Duisburg. Das wissen wenige Duisburger. Der Textautor des berühmten Moorsoldatenliedes Johann Esser lebte und arbeitete in Rheinhausen , auf der Zeche Diergardt-Mevissen. Esser, der im Konzentrationslage den Liedtext schrieb, ist auf dem Friedhof Trompet begraben. Jetzt erinnert dort eine Gedenktafel an ihn.
„Wohin auch das Auge blicket, Moor und Heide nur ringsum. Vogelsang uns nicht erquicket, Eichen stehen kahl und krumm. Wir sind die Moorsoldaten und ziehen mit dem Spaten ins Moor!“ So lautet die erste Strophe des Moorsoldatenlieds, das zu einer Art Hymne des deutschen Widerstands gegen den Faschismus wurde.
Vor 80 Jahren schrieb Johann Esser die berühmten sechs Strophen des Liedes, unter dem Eindruck der menschenunwürdigen Lebens in dem Arbeitslager. Für viele Duisburger war über Jahrzehnte völlig unbekannt, dass der Textautor des „Liedes der Moorsoldaten“ einst in Bergheim lebte, zwölf Jahre lang unter Tage auf der Zeche Diergardt-Mevissen arbeitete und auf dem Trompeter Friedhof begraben ist, genauso wie ein bekannterer Widerstandkämpfer aus Bergheim, Alfred Hitz.
Erinnern an die Zukunft
Für die Bürgerinitiative „Erinnern für die Zukunft“ war das Grund genug, auf dem Trompeter Friedhof dauerhaft an den mutigen Widerstandskämpfer Johann Esser zu erinnern. Daher weihte der Geschichtsverein am Sonntag feierlich eine Gedenktafel ein, an dem Ort, an dem Esser 1971 seine letzte Ruhestätte fand.
Irmgard und Hermann aus Moers, zwei von Johann Essers Kindern aus erster Ehe, nahmen an der 90-minütigen, würdigen Gedenkfeier teil. „Ich bin ergriffen. Damit habe ich nicht mehr gerechnet. Ich danke allen Beteiligten für diese Feier“, sagte die Tochter. Bürgermeister Manfred Osenger und Dr. Bernhard Schmidt vom Moerser Geschichtsverein „Erinnern für die Zukunft“ würdigten Leben und Werk von Johann Esser. „Aus dem lebendigen Erinnern durch dieses Lied sind wir alle dazu aufgerufen, aktiv daran mitzuarbeiten, dass es eine Wiederholung von Gewaltherrschaft, Faschismus und Unterdrückung in unserem Land nicht mehr geben wird“, meinte Osenger.
Mitglied der Kommunistischen Partei
Am 1. März 1933, einen Monat nach der „Machtergreifung“, war Johann Esser als Mitglied der Kommunistischen Partei wie viele andere Sozialdemokraten, Gewerkschafter und Kommunisten verhaftet und verschleppt worden. Esser kam am 1. August 1933 mit einem Sammeltransport von insgesamt 38 Schutzhäftlingen ins KZ Börgermoor bei Papenburg, musste dort im Moor unter Zwang unter strengster Bewachung Torf abbauen. Einer seiner Mithäftlinge war ein Friedensnobelpreisträger, der regimekritische Publizist Carl von Ossietzky (1889-1938). Esser überlebte, anders als sein prominenter Kamerad.
Nach seiner Entlassung aus dem Konzentrationslager wurde Esser in den folgenden Jahren immer wieder inhaftiert. Er fand keine Arbeit mehr, musste daher mit seiner Familie in ärmlichen Verhältnissen leben. Doch der schwer gezeichnete Esser überlebte mit seinen fünf Kindern die NS-Zeit. Nach Ende von Hitlerdiktatur und Krieg nahm Esser seine Tätigkeit als Gewerkschafter wieder auf, trennte sich aber in der Ära des sowjetischen Diktators Stalin von den Kommunisten.
Im Ersten Weltkrieg als Frontsoldat
Johann Esser wurde 1896 in Wickrathhahn, heute ein Stadtteil von Mönchengladbach, geboren. Seine Kinderjahre verlebte er in einem Waisenhaus. Nach der Entlassung aus der Schule arbeitete er als Weber. Im Ersten Weltkrieg diente er als Frontsoldat.
Ab 1919 wurde er Bergmann am Niederrhein. Rasch schloss sich Johann Esser der Arbeiterbewegung an, wurde Gewerkschaftsmitglied und trat der Kommunistischen Partei (KPD) bei. Inspiriert durch die Arbeiterdichtung begann Johann Esser, selbst zu schreiben. Anfang März 1933 nahm ihn die Gestapo in Bergheim, das 1934 zur neu gegründeten Stadt Rheinhausen gehörte, in so genannte „Schutzhaft“.
Nach seiner Verhaftung gab Esser bei der Gestapo zu Protokoll: „Im Jahre 1919 verzog ich nach Rheinhausen und habe dort bis zum Jahre 1931 auf der Zeche „Diergardt“ als Bergmann gearbeitet. Da ich mich im Jahre 1931 an dem wilden Streik beteiligt habe, wurde ich noch mit mehreren Bergarbeitern entlassen. Seit dieser Zeit bin ich erwerbslos und beziehe Erwerbslosenunter-stützung.“
Mehrere 100 Gedichte
Esser wurde von den Nazis des Hochverrats angeklagt und in das im Emsland gelegene Konzentrationslager Börgermoor gebracht. Das KZ Börgermoor war eines von 15 Konzentrationslagern, bekannt unter dem gemeinsamen Namen Emslandlager.
Hier schrieb Esser dann im August 1933 den Text der Urfassung von „Wir sind die Moorsoldaten“. Nach dem aktuellen Stand der Forschung ist es das erste - und wohl auch bekannteste - KZ-Lied.
Auch und vor allem nach seiner Pensionierung 1960 intensivierte Johann Esser seine Schreibtätigkeit: Am Küchentisch in der Moerser Bergarbeiterkolonie entstanden mehrere Hundert Gedichte. Ein Teil wurde in Zeitungen und Kalendern veröffentlicht. Doch keines dieser Gedichte machte Johann Esser so bekannt wie das legendäre Lied vom Moorsoldaten.