Duisburg. Erst haben wohl Neonazis auf dem Kaiserberg gefeiert, dann Linke ihre Farbspuren hinterlassen. Wirtschaftsbetriebe rechnen mit 6000 Euro Reinigungskosten und stellen Strafanzeige. Ein Historiker regt an, das Gräberfeld aus dem Ersten Weltkrieg mit einer Infotafel zu erklären.
Am Montag jährte sich der Ausbruch des Ersten Weltkriegs zum hundertsten Mal. Der Ehrenfriedhof Kaiserberg geriet vor dem denkwürdigen Datum einmal mehr in den Deutungskampf zwischen extremen Rechten und Linken. Das Ergebnis sind – nur ein halbes Jahr nach der letzten Farbattacke – erneut Schmierereien, deren Beseitigung wieder einige tausend Euro kosten wird.
Wohl in der Nacht auf den vergangenen Freitag haben Neonazis auf dem Gräberfeld für 801 Tote des Ersten Weltkriegs ein „Heldengedenken“ gefeiert. Am Morgen danach jedenfalls war der Sockel der Siegfried-Statue mit schwarz-weiß-roter Reichsfahne behängt, ausgebrannte Kerzen und Rosen lagen auf dem Boden. Anwohner haben den rechtsnationalen Müll beseitigt.
6000 Euro Kosten für Beseitigung der Verschmutzung
Die linke Antwort auf die rechte Provokation ließ nicht lange auf sich warten: Am Montag waren Statue („bis zum Bauchnabel“, sagt ein Anwohner) und halbrunder Säulenkreis mit roter und weißer Sprühfarbe verschmiert. Die Parolen („nie wieder Deutschland“) und Symbole wie Anarchie-A oder Hammer und Sichel wieder zu beseitigen, wird wohl erneut 6000 Euro kosten, schätzt Silke Kersken, Sprecherin der Duisburger Wirtschaftsbetriebe.
Zeitzeugenbörse pflegt die Anlage
Nur Tage vor dem erneuten Vandalismusfall haben Mitglieder der Zeitzeugenbörse Duisburg und freiwillige Helfer gezeigt, dass man auch angemessen mit dem Denkmal Ehrenfriedhof umgehen kann.
Pünktlich zum Jahrestag des Kriegsbeginns hatten sie sich am Kaiserberg getroffen, um etwas über die Geschichte des Friedhofs zu erfahren. Zugleich reinigten sie die Anlage von Schäden des Pfingststurms. Die Besichtigung sei „Geschichtsunterricht pur“, sagt Harald Molder, Vorsitzender der Zeitzeugen. An den Grabsteinen und den Lebensdaten der jung gestorbenen Soldaten darauf erkenne man den Schrecken des Krieges deutlich.
Über den traurigen Zustand der Grabsteine und auch der gesamten Anlage wurde vorab Bürgermeister Manfred Osenger informiert, der über die „Offensive für ein sauberes Duisburg“ die Reinigungsaktion unterstützt und die Arbeitsmaterialien zur Verfügung gestellt hatte.
801 deutsche Soldaten, die in Duisburger Lazaretten starben oder aus Duisburg stammten und fielen, wurden auf dem Kaiserberg bestattet. Insgesamt kamen im Ersten Weltkrieg rund 7000 Duisburger ums Leben, 6000 davon in Kampfhandlungen.
Insbesondere die Bronzefigur zu reinigen, ist sehr aufwändig. Wie vor einem halben Jahr wird die Friedhofsverwaltung auch diesmal Strafanzeige erstatten. Dass die Sprayer gefunden werden, glaubt Kersken allerdings nicht. „Das wäre wie ein Sechser im Lotto.“
Ein Ort der Auseinandersetzung
Das umstrittene Ehrenmal, gerade erst offiziell zum Denkmal erhoben, wird wohl weiter ein Ort der politischen Auseinandersetzung bleiben, schätzt der Historiker Robin Heun (26), der in einer vorzüglichen Arbeit für das Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung die Geschichte sowie die unterschiedlichen und strittigen Deutungen des Denkmals untersucht hat.
Kurz nach Kriegsbeginn 1914 durchaus als nationalistisches Mahnmal gebaut, von den Nazis nach 1933 auch so inszeniert, änderte sich der Blick auf das Gräberfeld spätestens mit der Friedensbewegung in den 1970er-Jahren. Das Kriegstote „Helden“ waren, dass sinnloses Sterben so einen Sinn bekommen sollte, wurde nicht mehr akzeptiert, erklärt Heun die Debatten der 1980er-Jahre um den Friedhof.
Befriedung des Friedhofs unwahrscheinlich
Ob der Friedhof tatsächlich befriedet werden kann, scheint zweifelhaft. „Solange es in Duisburg eine Neonazi-Szene gibt, wird es dort auch obskure Veranstaltungen geben – und die Antworten der Linken darauf“, so Heun. Das Beste wäre wohl eine Infotafel, die das eigentlich nicht kriegskritische Denkmal aus heutiger Sicht erklärt. Dann würden sich dort Neonazis vielleicht auch nicht mehr so wohl fühlen, sagt der Historiker. Dass Nazifeiern beantwortet werden, findet er indes richtig. „Aber nicht durch Vandalismus. Das geht auch kreativer . . .“