Duisburg. Grau ist alle Theorie, bunt ist die Praxis: Der Duisburger Stauforscher Michael Schreckenberg forschte am Freitag mit einigen seiner Studenten am “lebenden Objekt“ – von der Expo-Brücke über der A 3 aus beobachteten sie das Fahrerverhalten im dichten Verkehrsstrom.
Für Prof. Dr. Michael Schreckenberg war Freitag aus beruflicher Sicht ein Feiertag. Ferienbeginn mit einsetzendem Reiseverkehr plus Heimkehr der Wochenendpendler plus Andrang der „normalen“ Berufstätigen, die rechtzeitig vor dem Anstoß des deutschen WM-Spiels gegen Frankreich um 18 Uhr zu Hause sein wollten – diese brisante Mischung sorgte am Freitag Nachmittag für proppevolle Autobahnen in und um Duisburg. Stauforscher-Herz, was willst du mehr?!?
Schreckenberg ist seit 1997 der Inhaber des Lehrstuhls „Physik von Transport und Verkehr“ an der Uni Duisburg-Essen (UDE). Im Rahmen seiner Vorlesung Verkehrsphysik bat er gestern einige seiner Studenten auf die knallgelbe Expo-Brücke, die früher die beiden Zoo-Seiten miteinander verband und heute in Uni-Nähe über die A 3 hinwegführt. „Wir haben uns zuletzt immer nur theoretisch im Hörsaal mit den Fragen beschäftigt, wie ein Stau entsteht oder welche Auswirkungen das Spurwechselverhalten von Autofahrern haben kann. Nun wollen wir uns das Ganze mal in der Realität anschauen“, freute sich der 57-jährige Professor auf den Feldversuch mit den Studenten. Und die Brücke bot allen Beteiligten einen Logenplatz mit bestem Überblick.
160 Kilometer Stau in ganz NRW
Yannic Hendricks (23, Mathematik), Rosalie Rothe (25, Energy Science) und Zichao Wang (27, Maschinenbau) studieren zwar jeweils ein anderes Fach, diese Vorlesung passte aber für alle perfekt in ihren Studienplan. Gemeinsam beobachten sie den Stau, der sich laut Schreckenberg stets in Wellen bildet. „Es reicht die Unaufmerksamkeit eines Autofahrers – und schon kommt nach nur einem einzigen Bremsmanöver alles zum Stehen“, erklärt der Stauforscher. Er belegt seine These am lebenden Objekt. Die Blechlawine, die sich nur im Kriechtempo in Richtung Oberhausen vorarbeitet, staut sich zurück bis zum Kreuz Breitscheid. In manchen Phasen rollt die PS-Kolonne dann wieder etwas flüssiger, aber es dauert nur Minuten, dann sorgt ein Spurwechsel auf den letzten Drücker vor der Ausfahrt zum Kreuz Kaiserberg wieder für das nächste kollektive Bremsmanöver. Und schon beginnt die große Stauparty aufs Neue.
Gegen Nachmittag erreicht der Andrang seinen Höhepunkt. In ganz NRW staut sich der Verkehr auf ungewöhnliche 160 Kilometer. Schreckenberg frohlockt. Und genießt seinen Stauforscher-Feiertag.