Duisburg.
Die Spannung war groß, der Erkenntnisgewinn eher gering: Der Düsseldorfer Untersuchungsausschuss zum Bauskandal Landesarchiv hatte am Freitag Duisburgs Ex-OB Adolf Sauerland in den Landtag am Rhein geladen. Eigentlich wollte Sauerland nichts sagen, dann sprach er doch, und Ungesagtes sprach überdies Bände.
Distanziert und unterschwellig genervt absolvierte Sauerland seinen erzwungenen Kurzauftritt, der von Blitzlichtgewitter begleitet war. Einen ersten Termin vor zwei Wochen hatte er wegen seines Urlaubs in Bulgarien abgesagt. Nun verkündete er, eigentlich nichts sagen zu wollen, solange die Wuppertaler Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Vorteilsnahme wegen CDU-Spenden der Essener Projektentwickler und ursprünglichen Landesarchiv-Bauherren Kölbl und Kruse gegen ihn ermittelt. Wenn das denn nach seiner Erwartung eingestellt ist, werde er „gerne noch mal kommen“, beschied Sauerland, der sich bei der Vorstellung als „Oberbürgermeister außer Dienst“ bezeichnete, dem U-Ausschuss. Dann stellte er aber doch kurz klar: Die umstrittene Standortentscheidung für den Archivbau im Innenhafen habe die Landesregierung getroffen, nicht Duisburg. Von 30 auf knapp 200 Mio € sind bekanntlich die Kosten für den Bau in dem alten Speichergebäude explodiert. Er habe lediglich, wie das gute Oberbürgermeister eben machten, für seine Stadt geworben: „Nichts anderes ist da passiert.“
Speicher für Akten eine "witzige Idee"
Auch den Verdacht – genährt durch ein Schreiben von Kölbl und Kruse –, dass er kurz vor der Entscheidung Anfang 2007 den Essenern noch empfohlen haben soll, die Grundstücke flugs zu kaufen, wischte Sauerland weg: „Das hatte nichts damit zu tun.“
Sprach’s, ließ die unangebrochene Wasserflasche stehen, ging und plauderte freundschaftlich vor der Tür mit den ebenfalls gestern befragten Ex-Kulturdezernenten Karl Janssen und dem Ex-Chef der Innenstadt-Entwicklungsgesellschaft Ralf Oehmke. „Karl, mach schnell“, rief er Janssen noch vor dessen Befragung zu. Der berichtete dann vor dem U-Ausschuss, wie es 2006 zur Standortwahl des alten RWSG-Speichers kam: Der damalige NRW-Kulturstaatssekretär Grosse-Brockhoff habe eilends einen Vorschlag gewünscht. Als Janssen dann tags drauf mit Sauerland zufällig am Speicher vorbeikam, habe er ihn gefragt: „Wie wäre es damit?“
„Das steht leer“, habe er geantwortet. Ein Speicher sei doch gut für Akten, habe er sich gedacht, sagte Janssen - eine „witzige Idee“. Schon am nächsten Tag habe man mit Grosse-Brockhoff den Speicher von außen besichtigt.
Ex-Chef Oehmke schimpft auf die Staatsanwaltschaft
So kurz angebunden Ex-OB Sauerland im Untersuchungsausschuss war, so mitteilsam gab sich Ralf Oehmke, einstiger Chef der Innenstadt-Entwicklungsgesellschaft IDE. Die Botschaft war die gleiche: Bei dem damaligen Grundstücks-Deal am Innenhafen sei alles sauber gelaufen.
Was bekanntlich den Verdacht nährte und auch die Staatsanwaltschaft nach ersten Berichten des Landesrechnungshofes ermitteln lässt: Die Essener Kölbl und Kruse kauften 2007 die Speichergrundstücke für knapp vier Millionen Euro und schnappten sie damit vermeintlich dem Land vor der Nase weg. Mit knapp 30 Millionen Euro ließen sie sich später den Ausstieg aus dem Archiv-Projekt bezahlen. Doch Oehmke legte im Widerspruch deftig los: Er warf den „mäßigen Juristen“ der Staatsanwaltschaft vor, einen „Popanz“ zu veranstalten. Kölbl und Kruse hätten schon seit 2003 mit dem RWSG-Speicher-Eigentümer König verhandelt. Und die Vor- und Wiederkaufsrechte der Stadt auf die RWSG-Grundstücke aus dem 19. Jahrhundert hätten keine Wirkung gehabt. Da habe die Staatsanwaltschaft eine „abwegige“ (Oehmke: „Juristendeutsch für Blödsinn“) Sicht der Dinge. Mit den zwei städtischen Grundstücken an dem Speicher hätte die Stadt Kölbl und Kruse außerdem allenfalls blockieren können. Mehr nicht. So verkaufte die Stadt die Grundstücke an die Essener Projektentwickler – laut Oehmke mit Zustimmung des Landesbaubetriebes BLB. Dem lasten Staatsanwaltschaft wie Landesrechnungshof die missratenen Grundstücks-Geschäfte ebenso an wie die Kostenexplosion für den Archivbau.
Entwicklungsgesellschaft abgewickelt
Bemerkenswerte Einblicke in die damalige Verwaltungsspitze des Rathauses lieferte unterdessen Ex-Kulturdezernent Janssen. Er könne sich nicht erinnern, dass die Grundstücks- und Finanzfragen zum Landesarchiv Thema in den Rathaus-Chefrunden gewesen seien. „Peinlich wie da gearbeitet wurde“, meinte Sarah Philipp, Ausschussmitglied und Duisburger SPD-Landtagsabgeordnete.
Ralf Oehmke kam im Sommer 2007 als Geschäftsführer zur Innenhafen-Entwicklungsgesellschaft. 2012 kurz wurde sein Vertrag um fünf Jahre verlängert. Nach der Abwahl Sauerlands wendete sich das Blatt. Die Entwicklungsgesellschaft wurde faktisch aufgelöst und der in die Kritik geratene Oehmke ins Planungsamt abgeschoben. Dort wickelt der hochdotierte, aber wenig beschäftigte 53-Jährige die GmbH ab. „Ich hätte auch die Gebag-Geschäftsführung übernommen, aber man wollte mich nicht“.