Duisburg. 37000 Seiten Ermittlungsakte, 800 Aktenordner Beweismittel und 900 Stunden Video-Material. Das ist das Fakten-Material, das dem Landgericht Duisburg vor dem Loveparade-Prozess zur Verfügung steht. Der neue Landgerichtspräsident Ulf-Thomas Bender spricht über die große Herausforderung.

Das Loveparade-Verfahren sieht Ulf-Thomas Bender als „eine große Herausforderung für das Landgericht“ an. „Von den Dimensionen her ist es ohne Beispiel in NRW und sprengt alle bekannten Rahmen“, sagte der neue Präsident des Landgerichts Duisburg im Gespräch mit unserer Zeitung.

Derzeit liefen noch Fristen zur Stellungnahme für die Verteidiger, so Bender. Auch die Staatsanwaltschaft muss sich noch zu Einwänden der Rechtsanwälte äußern. Dann wird das Gericht entscheiden, ob, gegen wen und wann das Hauptverfahren eröffnet wird. Bender vermutet: „Irgendwann 2015 wird der Prozess beginnen."

Prozess auf Düsseldorfer Messegelände

Das Verfahren stellt außergewöhnliche Anforderungen an die Justiz. „37 000 Seiten Ermittlungsakte, 800 Aktenordner Beweismittel und 900 Stunden Video-Material. Das ist eine Riesen-Herausforderung für die 5. Große Strafkammer, die das Verfahren führen muss.“ Der Prozess wird wie berichtet im Kongresszentrum CCD auf dem Düsseldorfer Messegelände stattfinden.

Für die Gerichts-Verwaltung sei das ein Kraftakt mit gewaltigem logistischen Aufwand, so Bender: „Wir müssen aus einem Kongresssaal einen Gerichtssaal machen.“ So muss unter anderem sichergestellt werden, dass die zahlreichen Verfahrensbeteiligten - Richter, Schöffen, Staatsanwälte, Angeklagte und Verteidiger, Nebenkläger und deren Anwälte und nicht zuletzt die Sachverständigen - vernünftig sitzen, die Juristen ihre Laptops betreiben können.

Einlasskontrollen

Und es müssen Vorkehrungen für den Einlass getroffen werden: „Wenn der jeweilige Verhandlungstag beginnt, müssen alle Besucher kontrolliert sein, muss jeder Pressevertreter seinen Platz gefunden haben.“ Und bei all dem geht der Betrieb im Landgericht in Duisburg während dieser Zeit ja ganz normal weiter.

Ulf-Thomas Bender rechnet auch „mit einem ungeheuren Ansturm der Medien“, ist aber zuversichtlich: „Wir sind darauf gut vorbereitet.“ So habe das Landgericht andere große Verfahren im Lande genauestens beobachtet.

Interview mit dem neuen Landgerichtspräsidenten Ulf-Thomas Bender 

Herr Bender, sie sind in Duisburg geboren und aufgewachsen, haben hier ihre juristische Karriere begonnen. Was ist das für ein Gefühl nun als Präsident des Landgerichts zurück zu kommen?

Ulf-Thomas Bender: Ein gutes Gefühl. Ich bin nach Hause gekommen. Ich habe mich auch in Düsseldorf, Kleve oder Köln wohl gefühlt. Aber ich bin und bleibe Duisburger, auch wenn ich meiner Frau - einer gebürtigen Rheinhauserin - zuliebe seit einigen Jahren ein Stückchen hinter der Stadtgrenze in Moers lebe. Und ich freue mich, dass das direkte Umfeld des Landgerichts sich deutlich besser präsentiert als zu meiner Zeit als Referendar vor über 30 Jahren.

Ulf-Thomas Bender: Ich bin und bleibe Duisburger.
Ulf-Thomas Bender: Ich bin und bleibe Duisburger. © Lars Heidrich

Und wie sieht das mit den baulichen Gegebenheiten der Justiz aus?

