Duisburg. Die Stadt Duisburg zahlt nur noch, was sie zahlen muss. Mit 14,6 Millionen Euro weichen die Sparbemühungen von den Zielen ab, für die nächsten Jahre sieht es nicht besser aus, wenn nicht gegengesteuert wird. Bringt die Politik den Sparplan nicht wieder auf Kurs, droht Duisburg der Sparkommissar.

Die finanzielle Not holt Duisburg wieder ein, das Wasser steht erneut bis zum Hals: Fast ein Drittel tiefer als geplant wird das Loch im Haushalt am Jahresende sein. Eigentlich sollen unter dem Strich 26 Mio Euro Miese stehen, jetzt werden es 8 Mio mehr sein. Die Folge: Der Kämmerer dreht den Geldhahn zu. Die Stadt gibt ab sofort nur noch Geld für Leistungen aus, zu denen sie verpflichtet ist.

Haushaltssperre nennt man das eigentlich, Kämmerer Peter Langner spricht lieber von einer „strengeren Mittelbewirtschaftung“, um „kurzfristig die Dynamik der Ausgabenentwicklung zu dämpfen und Zeit zu gewinnen.“ Was sich verschwurbelt anhört, bedeutet vor allem eins: Die Politik wird schon bald wieder über Kürzungen und Streichlisten sprechen müssen.

Neue Haushalt wird eingebracht

In der nächsten Ratssitzung am 30. September wird der neue Haushalt eingebracht, zwei Monate später soll er verabschiedet sein. Sollte die Stadt die Verluste in den neuen Etatplanungen nicht aufgefangen haben, droht ihr am Ende die Entsendung eines „Beauftragten gemäß § 124 der Gemeindeordnung“: Dann schickt das Kommunalministerium einen Sparkommissar nach Duisburg.

Die Botschaft des Kämmerers traf die Politik offenbar unvorbereitet. Eine „große Überraschung“ nannte SPD-Fraktionschef Herbert Mettler die finanzielle Entwicklung: „Wir haben in den letzten Jahren gewaltige Anstrengungen unternommen, um den Haushalt zu sanieren. Nun zeigt sich, dass die Haushaltssituation nach wie vor dramatisch ist.“

Sparplan und Stärkungspakt

Duisburg nimmt am Stärkungspakt des Landes teil, erhält dafür 53 Mio Euro pro Jahr. Dafür muss die Stadt den sogenannten „Haushaltssanierungsplan“ konsequent einhalten.

Wenn eine Kommune diesen Sparplan nicht einhält, gilt §8 des Stärkungspaktgesetzes, wie die Bezirksregierung gestern auf Nachfrage bestätigte: Sie setzt der Stadt eine Frist für Maßnahmen, um die Sparziele einzuhalten. Geschieht dies nicht, wird ein Sparkommissar entsandt.

Welche Maßnahmen die Stadt Duisburg ergreift, um die Vorgaben wieder einzuhalten, sei ihr „im Sinne der kommunalen Selbstverwaltung“ selbst überlassen.

Der Ernst der Lage

Auch CDU-Chef Rainer Enzweiler hatte eine solche Entwicklung nicht erwartet: „Schon gar nicht zu diesem Zeitpunkt. Ich bin von einem dicken Polster ausgegangen.“ Daher resultiert die Dramatik für ihn daraus, dass offenbar selbst die stillen Reserven, im Vorjahr zum Beispiel durch die niedrigen Zinsen, verbraucht seien. „Der Kämmerer macht mit dieser Maßnahme, die ja quasi eine Haushaltssperre ist, was er machen muss. Das kann aber nur eine Notmaßnahme und keine Lösung sein“, sagt Enzweiler.

Der Ernst der Lage lässt sich auf den 117 Seiten des Halbjahres-Berichts nachlesen, den die Stadt jetzt an die Aufsichtsbehörde geschickt hat. Denn das Haushaltsloch im laufenden Jahr ist das eine, der mit dem Land vereinbarte Sparplan das andere: Hier ist die Entwicklung noch viel gravierender. Mit 14,6 Millionen Euro weichen die Sparbemühungen von den Zielen ab, für die nächsten Jahre sieht es nicht besser aus. Auch 2015 werden 14 Mio Euro fehlen, wenn nicht gegengesteuert wird. 2017, wenn die jährliche 53-Millionen-Euro-Hilfe des Landes allmählich versiegt, würde Duisburg immer noch 8,2 Mio Euro unter dem Soll liegen.

Der Realität stellen

Findet der neu gewählte Rat also bis November keine neuen Einnahmequellen oder will er nicht noch einmal die Steuern erhöhen, wird er wieder über die Streichung von sogenannten „freiwilligen Leistungen“ sprechen müssen, die bereits in den vergangenen Jahren die Diskussion bestimmt haben. Zum Beispiel dürfte dann auch wieder der Erhalt des Homberger Freibads zur Disposition stehen. Diesen hatte Regierungspräsidentin Anne Lüdtkes bereits im Februar kritisch angemerkt und lehnte die Gegenfinanzierung durch einen weiteren Radarwagen ab. Die 300.000 Euro für den Freibad-Erhalt sind allerdings nur ein Bruchteil der Summe, um die es in den kommenden Monaten gehen wird.

