Duisburg. Die Sparliste der Stadt Duisburg sorgt für Ärger. Aus den Parteien kommt schon Ablehnung. Viele Sparvorschläge gelten als „Ladenhüter“, andere Betroffene wie die Verbraucherzentrale sind geschockt. Und eine städtische Radaranlage auf der A-40-Rheinbrücke in Duisburg müsste zunächst genehmigt werden.
Rund eine Millionen Euro will die Stadt laut ihrer am Montag präsentierten Etatliste bei Rasern und Falschparkern zusätzlich kassieren, um Löcher im Haushalt zu stopfen. Blitzer auf der A 40-Rheinbrücke, ein 5. Radarwagen zehn zusätzliche Kontrolleure sind geplant. Und auch das Parken soll teurer werden.
So schnell wird allerdings nicht geblitzt: Bevor eine stationäre Geschwindigkeitsmessung an der Autobahn A 40 im Bereich der Neuenkamper Rheinbrücke veranschlagte 450.000 Euro in die klamme Stadtkasse schwemmen könnte, haben erst einmal diverse Behörden mitzureden.
Gute Gründe für Radarfallen
Klipp und klar sagt es Stefanie Klockhaus von der Düsseldorfer Bezirksregierung: „Grundsätzlich ist es möglich. Es muss aber ein Gefahrenmoment vorhanden sein, und der muss auch begründet sein.“ Das heißt beispielsweise, dass es an der Stelle der künftigen „Radarfalle“ nachweislich eine erhöhte Anzahl an Unfällen gibt. Dann könnte es eine Empfehlung geben, dort das Tempo zu kontrollieren. Die käme von einer Unfallkommission, an der Stadt, Bezirksregierung, Polizei und Landesbetrieb Straßen NRW mitwirken.
Schneller könnte ein Testat von Straßen NRW zum Aufbau einer Messstelle führen, wenn etwa festgestellt würde, dass die in die Jahre gekommene Brücke – die der maroden Rheinquerung in Leverkusen gleicht – ein Gefahrenmoment ist. Aber auch in diesem Falle, so Klockhaus, wären zunächst Alternativen zu prüfen wie etwa eine Tonnage-Begrenzung für Fahrzeuge. Die Überprüfungen der Brückenbausubstanz liefen derzeit, ein Ergebnis müsse abgewartet werden.
Sparvorschläge für den Duisburger Haushalt
Die Stadt wiederum führt rechtliche Gründe an, um im Bereich der Brücke genauer aufs Tempo zu blicken – und gegebenenfalls zu kassieren. Sie beruft sich darauf, als Ordnungsbehörde Geschwindigkeitsbeschränkungen überwachen zu können, die im Rahmen von Sanierungs- oder Sicherungsarbeiten an Brücken- und Tunnelbauwerken angeordnet werden. Das aber wäre dann kaum auf Dauer. Und in Essen mussten im vergangenen Jahr „Blitzer“ auf der A 40 stillgelegt werden, weil sich die Gefahrenstelle nach Abschluss der Autobahnbauarbeiten erledigt hatte – und damit auch der fest eingeplante Einnahmenposten der Stadt.
800.0000 Euro fehlen da dem Essener Kämmerer an erwarteten Einnahmen, die er im Etat fest verbucht hat. Seit Inbetriebnahme 2006 hatten die „Blitzer“ rund fünf Millionen Euro eingefahren.
Wie die Betroffenen in Duisburg auf das Streichkonzert reagieren
Martina Linn-Naumann ist immer noch geschockt. Wenn die vorgeschlagenen Einsparungen greifen, stünde erstmals auch ihr Kleinkunsttheater „Die Säule“ am Dellplatz vor dem Aus. „Ich kann verstehen, dass Duisburg sparen muss, aber eine Schließung hieße kaputt sparen. Da können sicher auch andere Lösungen gefunden werden.“ Wie diese konkret aussehen könnten – darüber möchte die Theater-Chefin nun vor allem mit den Verantwortlichen des Fördervereins sprechen. Sie sagt: „Wir müssen jetzt etwas bewegen.“
Ob Martina Naumann-Linn 2015 den 20. Geburtstag der „Säule“ noch feiern kann, ist fraglich. Das kleine Theater mit Platz für 99 Zuschauer, betont sie, sei eine Kulturinstitution in Duisburg, in dieser Form einzigartig in ganz Deutschland und bei den Bürgern auch über die Stadtgrenzen hinaus beliebt. „Bei unseren Veranstaltungen haben wir eine Auslastung von über 90 Prozent.“
Verbraucherberatung - Das wäre das Aus
Dass der Zuschuss zur Verbraucherberatung (127.000 Euro, verbucht als Spende der Wirtschaftsbetriebe) gestrichen werden soll, hat Marina Steiner überrascht. „Es gab vorher keine Signale, dass wir auf der Liste stehen.“ Die Streichung würde tatsächlich das Aus für die Beratung bedeuten, weil die gleiche Summe aus Landesgeldern wegfiele: Diese Zuwendung ist an städtische Mittel gebunden. Die Beratungsstelle in Duisburg sei „eh schon eine Sparversion“, so Steiner. Mit zweieinhalb Stellen bewältigt sie 20.000 Kontakte pro Jahr. Sie hofft auch im Sinne der Ratsuchenden auf Rettung: „In der Vergangenheit haben wir von Politik und Verwaltung immer positive Signale empfangen.“ Zumal: Im nächsten Februar könnte die Duisburger Beratungsstelle 40. Geburtstag feiern. Nach Veröffentlichung der Sparliste hätten am Dienstag bereits Bürger in der Beratungsstelle gefragt, wo sie für den Erhalt unterschreiben könnten.
