischen 15 und 17.30 Uhr die Hinterbliebenen sowie die Verletzten und Traumatisierten nacheinander an der Gedenkstätte im Tunnel und zwar allein! Für die Öffentlichkeit ist der Tunnel in dieser Phase gesperrt.
Auch am vierten Jahrestags der Loveparade-Katastrophe am Donnerstag, 24. Juli, wird es Gedenkfeiern geben. Vor der öffentlichen Gedenkfeier am Mahnmal trauern zwischen 15 und 17.30 Uhr die Hinterbliebenen sowie die Verletzten und Traumatisierten nacheinander an der Gedenkstätte im Tunnel und zwar allein! Für die Öffentlichkeit ist der Tunnel in dieser Phase gesperrt. © dpa
In seiner letzten Sitzung vor der Kommunalwahl hat der Duisburger Rat den Beigeordneten Wolfgang Rabe abgewählt. Er ist seit der Loveparade Katastrophe in seinem Amt umstritten gewesen.
In seiner letzten Sitzung vor der Kommunalwahl hat der Duisburger Rat den Beigeordneten Wolfgang Rabe abgewählt. Er ist seit der Loveparade Katastrophe in seinem Amt umstritten gewesen. © Stephan Eickershoff / WAZ FotoPool
Dreieinhalb Jahre nach der Katastrophe bei der Loveparade in Duisburg hat die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen beendet. Am 11. Februar 2014 gab sie bekannt, gegen welche mutmaßlich Verantwortlichen Anklage erhoben wurde.
Dreieinhalb Jahre nach der Katastrophe bei der Loveparade in Duisburg hat die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen beendet. Am 11. Februar 2014 gab sie bekannt, gegen welche mutmaßlich Verantwortlichen Anklage erhoben wurde. © Stephan Eickershoff / WAZ FotoPool
Großer Rummel bei der Pressekonferenz: Oberstaatsanwalt Michael Schwarz, Horst Bien (Leiter der Staatsanwaltschaft Duisburg) und Staatsanwältin Anna Christiana Weiler erläutern, wer auf der Anklagebank Platz nehmen wird und wer nicht: Sechs Mitarbeiter aus dem Baudezernat der Stadt, darunter Planungsdezernent Jürgen Dressler und vier Mitarbeiter des Veranstalters Lopavent sollen sich dafür vor Gericht verantworten.
Großer Rummel bei der Pressekonferenz: Oberstaatsanwalt Michael Schwarz, Horst Bien (Leiter der Staatsanwaltschaft Duisburg) und Staatsanwältin Anna Christiana Weiler erläutern, wer auf der Anklagebank Platz nehmen wird und wer nicht: Sechs Mitarbeiter aus dem Baudezernat der Stadt, darunter Planungsdezernent Jürgen Dressler und vier Mitarbeiter des Veranstalters Lopavent sollen sich dafür vor Gericht verantworten. © Stephan Eickershoff / WAZ FotoPool
Rückblick: Was am 24. Juli 2010 als fröhliches Techno-Spektakel...
Rückblick: Was am 24. Juli 2010 als fröhliches Techno-Spektakel... © dpa
... rund um den ehemaligen Güterbahnhof in Duisburg begann,...
... rund um den ehemaligen Güterbahnhof in Duisburg begann,... © dpa
... endete in einer Tragödie: Der einzige Weg zum und vom Veranstaltungsgelände führte durch einen Tunnel an der Karl-Lehr-Straße. Dort...
... endete in einer Tragödie: Der einzige Weg zum und vom Veranstaltungsgelände führte durch einen Tunnel an der Karl-Lehr-Straße. Dort... © dpa
... entstand am Nachmittag ein so starkes Gedränge,...
... entstand am Nachmittag ein so starkes Gedränge,... © Peter Malzbender/WAZ FotoPool
... dass es zu einer Massenpanik kam.
... dass es zu einer Massenpanik kam. © dpa
21 Menschen starben im Gedränge, mehrere Hundert  wurden verletzt, viele Besucher sind bis heute traumatisiert. Die Staatsanwaltschaft ermittelte zunächst wegen fahrlässiger Tötung gegen unbekannt.
