Duisburg. Das geplante Marientor Carree an der Steinschen Gasse ist endgültig geplatzt, Duisburgs größte Baugrube ist damit wieder im städtischen Besitz. Was jetzt?

Es ist Gras drüber gewachsen. Aber nur im wörtlichen Sinne. Denn Duisburgs größte Baugrube mitten in der Innenstadt, die sich die Natur im Laufe des Stillstands zurückerobert hat, markiert die nächste Planungspleite. Nach sechs Jahren und mehrfachen Anläufen ist das neue Gesundheitszentrum an der Steinschen Gasse gescheitert, das von der Euroareal-Gruppe geplante Bauprojekt „Marientor Carree“ ist endgültig geplatzt. Wie die Stadt gestern bestätigte, hat sie sich von dem Investor getrennt.

„Der Rücktritt wurde seitens der Stadt gegenüber dem Investor erklärt und von diesem bestätigt. Die vertraglichen Bindungen für das städtische Grundstück sind somit aufgelöst“, heißt es auf NRZ-Nachfrage aus dem Rathaus.

Stadt verfolgt Nutzungskonzept weiter

Den Rücktritt vom Vertrag hatte die Stadt dem Investor bereits im Mai erklärt, kurz nachdem die NRZ berichtet hatte, dass sich der angekündigte Einstieg eines neuen Mit-Investors als reine Luftnummer entpuppt hatte.

Jetzt kann die Stadt wieder über das 7300qm große Grundstück verfügen, das Jahrzehnte lang als Parkplatz diente, bevor die Bagger anrückten und Überreste aus dem neunten Jahrhundert freilegten. Doch was soll jetzt auf dem Areal vor der Marienkirche entstehen? „Die Stadt verfolgt weiterhin das angedachte Nutzungskonzept mit den Elementen betreutes Wohnen, Pflege, Dienstleistungen und Wohnnutzungen“, sagte eine Sprecherin der NRZ. „Wir führen derzeit intensive Gespräche mit Entwicklern, die ein ähnliches Nutzungskonzept verfolgen.“

Stadt Duisburg klammerte sich lange an die Investoren 

Das Bauschild steht immer noch an der Steinschen Gasse. Die Euroareal-Firmen, die darauf abgebildet sind, gibt es entweder nicht mehr, sie sind längst pleite, umbenannt und haben mehrfach ihren Geschäftsführer gewechselt, deren Wohnsitz sich laut Handelsregister zum Teil in Spanien befindet. Euroareal ist so etwas wie ein Sammelbegriff für ein Konglomerat an Unterfirmen, das aus einem Kölner Glasbau gesteuert wurde. Das Telefon hebt dort niemand mehr ab, die Mietverträge sollen gekündigt sein. Die Unterfirma, die laut Bauschild für die Projektsteuerung zuständig war, hat seit Baubeginn fünfmal den Geschäftsführer gewechselt, bevor sie Ende 2013 pleite ging. Und der angegebene Bauherr hat sich auch längst umbenannt.

Damit zeigt sich, dass die Stadt am Ende gar keine andere Wahl hatte als die Verträge zu kündigen. Die Frage ist vielmehr, warum sie erst so spät reagiert hat. Bis zum Schluss hatte sich Planungsdezernent Carsten Tum an jeden Strohhalm geklammert, den Rat Ende November 2013 hinter verschlossenen Türen sogar noch den Einstieg eines weiteren Investors und eine Nutzungsänderung beschließen lassen, obwohl es überhaupt keine weiteren Investor gab.

Schandfleck auf unbestimmte Zeit

Offen bleiben damit die Fragen, wer am Ende wen an der Nase herumgeführt hat und ob die Stadt jetzt die 300.000 Euro zurückzahlen muss, die der Investor für die archäologischen Untersuchungen vorfinanziert hatte. Den Kaufpreis für das Grundstück, rund 1,8 Millionen Euro, hatte der Investor ohnehin nie überwiesen.

Vor vier Jahren, als im zweiten Anlauf der Startschuss für das „Marientor Carree“ gelegt wurde, verkündete Ralf Oehmke, Geschäftsführer der Innenstadt-Entwicklungs-Gesellschaft, neben Euroareal-Geschäftsführer Walter Robert Schneider: „Dieses Projekt ist ein Meilenstein für die Innenstadt-Entwicklung.“ Vier Jahre später sind nicht nur die Geschäftsführer samt ihren Gesellschaften von der Bildfläche verschwunden: Statt eines baulichen Meilensteins bleibt Duisburgs größte Baugrube mitten in der Innenstadt auf unbestimmte Zeit ein Schandfleck.

Bei der Frage, wer die Schuld daran trägt, zeigt man mit dem Finger stets auf andere: Chefplaner Tum (SPD) sprach zuletzt von „einem schlecht initiierten Projekt“, das er aus der Ära von Ex-OB Sauerland (CDU) übernommen habe. Die CDU dagegen pflanzte ein Bild der Baugrube auf ihren Wahlkampf-Flyer, um den durch die Stadtspitze verursachten „Stillstand“ bei Bauprojekten zu symbolisieren.

Anlieger stellten Forderungen

Wer längst die Nase voll hat von den ständigen Planungspleiten am Marientor-Areal sind die Geschäftsleute, Bewohner und Immobilienbesitzer, die bislang in der IG Altstadt-Süd für ihren Stadtteil aktiv waren und sich jetzt als „Bürgervereinigung Stadtmitte“ neu organisiert haben.

Vereinsvorstand Lars Hoffmann formulierte gestern klare Ziele an die Stadt: „Wir fordern die Wiederöffnung der ehemaligen Klosterstraße, sprich eine zweispurige Zufahrt zur Altstadt, damit das Quartier endlich wieder befahrbar ist.“ Die Zufahrtsstraße sei ohnehin in den Plänen vorgesehen. Zudem verlangen die Anlieger endlich eine Übergangslösung für die Brachfläche: „Die Stadt sollte das Gelände zuschütten und als Parkplatz nutzen“, sagt Hoffmann. „Bis ein neuer Investor tatsächlich mit den Arbeiten beginnt, hätte man die Kosten mit einem Parkautomaten sicher refinanziert.“