Kombibad Homberg wieder auf der Sparliste
Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln: Jetzt schlägt die Stadt wieder vor, das Homberger KombiBad zu schließen. Nach langen Debatten war das Aus erst im vergangenen Jahr großes Thema. Eine Bürgerinitiative hatte sich gegründet, demonstrierte und hatte 16.000 Unterschriften gesammelt. Mit einem Teilerfolg. Der Freibad-Bereich blieb unter Regie des Stadtsportbundes erhalten. Das Hallenbad führt der Schwimmverein DSSC in Eigenregie. Die Aufgabe der Bäder in Großenbaum und Wanheim ist ohnehin geplant, aber erst wenn das private XXL-Bad in Huckingen realisiert wird.
So kommentieren Duisburger Politiker die Sparliste der Stadt
Für die SPD ist als erste Reaktion auf die Sparliste der Stadt klar: „Mit uns wird es keinen sozialen, sportlichen und kulturellen Kahlschlag in dieser Stadt geben. Duisburg muss lebens- und liebenswert bleiben“, so der SPD-Fraktionsvorsitzende Herbert Mettler. Auch dürften die Belastungen für junge Familien nicht so hoch sein, dass keiner mehr in der Stadt leben wolle, sagte Mettler zur WAZ.
Die SPD-Fraktion werde deshalb bis zur Haushaltsverabschiedung im November jede einzelne Maßnahme seriös prüfen und konkrete Vorschläge zur Gegenfinanzierung machen, wenn Sparmaßnahmen gestrichen werden. „Wir werden uns nicht vor der Verantwortung drücken. Die Aushebelung des Rates durch einen Sparkommissar ist für uns keine Alternative.“ Diese Verantwortung erwartet die SPD nun von allen im Rat vertretenen demokratischen Parteien. „Luftbuchungen oder virtuelle Haushaltsverbesserungen wird es mit uns nicht geben“, so Mettler, der aber auch betont: „Allein aus eigener Kraft ist die Haushaltssanierung nicht zu schaffen.“
CDU-Fraktionschef Rainer Enzweiler spricht von „Ladenhütern“ in der Sparliste: „Neue Ideen sind da nicht drin. Wir haben andere Vorstellungen.“ Zudem seien die eigentlichen Probleme, etwa bei den Stadtwerken und der DVG, ausgeklammert. Er fordert: „Jetzt muss alles auf den Tisch.“
FDP: Duisburg verliert durch diese Maßnahmen weiter an Attraktivität
„Das von der Verwaltung aufgestellte Sparpaket ist eine Aneinanderreihung von völlig untauglichen Sparvorschlägen. Sie sind einfalls- und richtungslos“: Mit diesen Worten kritisiert der Sprecher der FDP, Wilhelm Bies, die von der Verwaltung vorgelegten Sparmaßnahmen. Die Liberalen kritisieren den geplanten Kahlschlag bei Kultur und Sport bei gleichzeitiger Ausweitung der Verkehrsüberwachung.
Duisburg verliere durch diese Maßnahmen weiter an Attraktivität. „Wer bei Lernmitteln, Schulen und Bildung kürzt, handelt unverantwortlich und kurzsichtig“ so das FDP-Ratsmitglied Betül Cerrah. Bies ergänzt: „Allein nur ein Vorschlag von uns, z.B. die RWE-Aktien zu verkaufen, bringt der Stadt sofort etwa 4,6 Millionen Euro ein, also fast die Hälfte der Sparvorgabe. Die FDP kündigt an, dass auch bei diesen Haushaltsberatungen eine alternative Sparliste der FDP eingebracht wird.
Linken-Chefin kann mit mehr Blitzern gut leben
Für die Grünen-Fraktionssprecherin Claudia Leiße steht das Sparpaket aus dem Rathaus für „Hilflosigkeit“ der Stadtverwaltung und beinhalte „keine nachhaltigen Lösungen“. Völlig klar ist für sie unter anderem, dass die Verbraucherzentrale weiter unterstützt werden muss: „Die ist ein wesentliches Instrument der Bürgernähe. Das kann man nicht kaputt machen.“ Bei Stadtteilbüchereien kann sie sich beispielsweise Lösungen mit Schulen vorstellen.
Von „sozialen Kloppern“ spricht die Fraktionsvorsitzende der Linken, Martina Ammann-Hilberath: „Das ist mit uns nicht zu machen“, stellt sie zum Beispiel für die Einsparung bei der Sprachförderung klar. Mit strengeren Geschwindigkeitskontrollen und entsprechenden Einnahmen für die Stadt kann sie dagegen gut leben: „Raserei ist immer noch Todesursache Nummer eins im Straßenverkehr.“