Bender: Es laufen Planungen für einen Erweiterungsbau an der Landgerichtsstraße. Dann könnte die veraltete Dependance des Amtsgerichts Duisburg an der Kardinal-Galen-Straße geschlossen werden und ein moderner gesicherter Schwurgerichtssaal entstehen. Und wir brauchen ein vernünftiges Hausgefängnis. Die Container, in denen Untersuchungshäftlinge derzeit vorübergehend untergebracht werden müssen, sind keine Dauerlösung. Ob und wann wir für die Planungen Geld vom Finanzminister bekommen ist aber ungewiss..

Und wie ist die Lage auf der personellen Seite?

Bender: Als Landgerichtspräsident bin ich Chef des Landgerichts, der drei Duisburger Amtsgerichte und der Amtsgerichte in Wesel, Dinslaken, Oberhausen und Mülheim mit insgesamt 1100 Beschäftigten. Wir kommen im Großen und Ganzen mit dem Personal aus. Allerdings sind in den vergangenen Jahren vor allem im nicht-richterlichen Bereich viele Stellen weggefallen. Es bleibt nichts liegen, aber die Belastung ist hoch.

Wie reagieren sie darauf, wenn jemand der Justiz vorwirft ein lahmer Haufen zu sein?

Bender: Natürlich gibt es immer wieder einzelne Verfahren, die ungewöhnlich lange dauern. Aber insgesamt sind die Erledigungszahlen und die durchschnittliche Dauer der Verfahren gut. Da können die Justizbeschäftigten ruhig ein wenig stolz auf sich sein.

Ulf-Thomas Bender sieht Handlungsbedarf beim Schaffen der technischen Voraussetzungen für den elektronischen Rechtsverkehr in Zivilprozessen ab 2018
Ulf-Thomas Bender sieht Handlungsbedarf beim Schaffen der technischen Voraussetzungen für den elektronischen Rechtsverkehr in Zivilprozessen ab 2018 © Lars Heidrich

Wo sehen sie in der Zukunft besondere Herausforderungen ?

Bender: Es gibt ein Gesetz zur Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs in Zivilprozessen. Die Umstellung auf die digitale Akte beginnt 2018 und soll 2022 abgeschlossen sein. Da bleibt nicht mehr viel Zeit, um die technischen Voraussetzungen zu schaffen. Ein zweiter Punkt ist der demografische Wandel. Möglicherweise werden sich die Aufgaben der Gerichte in den nächsten Jahren verschieben: So könnte es deutlich mehr Betreuungsverfahren und Nachlasssachen geben.

Was liegt ihnen hier im Hause besonders am Herzen?

Bender: Das Thema Gesundheits­management. Und damit meine ich mehr, als ab und zu mal einen Apfel und mehr Gemüse zu essen. Die Rahmenbedingungen am Arbeitsplatz müssen stimmen. Dazu gehört die technische Ausstattung ebenso wie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Und ein nötiges Maß an Anerkennung. Wenn all das stimmt, dann gehen die Leute gerne arbeiten und werden weniger krank.

Wie würden sie ihren Führungsstil beschreiben?

Bender: Ich gehe gerne auf Leute zu, rede mit ihnen. Hinter meinem Schreibtisch erfahre ich ja nichts über die Menschen. So bin ich derzeit dabei alle Amtsgerichte zu besuchen, mit vielen Amtsleitern bei der Stadt und den Chefs anderer Landesbehörden zu sprechen. Ich habe auch nach meinem Amtsantritt alle Kammervorsitzenden hier im Haus in deren Büros besucht. Der persönliche Eindruck ist wichtig.

Und was macht der Landgerichtspräsident in seiner Freizeit?

Bender: Meine Frau und ich haben seit 20 Jahren ein Opern-Abo in Duisburg. Wir gehen viel ins Theater. Und wenn ich die Zeit dafür finde, fahre ich Rad oder lese. Und ich grille leidenschaftlich gern.

Gas oder Holzkohle?

Bender: Beides. Meine Frau hat mir nämlich im vergangenen Jahr auch noch einen Gasgrill geschenkt.