„Wir müssen uns der Realität stellen und werden den Weg der Haushaltskonsolidierung konsequent fortsetzen“, kündigte SPD-Fraktionschef Mettler an. „Hierzu gibt es keine Alternative.“

Woher das Millionen-Loch im Duisburger Stadthaushalt kommt 

Einen strengen Sparplan hatte die Politik 2012 geschnürt, dafür die Zusage über 53 Millionen Euro pro Jahr aus dem Stärkungspakt des Landes erhalten. Das Ziel: 2016 sollte der Haushalt erstmals ausgeglichen sein, spätestens 2021 dann ohne die jährliche Millionen-Spritze aus Düsseldorf. Doch jetzt, zwei Jahre später, wackelt das Konstrukt schon wieder. Wie konnte es trotz Niedrigzins-Phase und stabiler wirtschaftlicher Entwicklung dazu kommen?

Diese Ziele wurden verfehlt

Kämmerer Peter Langner nennt vor allem externe Faktoren, die zu dem schlechten Ergebnis geführt haben. Zum Beispiel die steigenden Asylbewerberzahlen, deren Folgekosten das Land nicht ausreichend übernehmen würde. Aber auch im Bereich Jugendhilfe und in der Hilfe bei Pflegebedürftigkeit gebe es steigende Kosten, auf die die Stadt keinen Einfluss habe.

Der Blick auf die Zahlenreihen in dem Bericht an die Bezirksregierung zeigt aber auch, dass eigene Prognosen schlicht nicht aufgehen und Ziele im eigenen Haus verfehlt wurden: Die Rückführung des Einkaufs-Service und der IT-Gesellschaft hat bisher nicht so viel eingebracht wie gewünscht, und das Ziel, an den eigenen Büroflächen zu sparen, hat die Stadt um 700.000 Euro verfehlt.

Auch kleine Dinge schlagen ins Konto

Kooperationen mit anderen Städten, die weitere Millionen-Beträge sparen sollte, gibt es bisher auch noch nicht. Zudem fließen eingeplante Dividenden der GMVA, der Gebag oder des Frischekontors nicht. Und beim Hafen und der Sparkasse hat man offenbar nicht berücksichtigt, dass von der Ausschüttung noch die Körperschaftssteuer und der Soli-Beitrag abgehen. Zudem hat die erhöhte Gewerbe- und Grundsteuer weniger in die Kasse gespült als erwartet. Und letztlich liegen auch die Personalkosten rund 13 Mio Euro höher als erwartet.

Es sind auch die kleinen Dinge, die aber immerhin sechsstellig ins Kontor schlagen: Potenziale sah die Stadt bei der Arbeitsmedizin. Doch die Ärztin ist seit gestern im Ruhestand, die Stelle wollte niemand haben, jetzt müssen die Untersuchungen extern ausgeschrieben werden. Mehreinnahmen hatte man sich durch die Vermietung von Lehrerparkplätzen versprochen, immerhin fast eine halbe Million Euro. Doch nach der strittigen Debatte wird man bis zum Jahresende gerade einmal 50.000 Euro für die 94 vermieteten Stellplätze einnehmen.

Die Liste lässt sich weiter fortführen, insgesamt weicht der Sparplan mit seinen 283 einzelnen Maßnahmen in 69 Punkten von den Zielen ab. Bedeutet: Jede vierte Sparmaßnahme hat sich nicht so ausgewirkt wie vorhergesagt.

Gegenmaßnahmen sind oberstes Gebot

Dem neu gewählten Rat steht damit direkt nach der Sommerpause eine ungeliebte Aufgabe ins Haus. Doch bisher gibt es noch nicht einmal klare Mehrheiten. Die Kooperationsgespräche liegen nach wie vor auf Eis, sollen erst nach den Sommerferien weiter geführt werden. Doch ganz gleich, wer künftig mit der SPD als kleinerer Partner regiert: Fraktionschef Herbert Mettler hat gestern noch einmal klargestellt, dass der Beschluss notwendiger Gegenmaßnahmen für den Haushalt gleichzeitig „das oberste Gebot für mögliche Mehrheiten im neuen Stadtrat“ sein werde.

CDU-Fraktionschef Rainer Enzweiler bekräftigte gestern noch einmal gegenüber der NRZ, dass er die stabile Mehrheit eines rot-schwarzen Bündnisses für das Beste in dieser Situation hält: „Man muss sich vorstellen, was passiert, wenn bis 2021 der Zins steigt, die Konjunktur lahmt, die Soziallasten noch weiter steigen.“

Steuererhöhung als letztes Mittel

Duisburg habe kein Ausgabe- sondern ein Einnahmeproblem“, sagt Enzweiler. „Man muss jetzt die Zeichen der Zeit erkennen. Das ist Alarmstufe rot und unsere letzte Chance.“ Ein CDU-Vorschlag: eine Einwohnerförderung im Duisburger Süden, neue Wohngebiete, dazu schnelleres Bauen ermöglichen. „Die Stadt partizipiert von der Einkommenssteuer. Diese Einnahmen wären stabiler als die der Gewerbesteuer“, sagt Enzweiler. Steuererhöhungen dagegen dürften nur das letzte Mittel sein: „Denn höhere Steuern bedeuten nicht zwangsläufig, dass die Stadt auch mehr Geld einnimmt.“