21 Menschen starben im Gedränge, mehrere Hundert wurden verletzt, viele Besucher sind bis heute traumatisiert. Die Staatsanwaltschaft ermittelte zunächst wegen fahrlässiger Tötung gegen unbekannt. © dpa
25. Juli 2010, die erste Pressekonferenz im Rathaus der Stadt Duisburg nach der Katastrophe: Die Anwesenden - Sicherheitsdezernent Wolfgang Rabe, der stellvertretende Polizeichef Detlef von Schmeling, Lopavent-Chef Rainer Schaller und Oberbürgermeister Adolf Sauerland (v.l.) -...
25. Juli 2010, die erste Pressekonferenz im Rathaus der Stadt Duisburg nach der Katastrophe: Die Anwesenden - Sicherheitsdezernent Wolfgang Rabe, der stellvertretende Polizeichef Detlef von Schmeling, Lopavent-Chef Rainer Schaller und Oberbürgermeister Adolf Sauerland (v.l.) -... © Stephan Eickershoff/WAZFotoPool
... weisen eine Verantwortung für die Tragödie von sich.
... weisen eine Verantwortung für die Tragödie von sich. © dpa
Rainer Schaller kündigt an, nie wieder eine Loveparade zu veranstalten.
Rainer Schaller kündigt an, nie wieder eine Loveparade zu veranstalten. © Stephan Eickershoff/WAZFotoPool
Am 31. Juli 2010 findet in der Duisburger Salvatorkirche die zentrale Trauerfeier für die Loveparade-Opfer statt, zu der unter anderem Kanzlerin Angela Merkel sowie der damalige Bundespräsident Christian Wulff kommt.
Am 31. Juli 2010 findet in der Duisburger Salvatorkirche die zentrale Trauerfeier für die Loveparade-Opfer statt, zu der unter anderem Kanzlerin Angela Merkel sowie der damalige Bundespräsident Christian Wulff kommt. © REUTERS
Hannelore Kraft, zu diesem Zeitpunkt erst seit Kurzem NRW-Ministerpräsidentin, hält - selbst sichtlich bewegt - eine Rede und spricht den Angehörigen ihr Mitgefühl aus.
Hannelore Kraft, zu diesem Zeitpunkt erst seit Kurzem NRW-Ministerpräsidentin, hält - selbst sichtlich bewegt - eine Rede und spricht den Angehörigen ihr Mitgefühl aus. © REUTERS
Der Unglücksort an der Karl-Lehr-Straße...
Der Unglücksort an der Karl-Lehr-Straße... © dpa
... wird derweil zur Pilgerstätte für Trauernde. Nach der Trauerfeier in der  Salvatorkirche zieht ein Schweigemarsch zum Tunnel.
... wird derweil zur Pilgerstätte für Trauernde. Nach der Trauerfeier in der Salvatorkirche zieht ein Schweigemarsch zum Tunnel. © Dirk Bauer/WAZ FotoPool
September 2010: Ein Gutachten für das NRW-Innenministerium sieht die Verantwortung für die Sicherheit bei der Stadtverwaltung und dem Veranstalter Lopavent. Die Stadt Duisburg weist in ihrem Bericht jede Verantwortung zurück.
September 2010: Ein Gutachten für das NRW-Innenministerium sieht die Verantwortung für die Sicherheit bei der Stadtverwaltung und dem Veranstalter Lopavent. Die Stadt Duisburg weist in ihrem Bericht jede Verantwortung zurück. © REUTERS
18. Januar 2011: Die Staatsanwaltschaft nimmt Ermittlungen gegen 16 mutmaßlich Verantwortliche auf: gegen den damaligen Einsatzleiter der Polizei sowie gegen Mitarbeiter der Stadt und des Veranstalters Lopavent. Sauerland und Lopavent-Chef Rainer Schaller gehören nicht zu den Beschuldigten.
18. Januar 2011: Die Staatsanwaltschaft nimmt Ermittlungen gegen 16 mutmaßlich Verantwortliche auf: gegen den damaligen Einsatzleiter der Polizei sowie gegen Mitarbeiter der Stadt und des Veranstalters Lopavent. Sauerland und Lopavent-Chef Rainer Schaller gehören nicht zu den Beschuldigten. © dpa
11. Juli 2011: Die Loveparade hätte so nicht genehmigt werden dürfen, heißt es in einem Zwischenbericht der Staatsanwaltschaft.
