Duisburg. Mit Staus auf den Duisburger Straßen war am ersten „echten“ Arbeitstag nach der A59-Sperrung zu rechnen. Aber taugen Bus und Bahn als Alternative? In der DVG-Leitstelle bietet sich ein Gesamtbild über die Folgen der Sperrung der Nord-Süd-Achse.

Birgit Adler steht mit verschränkten Armen in der Leitstelle, ihr Blick ruht auf den riesigen Monitorwänden. Im Norden lässt der Schnellbus SB40 auf sich warten, inzwischen mit einer halben Stunde Verspätung. „Dass die Busse bei dem Verkehr mit untergehen, war abzusehen“, sagt die 49-Jährige. Sie ist Via-Geschäftsführerin und quasi die oberste Verkehrsmanagerin, eigentlich hat sie Urlaub, will sich an diesem Tag aber selbst ein Bild machen.

Der Montag ist nach Feiertag, Brückentag und Wochenende die erste ernsthafte Belastungsprobe für alle Pendler: Tag eins des Stresstests, die Sperrung der A59 als Nord-Süd-Achse fordert erstmals ihren Tribut.

DVG setzt Melder auf E-Bikes ein

Nadelöhr mit Staupotenzial in Ruhrort: der OB-Lehr-Brückenzug. Der Rückstau reichte bis über den Rhein nach Homberg.
Nadelöhr mit Staupotenzial in Ruhrort: der OB-Lehr-Brückenzug. Der Rückstau reichte bis über den Rhein nach Homberg. © WAZ FotoPool

Die Blechlawinen auf Autobahnen und innerstädtischen Ausweichstrecken hatten alle Beteiligten im Vorfeld erwartet. Aber bringt der Umstieg auf den ÖPNV tatsächlich den angekündigten zeitlichen Vorteil? Oder bleiben auch Busse und Bahnen auf den verstopften Straßen hängen? Der Ort, an dem sich der beste Gesamtblick auf das vermeintliche Verkehrschaos bietet, ist die Leitstelle der Duisburger Verkehrsgesellschaft: Hier laufen die Bilder von den Haltestellen-Kameras ein, ebenso sämtliche Meldungen von DVG-Fahrern und von den extra eingesetzten Streckenposten, die auf E-Bikes die Linienwege abfahren.

Schnell zeigt sich: Wo sich der ÖPNV die Straßen mit den Autos teilt, geraten auch Busse und Bahnen ins Stocken. Wie der SB 40. Nur drei Haltestellen in 20 Minuten, das dauert zu lange. Schnell wird umgeplant: Statt sich bis zur Stadtmitte durchzuquälen, pendelt der Schnellbus nur noch als Zubringer zu Haltestellen in Walsum und Hamborn, an denen Fahrgäste in die Straßenbahn umsteigen können. Denn die 903 entpuppt sich tatsächlich als schnellste Verbindung: fünf bis sieben Minuten Verspätung, was kaum auffällt, wenn durch den erhöhten Takt alle fünf Minuten eine Bahn hält.

Verspätungen von bis zu 27 Minuten

Probleme gibt’s bei der 903 in Meiderich, wo Abbieger im Rückstau stehen bleiben, die Bahn kommt nicht durch. Zudem blockieren Autofahrer die abmarkierte Spur für die Straßenbahn. Bei der 901 in Ruhrort sorgt das für Verspätungen von bis zu 27 Minuten.

„Die Leute werden sich ihren Weg suchen. Das dauert zwei bis drei Tage“, ist sich Birgit Adler, die ist Geschäftsführerin der Via Verkehrsgesellschaft, sicher.
„Die Leute werden sich ihren Weg suchen. Das dauert zwei bis drei Tage“, ist sich Birgit Adler, die ist Geschäftsführerin der Via Verkehrsgesellschaft, sicher. © DVV

Um halb acht ist der Höhepunkt der Rush-Hour: Zum Berufsverkehr kommen die Schüler hinzu. Im Hauptbahnhof warten viele auf die 901. Die DVG setzt kurzfristig einen größeren B-Wagen ein, der gleich 200 statt 120 Fahrgäste mitnimmt. Am Lutherplatz sorgt Sicherheitspersonal morgens und nachmittags dafür, dass Schüler des Berufskollegs nicht auch auf den Gleisen stehen.

Schrecksekunde um kurz nach acht: Die 901 hat in Speldorf kurz hinter der Stadtgrenze eine Fußgängerin erfasst. Die Frau ist offenbar nicht schwer verletzt, wird aber vorsorglich ins Krankenhaus gebracht. Dennoch: die Fahrerin steht unter Schock, die Bahn kann nicht weiter fahren, Ersatzbusse kommen zum Einsatz.

Trotz aller Probleme: Hektik kommt in der Leitstelle nie auf. Das Einzige, das kocht, ist die Kaffeemaschine. „Die Mitarbeiter sind darauf trainiert, sie müssen täglich auf nicht vorhersehbare Situationen reagieren und wissen, was zu tun ist“, sagt Birgit Adler.

A59-Sperrung in DuisburgMit Essen nicht vergleichbar

Dennoch ist die A59-Sperrung eine Ausnahmesituation. Adler, die vor 34 Jahren bei der DVG anfing, erinnert sich allenfalls an einen ähnlichen Fall vor 20 Jahren. „1995 wurde die Ackerfährbrücke von jetzt auf gleich gesperrt, erst nach einem halben Jahr konnten die Bahnen wieder fahren.“ Als Ersatz pendelten Busse über die A59. Selbst die A40-Sperrung in Essen sei nicht vergleichbar: „Die Situation ist eine andere: Es gab in Essen mehr Ausweichmöglichkeiten, hier aber haben wir ein Nadelöhr, man kommt eben nur über Meiderich oder Ruhrort ins Zentrum.“

Wird sich die Situation entspannen? „Ein Resümee werden wir erst nach zwei bis drei Tagen ziehen können. Dann werden sich die Leute ihren Weg gesucht haben.“

Task-Force will freie Fahrt für Bahnen erweitern 

Täglich um 13 Uhr trifft sich in der DVG-Leitstelle eine Task-Force zur Lagebesprechung: Polizei, Feuerwehr, städtische Verkehrsplaner und die DVG-Experten analysieren die Situation und beratschlagen über mögliche Verbesserung.

Thema am Montag, nach dem ersten Stresstest am Morgen: Vor allem der Autoverkehr verhindert, dass die Bahnen ihre Taktung einhalten können. Zwei neuralgische Punkte haben sich im Berufsverkehr gezeigt: Die 901 steckt vor allem in Ruhrort in der Blechlawine am Friedrichsplatz fest. Mögliche Lösung: Die Fahrspur mit den Gleisen könnte noch weiter in Richtung Tausendfensterhaus abmarkiert werden, wie DVG-Sprecherin Anamaria Preuss gestern mitteilte.

Auch die wichtige Linie 903 als Alternativangebot für Autofahrer blieb in Meiderich an der Kreuzung Voßstraße immer wieder im Rückstau stecken. Das Problem: Linksabbiegen ist an insgesamt vier Stellen im Stadtgebiet zwar per Beschilderung seit der Sperrung untersagt, damit der Verkehrsfluss erhalten bleibt. Doch eben nicht alle Autofahrer halten sich daran. Auch die extra abmarkierten Fahrspuren für die Straßenbahnen werden häufig von Autofahrern genutzt. Die Lösung: Die Polizei will an diesen Punkten jetzt stärker kontrollieren und Verstöße entsprechend mit einer Geldstrafe ahnden.