Viele Menschen leiden noch heftig unter den Folgen der Loveparade-Katastrophe
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Duisburg. Pfarrer Jürgen Widera ist seit April 2013 Ombudsmann für die Betroffenen der Loveparade. Aus Anlass des vierten Jahrestages der Katastrophe sprach der evangelische Geistliche mit der Funke-Mediengruppe über die Stimmung der Betroffenen und darüber, wie er mit dem Leid umgeht, das auf ihn einstürmt.
Die Aufgabe des Ombudsmannes nimmt Pfarrer Jürgen Widera (60) ehrenamtlich wahr. Hauptberuflich ist der gelernte Bankkaufmann Referent im Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt. Er wird heute bei der Gedenkfeier zum vierten Jahrestag sprechen.
Wie ist am vierten Jahrestag die Stimmung unter den Betroffenen?
Jürgen Widera: Wie schon vor einem Jahr merke ich wieder besonders große Empfindlichkeiten und Aufgeregtheit. Der Pegel steigt, je mehr es auf den Jahrestag zugeht. Da muss man oft beruhigend eingreifen, weil es auch sehr schnell zu Missverständnissen kommt.
Wo liegt aktuell der Schwerpunkt der Hilfe, die Sie anbieten können?
Widera: Ich habe viel zu tun gehabt, mit Bescheinigungen früherer Arbeitgeber zum Beispiel im Zusammenhang mit Therapiekosten oder mit einer Widereingliederung. Das alles wird komplizierter, weil das Unglück nun schon vier Jahre her ist. Da tun sich auch Behörden und Institutionen, die es gewohnt sind nach bestimmten Schemata zu denken, schwer. Die Betroffenen werden im Vorschriftendschungel und im Wirrwarr der Vorschriften oft hin und her geschoben
Kommt es oft vor, dass die Erwartungen der Ratsuchenden Ihre Möglichkeiten übersteigen?
Widera: Ja. Manchen kann ich da bei komplizierten Rechtsfragen nur an einen Anwalt verweisen. An der einen oder anderen Stelle konnte ich aber zum Glück helfen. Vor allem da, wo über die persönliche oder die politische Schiene etwas zu machen war. Den Amtsschimmel höre ich aber immer wieder laut wiehern. Das ist bitter für die Betroffenen. Die Leute tun mir Leid.
Der Ombudsmann ist ein Ehrenamt. Aber hat sich das nicht schon zum zweiten Job entwickelt?
Widera: So weit würde ich nicht gehen. Aber jedenfalls ist es erheblich mehr, als ich ursprünglich gedacht habe. Ich habe damals gezögert, das Amt zu übernehmen, weil ich Bedenken hatte, es mit meinem Job vereinbaren zu können. Man will so etwas ja schließlich auch vernünftig machen. Aber mein Vorgänger hatte mir gesagt, dass ich mit fünf bis zehn Stunden im Monat zu rechnen hätte. Das war eine eklatante Fehleinschätzung.
Was hat Ihnen in letzter Zeit die meiste Arbeit bereitet?
Widera: Als die Staatsanwaltschaft im Februar Anklage erhob, gab es von Seiten der Ermittlungsbehörde das Angebot, Gespräche mit Hinterbliebenen und Verletzten zu führen, um ihr Vorgehen zu erläutern. Viele Menschen haben dieses Angebot angenommen. Aber irgend jemand musste das alles ja koordinieren. Das war in diesem Falle ich.
Wird das Amt des Ombudsmannes noch lange aufrecht erhalten blieben müssen?
Widera: Ich hatte nicht erwartet, dass es noch so viele Menschen gibt, die noch so heftig unter den Folgen leiden. Bei vielen Traumatisierten bricht so etwas nach Jahren plötzlich wieder auf. Meine Arbeit wird durch das gute Netzwerk des Vereins „LoPa 2010“ sehr unterstützt. Aber langfristig halte ich weder den Ombudsmann noch einen Verein für geeignet, diese heikle Aufgabe zu übernehmen. Es muss eine seriöse Institution geschaffen werden. Ich denke da an eine Stiftung, weniger mit dem Ziel der finanziellen Unterstützung, sondern als feste Anlaufstelle für Betroffene.
Wie gehen sie mit all dem Leid um, das da auf Sie einstürmt?
Widera: Da kommt mir mein Beruf als Pfarrer zu Gute. Es gehört sozusagen zu meinem Job, mit dem menschlichen Leid klar zu kommen.
Sie haben bei Ihrem Amtsantritt als Ombudsmann betont, dass sie eine unabhängige Instanz sein wollen. Konnten Sie das aufrecht erhalten?
Widera: Ich sage immer: Auch wenn ich von der Stadt eingesetzt wurde und für sie unterwegs bin, so vertrete ich nicht deren Interessen. Ich sehe mich auf der Seite der Betroffenen. Ich glaube, ich bin mir in dieser Hinsicht treu geblieben.
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