11. Juli 2011: Die Loveparade hätte so nicht genehmigt werden dürfen, heißt es in einem Zwischenbericht der Staatsanwaltschaft. © dpa
Erst ein knappes Jahr nach der Katastrophe hat Oberbürgermeister Adolf Sauerland sich zum ersten Mal bei den Opfern entschuldigt:
Erst ein knappes Jahr nach der Katastrophe hat Oberbürgermeister Adolf Sauerland sich zum ersten Mal bei den Opfern entschuldigt: "Als Oberbürgermeister dieser Stadt trage ich moralische Verantwortung für dieses Ereignis", sagt er im Juli 2011. Nur wenige Tage später... © REUTERS
... bekräftigt er aber noch einmal seine Sicht der Dinge:
... bekräftigt er aber noch einmal seine Sicht der Dinge: "Die Verwaltung der Stadt Duisburg hat keinen Fehler gemacht, der ursächlich zu dieser schrecklichen Katastrophe geführt hat." Die Stimmen,... © REUTERS
... die eine Abwahl des Oberbürgermeisters fordern, sind da längst unüberhörbar. Eine Bürgerinitiative...
... die eine Abwahl des Oberbürgermeisters fordern, sind da längst unüberhörbar. Eine Bürgerinitiative... © REUTERS
... setzt ein Abwahlverfahren durch. Am 12. Februar 2012 stimmen die Duisburger Bürger mit großer Mehrheit für die Abwahl Sauerlands. Sein Nachfolger...
... setzt ein Abwahlverfahren durch. Am 12. Februar 2012 stimmen die Duisburger Bürger mit großer Mehrheit für die Abwahl Sauerlands. Sein Nachfolger... © Stephan Eickershoff/WAZ FotoPool
... Sören Link (SPD), der an 1. Juli 2012 zum neuen Oberbürgermeister in Duisburg gewählt wurde, verspricht den Opfern und Angehörigen am zweiten Jahrestag der Katastrophe rückhaltlose Aufklärung.
... Sören Link (SPD), der an 1. Juli 2012 zum neuen Oberbürgermeister in Duisburg gewählt wurde, verspricht den Opfern und Angehörigen am zweiten Jahrestag der Katastrophe rückhaltlose Aufklärung. © dpa
Link sagt:
Link sagt: "Es war eine einzigartige Tragödie". Der ersten Tragödie sei aber eine zweite gefolgt, "die quälend lange Zeit der Sprachlosigkeit in der Stadt". © dpa
Sommer 2013: Drei Jahre nach dem Unglück wird endlich...
Sommer 2013: Drei Jahre nach dem Unglück wird endlich... © dpa
... die Gedenkstätte am Ort der Katastrophe eingeweiht. Um...
... die Gedenkstätte am Ort der Katastrophe eingeweiht. Um... © Stephan Eickershoff/WAZ FotoPool
... die Gedenkstätte hatte es ein langes Tauziehen zwischen Opfergruppen und dem neuen Besitzer des Geländes, einem Möbelunternehmer gegeben.
... die Gedenkstätte hatte es ein langes Tauziehen zwischen Opfergruppen und dem neuen Besitzer des Geländes, einem Möbelunternehmer gegeben. © dpa
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Mogendorf plant im Falle eines Hauptverfahrens, das wegen der Masse der Prozessbeteiligten und der erwarteten Medienvertreter in einer Messehalle in Düsseldorf stattfinden würde, so oft wie möglich vor Ort zu sein. Er und seine Frauen wollen Antworten. Mogendorf: „Wir ziehen das jetzt durch.“

Die Sicht der Betroffenen-Initiative LoPa 2010

Auch die Verletzten und Traumatisierten reagierten verärgert. „Wie haben nichts Anderes erwartet. Das ist einfach nur ein neues Auf-Zeit-Spielen“, kommentierte Dirk Schales, der Sprecher der Betroffenen-Initiative LoPa 2010, die jüngste Entwicklung. Die vergessene Datenweitergabe der Staatsanwaltschaft ans Gericht wertet er als „großen Vertrauensverlust“. Man könne nur hoffen, so Schales, dass bei den übrigen Ermittlungen mit mehr Sorgfalt gearbeitet worden sei.

Er würde sich inzwischen auch nicht mehr wundern, wenn das Hauptverfahren gar nicht mehr eröffnet würde. „Obwohl das der Super-Gau für alle Hinterbliebenen, Verletzten und Traumatisierten wäre“, so Schales. Kommt es zum Prozess, will die 100 Mitglieder umfassende Betroffenen-Initiative stets vor Ort präsent sein.