Duisburg. . Das Theaterensemble Aihasissi der Lebenshilfe ist ein ganz besonderes: Hier spielen gehandicapte gemeinsam mit nicht-behinderten Schauspielern. Im Mai ist Premiere ihres Stückes „Wenn die Nacht kommt“ in Duisburg. Ein Probenbesuch.

Grabsteine werden auf die Bühne projiziert, in Zeitlupe erwachen die „Untoten“, erheben sich mit gruseligen Greif-Bewegungen, bis sich zu Michael Jacksons „Thriller“ ein fetziger Tanz entwickelt. „Wenn die Nacht kommt“, heißt das neue Theaterstück des Ensembles Aihasissi der Lebenshilfe Duisburg. 15 Köpfe zählt die Schauspielertruppe, die derzeit für ihre Premiere im Mai eifrig probt.

Autorin und Regisseurin Amy Elaine Weingartz-Volz dirigiert von unten, ruft ihre Kommandos herauf, flitzt hoch auf die Bühne, weist ihren Mitstreitern die richtige Position, das Tempo, den Weg. Ihren einjährigen Sohn Moritz hat sie sich rücklings in einer Kiepe umgeschnallt, er wird von Mamas atemlosen Tempo-Spurts in den Schlaf geschuckelt.

Feingefühl für Stimmungen

Die nächste Szene ist in Arbeit. Hauptdarsteller Carsten soll sich erschrecken, weil sein Buch, in dem er liest, plötzlich mit ihm spricht. Und dann soll er abgehen von der Bühne, „nach deinem rechts und meinem links“, fordert ihn die Chefin auf. „Ich kann so nicht arbeiten“, frotzelt Carsten ganz wie ein Profi. Großes Gelächter. Ein bisschen albern, ein bisschen streng, immer mit großer Geste dirigiert Amy Elaine Volz, denn ihre Mitspieler sind alle besonders, haben Trisomie 21 oder sind psychisch behindert, sind autistisch oder sonst wie gehandicapt.

Da braucht es Feingefühl, deshalb steht vor jedem Probenbeginn die Begrüßungsrunde: Ankommen, eingewöhnen, erzählen, was man erlebt hat, zeigen, wie die Stimmung ist. Danach weiß die Theaterpädagogin, wer heute auf keinen Fall Kritik vertragen kann und wer mehr Motivation braucht oder gar einen verbalen Tritt in den Allerwertesten. „Ich lerne hier, dass Zeit eine andere Rolle spielt“, sagt Volz, die mit einer behinderten Schwester aufwuchs, reinwuchs in Umgang, Pflege: „Das ist meine Berufung, mein Herz steckt in dieser Truppe.“

Auch Nichtbehinderte sind dabei

Wohl auch, weil sie die Erfolge sieht: wie sich spastische Bewegungen in fließendem Tanz aufzulösen scheinen, wie eine völlig in sich gekehrte Frau plötzlich rhythmisch mitwippt, wie die Schauspieler Selbstbewusstsein tanken, sich voller Stolz auf der Bühne bewegen.

Vorstellungen

„Wenn die Nacht kommt...“ feiert am Montag, 12. Mai im Grammatikoff am Dellplatz seine Premiere. Einlass ist um 19.30 Uhr, der Eintritt kostet im Vorverkauf 10, an der Abendkasse 12 Euro. Weitere Vorstellung: Dienstag, 13. Mai.

Eine weitere Aufführung ist in der Zeche Carl, Wilhelm-Nieswandt-Allee 100, in Essen am Sonntag, 31. August um 17 Uhr.

Unterstützt wird Volz von zwei Assistenten, ein Techniker kümmert sich um Musik, Licht und die Videobeiträge. Denn die Story wird nach dem Motto „Träum ich oder bin ich wach“ auch mit Einspielern fortgeschrieben. Darin erklären die Schauspieler, was sie sich wünschen, oder worauf sie stolz sind. „Ich wünsche mir, dass ich gesund bleibe“, lautet so ein berührendes Statement. Oder: „Ich wünsche mir, mit meiner Freundin zusammenzuziehen.“

Im siebten Jahr leitet Volz das Ensemble, bislang waren alle mit Handicap, „und da war ich stolz drauf!“. Jetzt sind im Zeitalter der Inklusion auch Nichtbehinderte dabei. Premiere aber haben sie noch nie an einem Wochenende gefeiert, dieses Mal ist es ein Montag. „Daran erkennt man den Stellenwert eines solchen Ensembles“, bedauert Volz.

Die Lebenshilfe finanziert das Theaterprojekt aus eigenen Mitteln sowie mit Stiftungsgeldern. Eine öffentliche Förderung sei bislang nicht möglich, bedauert Geschäftsführer Michael Reichelt, aber absolut wünschenswert. Denn das Ensemble sei eine gute Gelegenheit, Inklusion zu proben, eine Chance, dass Behinderte und Nicht-Behinderte sich begegnen, gemeinsam etwas auf die Beine stellen.