Duisburg. Die Debatte über mögliche Raubkunst im Duisburger Lehmbruck-Museum erreicht den Stadtrat: Er soll über weitere Schritte entscheiden. Es geht um die Frage, wie die Bilder von jüdischen Kunstsammlern zum Museum gelangten und ob sie in den Besitz der Erben gehören. Drei Millionen Euro Verlust drohen.

Der Umgang mit „NS-verfolgungsbedingt verloren gegangenen Kunstwerken“ ist ein sensibles und schwieriges Thema. Die kontroverse Debatte erreicht durch die bestehenden Rückforderungen an das Lehmbruck-Museum jetzt auch die Lokalpolitik: Da die Gemälde „Frauen am Meer“ von Erich Heckel und „Frauen im Blumengarten“ von Emil Nolde zur Stiftungsmasse der Stadt Duisburg gehören, sollen die Ratsmitglieder in ihrer Sitzung am 7. April über die weiteren Schritte entscheiden.

Zwar geht es zunächst nur darum, den genauen Weg und vor allem die Umstände von Experten erforschen zu lassen, wie die Bilder von den jüdischen Kunstsammlern Eduard Müller und Hans Hess über Umwege zum Lehmbruck-Museum gelangten. Doch sollten die Rückforderungen der Erben berechtigt sein, soll sich der Rat bereits jetzt einverstanden erklären, dass dann auch die Restitution der Gemälde erfolgt.

1952 für 5000 Mark gekauft

Die sogenannte „Provenienzforschung“ würde ein spezialisierter, externer Wissenschaftler durchführen, der aus Fördermitteln des Instituts für Museumsforschung in Berlin bezahlt würde. Kommt er zu dem Ergebnis, dass die beiden Meisterwerke des deutschen Expressionismus zweifelsfrei in den Besitz der früheren Eigentümer und damit der Erben gehören, soll mit ihnen „eine gerechte und faire Lösung“ gefunden werden.

Dass es dabei zu Vergleichszahlungen oder einem anderweitigen Wertausgleich kommt, ist höchst unwahrscheinlich. Dem Museum sowie der Stadt fehlt dafür das Geld. Und nicht zuletzt zeigt die Erfahrung anderer Restitutionsfälle, dass die zurückgegebenen Gemälde kurz darauf in großen Auktionshäusern unter den Hammer kommen und hohe Preise erzielen.

Rat könnte für Präzedenzfall sorgen

Vorab lässt sich der Marktwert nur schwer schätzen. Das Nolde-Gemälde „Frauen im Blumengarten“ hat das Lehmbruck-Museum 1958 mit Unterstützung der Gebag gekauft und aktuell für eine Million Euro versichert. Doppelt so hoch soll laut der New Yorker Erben-Anwälte der Marktwert von Heckels „Frauen am Meer“ liegen, das die Stadt 1952 für 5000 Mark von einem Kunsthändler gekauft hat.

Doch die Frage der Rückgabe, die das Museum seit mehr als zehn Jahren beschäftigt, dreht sich längst nicht nur um die beiden Gemälde mit ihrem Schätzwert von rund drei Millionen Euro. Vielmehr könnte der Rat durch seinen Beschluss für einen Präzedenzfall sorgen. Das deutet Kulturdezernent Thomas Krützberg bereits in dem entsprechenden Papier an die Ratsleute an: So sei bei der Entscheidungsfindung „zu berücksichtigen, dass weitere Restitutionsforderungen an das Lehmbruck Museum bzw. an die Stadt Duisburg zu erwarten sind.“

Land als Stiftungsaufsicht stimmt zu

Denn schließlich hat das Museum eine Vielzahl von Gemälden in den Nachkriegsjahren erworben: Die Preise waren verhältnismäßig bescheiden, Bilder wechselten häufig die Besitzer, und längst nicht alle verfügen über eine vollständige Provenienz, schon gar nicht die Raubkunst-Verdachtsfälle.

Einer fairen Lösung für das in der NS-Zeit begangene Unrecht der Enteignung wird sich die Stadt dennoch nicht in den Weg stellen, auch wenn sie betont, dass weder die „Washingtoner Erklärung“ noch die „Gemeinsame Erklärung“ von Bund und Ländern eine Grundlage bilden, die Ansprüche auf Herausgabe von Kulturgütern auf dem Rechtsweg durchzusetzen.

Das Museums-Kuratorium hat sich nach jahrelanger Verweigerungshaltung dem Restitutionsthema bereits geöffnet, auch das Land als Stiftungsaufsicht hat vor drei Wochen bereits zugestimmt, die beiden Gemälde im Fall eines zweifelsfreien Anspruchs der Erben aus dem Stiftungsgrundstock herauszulösen.