Duisburg. Der bange Blick auf den eigenen Bauchumfang: Mehr als 102 cm bei Männern, 88 cm bei den Frauen gllt als Risikogrenze für die Gefahr eines Herzinfarkts. Deutschlands Todesursache Nummer 1 bei Herzerkrankungen war Thema beim WAZ-Medizinforum mit Spezalisten des Duisburger St. Anna-Krankenhauses .

Die wichtigste Botschaft sollten und werden die rund 100 Besucher des WAZ-Medizinforums am Mittwoch im Huckinger Steinhof nicht vergessen: Wer plötzlich einen stechenden Schmerz in der Brust spürt, der in Schultern, Arme, Unterkiefer, Hals und Oberbauch ausstrahlt, wem dann der Schweiß ausbricht und übel wird, wer sich möglicherweise erbricht, muss sofort die Notrufnummer 112 anrufen. Sofort. Denn dann hat dieser Mensch einen Herzinfarkt erlitten.

Dann darf man nicht nachts bis zum nächsten Morgen, am Sonnabend bis zum Montag warten und erst dann den Hausarzt konsultieren. Denn beim Herzinfarkt zählt buchstäblich jede Minute, ist schnellstes, entschlossenes Handeln unumgänglich. Dazu gibt es keine Alternative. Dann können auch irreparable Schäden an den Herzmuskeln verhindert werden.

Ballon und Stent öffnen Arterie

Immer wieder, fast gebetsmühlenartig, wiederholten daher Dr. Heiko Kilter, Chefarzt der Kardiologie und Leiter des Zentrums für Herz- und Gefäßmedizin, und seine Kollegin Dr. Birgitta Sadra, seit Dezember 2013 Leiterin des neuen Herzkatheter-Labors, vom Malteser St. Anna-Krankenhaus Huckingen ihren dringlich gemeinten Appell an ihre Zuhörer.

Was passiert nach dem Notruf 112? Innerhalb weniger Minuten trifft der Notarztwagen beim Patienten ein und bringt ihn zur nächsten Klinik mit Herzkatheter-Labor wie im St. Anna-Krankenhaus. Noch während der Fahrt schreibt der Notarzt ein EKG, ein Defibrillator ist immer mit an Bord. Dr. Kilter: „Im Herzkatheter-Labor werden die Ärzte versuchen, innerhalb kürzester Zeit, idealerweise innerhalb einer Stunde nach dem Infarkt das verstopfte Gefäß wieder zu eröffnen.“

Blutgerinnsel führt zum Verschluss der Arterie

So entsteht ein Herzinfarkt: In der Regel lösen sich beim Infarkt Ablagerungen durch Fett, Kalk oder Gefäßmuskelzellen in einer der drei großen Herzkranzgefäße, die Koronararterien. Platzen solche Plaques, lagern sich Blutplättchen an, es entsteht ein Blutgerinnsel. So kann es plötzlich zum Verschluss der Arterie kommen.

So wird der Infarkt im Herzkatheter-Labor behandelt: Der Verschluss des Gefäßes wird durch Gabe eines Kontrastmittels per Röntgen exakt verortet. Kurz danach wird die verstopfte Arterie mit einem Ballonkatheter und einem Stent wieder eröffnet. Dr: Sadra: „Ziel ist, mit der Öffnung den Schaden des Herzmuskels möglichst schnell zu beheben.“ Der Katheterschlauch wird meist über die Leiste oder die Hand eingeführt. Der Ballonkatheter dehnt die verstopfte Stelle wieder auf, das Blut kann wieder fließen. Damit das dauerhaft so bleibt, setzen die Ärzte an dieser Stelle einen Stent, ein kleines, filigranes Maschengitter. Es folgen 48 Stunden Intensivstation, später Rehabilitation.

Wichtiger Hinweis Kilters an Angehörige von Herzinfarkt-Patienten: Sie sollten die Herzdruck-Massage beherrschen.

Der bange Blick auf den eigenen Bauchumfang 

Da schauten einige der Teilnehmer des WAZ-Medizinforums an sich herunter: „Männer mit mehr als 102 Zentimeter, Frauen mit 88 Zentimeter Bauchumfang sind besonders gefährdet. Das können sie gleich heute Abend messen“, empfahl Dr. Kilter und nannte damit zugleich einen Risikofaktor für Herzinfarkte. Ihm kann man allerdings vorbeugen: Etwa mit regelmäßiger Ausdauerbewegung und mediterraner Kost. Also: „Fünf Mal pro Woche 30 Minuten flott gehen oder Nordic Walking, Radfahren, Schwimmen, sich mit viel Obst, Gemüse und Vollkornprodukten ernähren“, riet Kilter. Allein dadurch lässt sich das Risiko eines Herzinfarktes um 50 Prozent senken.

Und an die Raucher gewandt: „Sie müssen gerade nach Infarkt oder Schlaganfall mit dem Rauchen aufhören. Sonst kann man die Prozesse in den Gefäßwänden nicht aufhalten“, erklärte der Kardiologe. Den täglichen Stress zu senken, sei sicher von allen der schwierigste Punkt.

Jährliche Grippeimpfung für Herzkranke

Wie so oft lenkten Zuhörer-Fragen auf besondere Themen: Weißdornpräparate seien eher zur Senkung der Herzfrequenz als für koronare Herzkrankheiten geeignet, so Dr. Kilter. Und ausdrücklich riet er gerade älteren Menschen und Betroffenen mit Herzerkrankungen zur jährlichen Grippeimpfung. Eine weitere Patientin erfuhr: Aspirin und das magenschonende Aspirin protect sind gleich effektiv. Ohnehin, Aspirin ist für Herzinfarkt-Patienten ein ständiger Wegbegleiter, 100 mg braucht ein Betroffener üblicherweise täglich, das ist gerade mal ein kleines Stück einer normalen Kopfschmerztablette.

Bei einer Wiederverengung einer Arterie könne man durchaus eine zweiten Stent hinzufügen, beantwortete Oberärztin Dr. Sadra die Frage eines Patienten. Tennis und Golfspielen seien auch nach einem Infarkt möglich, beruhigt sie einen anderen.