Duisburg. Die Entscheidung, wann und ob nach der Loveparade-Tragödie das Hauptverfahren eröffnet wird, wird wohl erst 2015 fallen. Hauptgrund für die Verzögerung ist der Streit um das Gutachten des Massenforschers. Auch hatte die Staatsanwaltschaft aus Versehen Bilder und Videos nicht weitergeleitet.

Die Frage, ob überhaupt und wann ein Prozess zur Duisburger Loveparade-Katastrophe eröffnet wird, wird sehr wahrscheinlich nicht in diesem Jahr beantwortet werden. Das erklärt Bernhard Kuchler Sprecher des Duisburger Landgericht, das derzeit die Klage im Loveparade-Verfahren prüft. Bis zum 15. Oktober hatten die Verteidiger die Möglichkeit, ihre Stellungnahme zur Anklageschrift der Staatsanwaltschaft abzugeben.

Ein Grund ist der Streit um das Gutachten, auf dem die Anklage der Staatsanwaltschaft fußt. Das sieht die Ursache ausschließlich in der Planung der Loveparade, Bereits Ende August hatten einige Verteidiger die Ausführungen des Forschers Prof. Keith Still angezweifelt, sie warfen einer Mitarbeiterin des britischen Massenforschers Befangenheit vor. Expertin Sabine Funk hatte neben ihrer Gutachter-Tätigkeit nämlich gleichzeitig für das NRW-Innenministerium in einer Arbeitsgruppe gesessen, die sich ebenfalls mit der Loveparade beschäftigte. Loveparade

Staatsanwaltschaft hat keine Zweifel an Still-Gutachten

Klarheit darüber, inwiefern Sabine Funk nun an dem für die Ankläger wichtigen Gutachten mitgewirkt hat, soll nun eine Stellungnahme des Gutachters selbst schaffen, die die Staatsanwaltschaft angefordert hat. Bisher hat die Staatsanwaltschaft aber "keine Anhaltspunkte, die Zweifel an dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Still begründen könnten", so Oberstaatsanwalt Martin Fischer. "Dies gilt namentlich auch für die angebliche Befangenheit einer „Mitarbeiterin“ von Prof. Still."

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Sabine Funk habe der Staatsanwaltschaft bereits mündlich bestätigt, an der Erstellung des Gutachtens inhaltlich nicht beteiligt gewesen zu sein. Auch das Land hatte nach Bekanntwerden dieser Vorwürfe erklärt, keinen Interessenkonflikt zu sehen, da Vertreter der Polizei nicht im Verfahren angeklagt sind. Beate Schönhof, die einige der Verletzten und Hinterbliebenen anwaltlich vertritt, sieht hingegen eine Mitschuld der Polizei bei der Tragödie am 24. Juli 2010.

Staatsanwaltschaft leitet Daten aus Versehen nicht an Gericht weiter

Die Staatsanwaltschaft hat außerdem angekündigt, etwa 90 weitere DVDs und einige CD-ROMs mit Bildmaterial der Polizei dem Gericht zur Verfügung zu stellen, so Gerichtssprecher Kuchler. Zwar ist die Auswertung dieses Materials bereits Gegenstand der Akten, allerdings konnte die 5. Strafkammer, die die Anklage derzeit prüft, die elektronischen Originaldaten noch nicht selbst begutachten. Die hatte die Staatsanwaltschaft schlichtweg vergessen. Ein Versehen, wie es hieß.

Es handele sich laut Staatsanwaltschaft aber nur um einen geringen Teil. "Dem weit überwiegenden Teil der Auswertungsergebnisse (insgesamt 18 von 21 Sonderbänden) waren die zugrunde liegenden Bilddaten bereits beigefügt", so Oberstaatsanwalt Fischer. Auch sollen nun alle übrigen Verfahrensbeteiligten Einblick in das Material erhalten, so Kuchler weiter.

Offen ist aktuell noch, um welchen Zeitraum die gerade abgelaufene Stellungnahmefrist im Zwischenverfahren verlängert wird. Eine Entscheidung darüber wird es geben, wenn dem Gericht die Original-Bilder und Videos aus dem Ermittlungsverfahren zur Verfügung stehen. "Auch die Kammer muss das angekündigte Material erst sichten, bevor eine Entscheidung im Zwischenverfahren möglich ist", heißt es in der Pressemitteilung des Duisburger Landgerichts. Deshalb steht auch der Zeitpunkt eines möglichen Prozessbeginns weiter in den Sternen. (mawo)