Duisburg. . Sabrina Tophofen wurde als Kind vom eigenen Vater missbraucht. Im Alter von zehn Jahren flüchtete sie aus der Familie und lebte sechs Jahre auf der Kölner Domplatte. Nun hat die junge Frau ein Buch geschrieben, das sich nicht als Gute-Nacht-Lektüre empfiehlt. Es erzählt ihre eigene Geschichte.

Mit der Regattabahn hat er immer gedroht: Da würde er sie hineinwerfen, wenn sie nicht schweigen, wenn sie nicht tun würde, was er verlangt. Und dann hat er seine Triebe an seiner eigenen kleinen Tochter ausgelebt, die kaum im Grundschulalter war.

Der Täter ist lange tot, die Tochter aber hat sich aus dem Elend ihrer Kindheit befreien können und ein Buch geschrieben: „Lebenslänglich. psst... wenn nachts der Papa kommt“ heißt der schmale Band, den Sabrina Tophofen auf ihrem Smartphone geschrieben hat.

Kraft aus der Öffentlichkeit ziehen

Es ist eine atemlose Schilderung ihrer Erlebnisse und Ängste, mitunter in fast pornografischer Detailtreue beschrieben, kaum aushaltbar, kaum lesbar. Denn auch die Mutter ist dem kleinen Mädchen keine Hilfe, sieht sie mehr als Konkurrentin, die es zu strafen gilt. Immer wieder fragt man sich, wie Menschen, Eltern vor allem, so herzlos und brutal sein können, wie ein Kind soviel Gewalt und so wenig Liebe überleben kann.

Frau von morgen

Im Rahmen der Standortinitiative „Deutschland - Land der Ideen“ wurde Sabrina Tophofen vor einigen Jahren als eine der „100 Frauen von morgen“ ausgezeichnet.

Das Buch „Lebenslänglich. pssst... wenn nachts der Papa kommt“ ist im BVK Buch Verlag Kempen erschienen, hat rund 100 Seiten und kostet 7,90 Euro.

Sabrina Tophofen zieht Kraft aus der Öffentlichkeit. Bekannt wurde sie durch das Buch „So lange bin ich vogelfrei“, das die Journalistin Veronika Vattrodt nach Interviews mit dem ehemaligen Straßenkind schrieb und das sie in diverse Talkshows brachte. Denn Tophofen flüchtete im Alter von zehn Jahren aus der Gewaltspirale ihrer Familie, aus Duisburg, und lebte fast sechs Jahre auf der Kölner Domplatte. Dann kriegte sie die Kurve, holte den Schulabschluss nach, machte Ausbildungen zur Zahnarzthelferin und zur Altenpflegerin. Heute ist die 33-Jährige selbst Mutter von fünf Kindern, hat ein weiteres Pflegekind - und will „den Stummen eine Stimme geben. Ich will den Jugendlichen zeigen: Ihr seid nicht allein, habt den Mut, jemanden anzuzeigen!“,

Kampfesmut und Überlebenswille

Mit ihrem Buch will sie ein Beispiel geben, weil sie ungeschönt beschreibt, niemals nur andeutet. „Im Grunde will ich schocken. Ich will auch zeigen, dass die bestehenden Gesetze eine Katastrophe sind.“ Die Täter würden oft nur eine Bewährungsstrafe kriegen, dafür aber eine Therapie, während die Opfer um alles kämpfen müssten. „Ich krieg die Krise, wenn das Urteil im Namen des Volkes gesprochen wird. Ich glaub nicht, dass das Volk mit solchen Strafen einverstanden ist“, schimpft Tophofen.

Gestenreich vertritt sie ihre Meinung, energisch wippt der Fuß dazu. Keine Frage, in dieser zierlichen Person steckt Kampfesmut. Überlebenswille. Dass sie sich mit einem Interview-Termin in Duisburg in Gefahr bringt, erzählt sie fast grinsend, denn sie hat „lebenslanges Duisburg-Verbot“. Dazu muss man wissen, dass ihr Vater Holländer, ihre ebenfalls verstorbene Mutter eine Sinti war. Und deren Familie sei über die öffentliche Darstellung, Bloßstellung muss man wohl sagen, entrüstet, droht ihr. Tophofen lässt das kalt: „Jahrelang kümmert sich von denen keiner um mich, und kaum stehe ich in der Öffentlichkeit, sagen sie ich sei infam. Aber muss ich nicht erst dazugehören, um ausgeschlossen zu werden?“

Die Herzen öffnen

Das Elternhaus gibt es längst nicht mehr, das einzige Band zu ihrer Sinti-Abstammung sei die Sprache, ansonsten lebe sie „sehr deutsch“. Serviceorientiert sind im Anhang des Buches Kontaktadressen von Beratungsstellen verzeichnet. Bei Lesungen in Schulen und anderswo geht sie auch direkt auf Menschen zu: Der Gesellschaft müsse klar sein, dass sie mitverantwortlich ist, dass sie „ihre Herzen öffnen muss. Wer soll denn helfen, wenn nicht die Außenstehenden?“